Software DLR CalLab erhält Manfred-Fuchs-Preis
Die RM-Mitarbeiter Klaus Strobl und Wolfgang Stürzl wurden für ihren erfolgreichen Technologieetransfer der Kamera-Kalibrierungssoftware DLR CalLab am 17. Oktober 2023 mit dem Manfred-Fuchs-Innovationspreis ausgezeichnet. Die Software ermöglicht es, Kameras kostengünstiger zu kalibrieren. Eingesetzt wird sie im neuen 360-Grad-Assistenzsystem von Baufahrzeugen der Liebherr-Gruppe.
Vier Kameras. Vier Blickwinkel. Wie können sie zu einer Vogelperspektive fusioniert werden? Eine effiziente und zuverlässige Lösung bietet die Software-Toolbox DLR CalLab (Calibration Laboratory). Klaus Strobl und Wolfgang Stürzl haben die Kalibrierungssoftware weiterentwickelt und an die Liebherr-Components AG lizenziert. Seit Herbst 2022 wird die am Institut für Robotik und Mechatronik entwickelte Software für die Produktion und Wartung des 360-Grad-Rundumsicht-Assistenzsystems bei Baufahrzeugen der Liebherr-Gruppe eingesetzt. Damit haben Maschinenführende ihre Umgebung per 360-Grad-Videostream voll im Blick und können so Kollisionen und Unfälle vermeiden. Für ihren gelungenen Technologietransfer zeichnete die Gesellschaft von Freunden des DLR (GvF) die Wissenschaftler mit dem Manfred-Fuchs-Preis für herausragende Innovationen aus.
Visuelle Vermessung: Spin-off aus der Raumfahrt
Ob Mensch oder Maschine – die visuelle Wahrnehmung ist einer der wichtigsten Sinne, um gezielt und sicher in einer Umgebung navigieren und interagieren zu können. Im Gegensatz zu uns Menschen sind Roboter und Maschinen jedoch darauf programmiert, die dreidimensionale Welt anhand von zweidimensionalen Bilddaten geometrisch zu erfassen. Dabei entstehen Verzerrungen im „Blick“ der Kamera, die ausgeglichen werden müssen, um die Bilddaten akkurat verarbeiten zu können. Die Kalibrierungssoftware DLR CalLab vereinfacht diesen Prozess der visuellen Vermessung, indem sie eine genaue geometrische Beschreibung von Kameras ermöglicht.
Klaus Strobl beschäftigt sich seit rund 20 Jahren mit geometrischer Kalibrierung und hat die DLR-Software maßgeblich weiterentwickelt sowie kommerziell anwendbar gemacht. So kann die Software nun aus einem einzigen Bild präzise die geometrischen Informationen der jeweiligen Kamera, wie das Zentrum ihrer Projektion und die Aufnahmerichtung, bestimmen. Dies ermöglicht die nahtlose Zusammenführung mehrerer Kamera-Bilder. „Die Vereinfachung der Methode war für uns sehr wichtig. Nicht nur um eine kostengünstigere Produktion zu erreichen, sondern auch um mögliche Störfaktoren zu vermeiden, die die Genauigkeit und die Zuverlässigkeit beeinträchtigen könnten“, sagt Klaus Strobl, der die Fachgruppe für sensornahe Algorithmen leitet.
DLR CalLab ist auch ein Teil deutscher Raumfahrtgeschichte: Die erste Version der Software wurde bereits 1993 zur Kalibrierung von Stereo-Kameras des ROTEX-Greifers während der deutschen D2-Mission entwickelt. Seitdem wird die Software stetig erweitert und findet in einer Vielzahl von Robotersystemen Anwendung. Eine Herausforderung der Anwendung bei Liebherr war es, mit wenigen statischen Kameras eine Rundum-Sicht zu ermöglichen. Hierzu konnte Wolfgang Stürzl seine jahrelange Erfahrung mit Weitwinkel- und Fischaugen-Kameras, die er unter anderem für die Simulation von Insekten-Augen verwendet hat, einbringen: „Ich hatte angefangen mich mit Kamera-Modellen zu beschäftigen und das führte dazu, dass ich eine Kalibrierungssoftware hatte, die sich auch für Weitwinkel-Kameras verwenden lässt.“ Diese Software wurde zusammen mit einem Fischaugen-Kameramodell in das Konzept von CalLab integriert. Anhand weniger Parameter kann die Software damit einfach und effizient die jeweiligen Kameras vermessen.
