Sensodrive
Herr Sporer, was genau macht Sensodrive?
Wir haben die Antriebstechnologie der DLR-Leichtbauroboter in Form von Produkten und Dienstleistungen in die Industrie- und Medizinrobotik gebracht. Unsere Antriebe sind besonders leicht, kompakt und sicher.
Sie waren wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut: Wie ist die Idee entstanden und war es von Anfang an klar, dass Sie ein Unternehmen gründen wollen?
Genau. Ich war lange Jahre im Institut verantwortlich für die Entwicklung von Leichtbaurobotern. Irgendwann stand ich am Scheidepunkt meiner Karriere und stellte mir die Frage: Geht es für mich Richtung Wissenschaft weiter oder doch in die Industrie? Ich habe oft erlebt, dass meine Forscher-Kollegen in die Industrie gewechselt sind, und mit diesem Schritt mussten sie das, was sie ursprünglich entwickelt haben, hinter sich lassen. Das kam für mich nicht in Frage, denn ich hielt unsere Entwicklung für sehr wichtig und die Arbeit machte mir großen Spaß. Ich hatte Glück: Im Institut förderte und unterstützte man Ausgründungen schon damals aktiv – nicht zuletzt mit Fortbildungen und guten Konditionen und Lizenzbedingungen für den Erwerb der Technologie. Das ist nicht selbstverständlich. Arbeitet man in einem Unternehmen und will eine eigene Firma gründen, dann ist nicht selten am nächsten Tag der Rechner gesperrt, und man ist plötzlich unerwünscht. Diese Einstellung schätze ich sehr am DLR.
Ein weiterer wichtiger Punkt für meinen Entschluss war das Mindset: Ich denke, ich war im Herzen schon immer mehr der Unternehmer als der Wissenschaftler. Also, es war genau die richtige Entscheidung für mich.
Wie ging es weiter? Was gab es zu tun nach der Entscheidung?
Dann hieß es erst einmal anzupacken: Businessplan schreiben, Weiterbildungen rund um das Thema Unternehmertum und Gründerschulungen besuchen. Ich bin ein Fan davon, eine Entscheidung zu treffen und diese konsequent durchzuziehen. So ging alles recht schnell: Nach etwa einem Jahr waren wir schon in Form eines Ingenieurbüros tätig, etwa 2 Jahre danach mit dem jetzigen Unternehmen.
Im Bereich Firmengründungen hat sich seitdem viel getan im DLR: Als Gründer ist man kaum noch auf externe Schulungen angewiesen, das DLR bietet seinen Mitarbeitenden vielfältige Unterstützungsangebote und Weiterbildungen zum Thema Ausgründungen.
Gab es größere Hürden in der Phase bis zur Ausgründung?
Was wir tatsächlich gemerkt haben, war die Einstellung von Investoren und Banken zum Ende der Dotcom-Blase. Wir haben 2003 gegründet und da wollte keiner mehr in High-Tech investieren. Die Banken haben uns viel Erfolg gewünscht und vorgeschlagen, eigenes Kapital zu verwenden. Das hatte Vor- und Nachteile. Es war eine Hürde, da wir am Anfang nicht so schnell wachsen konnten, aber diesen Umständen ist es auch zu verdanken, dass Sensodrive immer noch in Familienbesitz ist und wir dadurch mehr Freiheiten haben.
Wie ging die Geschichte weiter? Wie groß ist das Unternehmen heute?
Aktuell haben wir 50 Mitarbeitende. Wir haben uns kontinuierlich weiterentwickelt, Geld verdient, was wir dann wieder in die Firma investiert haben. Vor etwa 3 Jahren stand ich an einem Scheideweg und habe mir die Frage gestellt, wo die Reise hingehen soll. Machen wir so weiter oder setzen wir auf Wachstum? Für mich war es klar: Ich will eine Schippe drauflegen. Das war spannend und fühlte sich wie eine neue Start-up-Phase an: Ich wollte den Staub, der sich über die Jahre angesammelt hat, erneut aufwirbeln: Es gab neue Produktentwicklungsideen, einen neuen Businessplan inklusive Entwicklungs-Roadmap und wir haben einen 7-stellligen Betrag in eine neue Produktgeneration investiert. Das Ziel war, alles neu zu denken und Wachstum in Höhe von einem doppelten Umsatz zu generieren. Das hohe Investment geht natürlich auch mit einem hohen Risiko einher, aber es ist spannend und macht große Freude.
Sie klingen begeistert. Ein neues Produkt zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, genauso wie in der Anfangsphase Ihrer Firmengeschichte – ist es das, was Sie motiviert?
Na ja, was motiviert Menschen? Für mich gibt es da zwei Alternativen: eine Motivation ist das „weg von“, die andere das „hin zu“. Ich war schon immer der „Hin-zu-Typ“ – ich will etwas erreichen und bewegen. Das Finanzielle ist der Erfolg, den man in Zahlen ausdrücken kann – das ist ein schöner Nebeneffekt, aber nicht das, was mich motiviert. Meine Motivation ist, etwas Neues zu erschaffen, was es vorher nicht gab. Das macht mir wirklich Spaß.
Was ist das Besondere an dem neuen Produkt?
Es sind vorzertifizierte Plug-and-Play-Roboterantriebe, die in der Industrie in Cobots und in der Medizinrobotik in Stativen oder OP-Robotern zum Einsatz kommen. Wir haben nicht alles neu entwickelt, sondern in hohem Maße optimiert: die Leistung und die Sicherheit erhöht, ebenso wie die Reproduzierbarkeit, um in hohen Stückzahlen bauen zu können. Unsere Roboterantriebe besitzen dabei eine extrem hohe Sensitivität. Sie können nicht nur von a nach b fahren, sondern gezielt Kräfte ausüben, Kollisionen erkennen und aktiv Schwingungen dämpfen. Die ursprüngliche Idee stammt dabei immer noch aus dem DLR.
Von der Gründung bis jetzt: Was war der größte Erfolg? Oder gab es mehrere?
Dass große Konzerne sich darauf eingelassen haben, mit einer kleinen Firma wie wir es sind, Innovationen umzusetzen, das war ein großer Erfolg für mich. Auch gewisse Meilensteine zählen zum Erfolg: Wir haben den schnellsten Roboter entwickelt und an Stäubli lizenziert. Oder neuartige Stative für die Neurochirurgie, um Operationsmikroskope zu positionieren. Aber der ganz große Erfolg für mich ist das Miteinander in unserem Unternehmen. Wir haben ein unheimlich gutes Betriebsklima, das ist uns allen sehr wichtig. Es gibt sehr viele attraktive Unternehmen in München und im Münchner Umland, aber die Leute bleiben bei uns. Mitarbeitende zu halten und motivierte Mitarbeitende zu haben, ist ein hohes Gut. Natürlich sind der wirtschaftliche Erfolg, die innovativen Produkte und Entwicklungen und die hohe Qualität sehr wichtig. Aber im Zweifelsfall stellen wir die Ehrlichkeit über die Wirtschaftlichkeit.
Da schließt sich für mich der Kreis: Aus Ehrlichkeit und Wertschätzung entsteht die Motivation, die schließlich zu den guten wirtschaftlichen Ergebnissen führt…
Ja, genauso ist es. Und das ist es, was man als Führungskraft vorleben muss. Kritik muss auch sein, dann aber offen und konstruktiv. Wir brauchen eine gut funktionierende Fehlerkultur. Fehler dürfen passieren, sie sollen sich nur möglichst nicht wiederholen. Das ist für mich als Unternehmer ganz wichtig. In so einem Umfeld fühle ich mich wohl und meine Mitarbeitenden ebenfalls.
Das ist das perfekte Schlusswort. Vielen Dank für das Interview!