360-Grad-Surround-View
Die heutigen Bau- und Landmaschinen werden immer größer und schwerer, damit aber auch unübersichtlicher. Moderne Rundumsicht-Assistenzsysteme helfen dabei, die Umgebung der Maschinen besser zu überblicken.
Das Assistenzsystem von Liebherr besteht aus vier Kameras, die an jeder Fahrzeugseite montiert sind und deren Bilder auf einem Display zu einem Gesamtbild in Vogelperspektive zusammengefügt werden können. Die Kalibrierung der Kameras um das Fahrzeug erfolgt mit DLR CalLab. Jede einzelne Fischaugen-Kamera verfügt dabei über einen Blickwinkel von 150 Grad. Dank der DLR-Software sind die Kameras so justiert, dass Einzelbilder entzerrt dargestellt und nahtlos zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Im Vergleich zu anderen am Markt verfügbaren Systemen sind weder zusätzliche Bilder noch Unterstützung durch einen Roboterarm nötig. So können die Kameras mit der DLR-Software einfacher, schneller und zuverlässiger kalibriert werden. „Die Preisträger haben dieses Werkzeug zur Kalibrierung langfristig zu so einer Reife entwickelt, dass dies besser ist als das, was der Markt bieten kann. Dies macht CalLab für kommerzielle Anwender interessant, da sie in ihrem Geschäft profitieren. Eine echte Innovation für die Praxis“ betont der Institutsdirektor Prof. Albu-Schäffer.
Den Prototypen von CalLab hat das DLR im September 2022 an die Liebherr-Components AG lizenziert. Das Unternehmen mit Sitz in Lindau ist Teil der Liebherr-Gruppe, einer der weltweit führenden Hersteller von Baumaschinen. Der Konzern setzt die damit kalibrierten optischen Sensoren in dem neuen digitalen Videosystem LiXplore für Baumaschinen ein. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man die eigene Arbeit nicht nur in den Veröffentlichungen sieht oder im Institut, sondern auch auf der Straße“, freut sich Klaus Strobl.
Abgeschlossen ist das Projekt damit aber noch nicht. „Die Kalibrierungssoftware wollen wir kontinuierlich weiterentwickeln“, sagt Wolfgang Stürzl. Denkbar wäre beispielsweise die automatische Auswahl des passenden Kalibriermodells durch CalLab selbst. Dadurch könnten auch Anwender ohne Fachkenntnisse die Software effizient nutzen.
Der mit 5000 Euro dotierte Manfred-Fuchs-Innovationspreis wird jährlich für eine herausragende wissenschaftliche Leistung verliehen, deren Technologie auch für einen Transfer in die Industrie geeignet ist. Die 1972 gegründete Gesellschaft von Freunden des DLR e. V. – kurz „Freundesgesellschaft“ – fördert als gemeinnützige Einrichtung die wissenschaftlichen und technischen Aufgaben des DLR.
Technologietransfer aus der Raumfahrt
Die Raumfahrtwissenschaft bewegt sich oft am Rande des Möglichen und ist aus diesem Grund eine wichtige Quelle für Technologietransfer. Eine der größten Stärken des Instituts für Robotik und Mechatronik ist der Transfer von Technologien, die ursprünglich für den Einsatz im Weltall entwickelt wurden, in Anwendungen auf der Erde und schließlich zur Industrie und zu den Anwendern. Das Institut verfolgt das Ziel, die Forschungsergebnisse mittels Technologie- und Wissenstransfer schnellstmöglich der Gesellschaft zu Gute kommen zu lassen.