Rover auf der Zielgeraden zum Marsmond Phobos
JAXA, CNES und DLR unterzeichnen ein Kooperationsabkommen zur MMX-Mission am 20. Juni 2023 in Paris. Das Institut für Robotik und Mechatronik koordiniert das Projekt auf Seiten des DLR.
Die Herkunft der Marsmonde Phobos und Deimos ist bis heute ein ungelöstes Rätsel der Planetenforschung. Beide Monde sind das Ziel der japanischen Mission Martian Moons eXploration (MMX). Auf Phobos soll im Rahmen der Mission ein deutsch-französischer Rover landen und diesen – trotz extrem geringer Schwerkraft – rollend erkunden. Auf der internationalen Luft- und Raumfahrtmesse Paris Air Show in Le Bourget unterzeichnete die japanische Raumfahrtagentur JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) nun mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der französischen Raumfahrtagentur CNES (Centre national d'études spatiales) ein Abkommen über die trilaterale Zusammenarbeit im Rahmen der Mission MMX. Derweil ist die Fertigstellung des Rovers samt Instrumenten und Systemen in Richtung Sommer 2023 auf der Zielgeraden. Parallel zur Unterzeichnung erhält der Rover den Namen IDEFIX.
„Wir freuen uns sehr, dass CNES und DLR mit uns im Rahmen der MMX-Mission zusammenarbeiten. MMX zielt darauf, die Ursprünge der Marsmonde zu klären und den Entwicklungsprozess des Marssystems besser zu verstehen, indem zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt von Phobos, einem der beiden Marsmonde, Proben gesammelt werden“, sagt Dr. Hiroshi Yamakawa, Präsident der JAXA. Er fügt hinzu: „Japan teilt mit Frankreich und Deutschland wertvolle Erinnerungen an die Zusammenarbeit bei der Hayabusa2-Probenrückführungsmission, bei der der deutsch-französische Lander MASCOT bereits mitflog. Wir freuen uns darauf, unsere Anstrengungen erneut zu bündeln für eine erfolgreiche Mission MMX.“
Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR, sagt anlässlich der Unterzeichnung: „Japan und Frankreich sind wichtige strategische Partnerländer für das DLR in fast allen unseren Forschungsbereichen. Die Kooperation im Rahmen der Mission MMX ist dabei ein besonderes Beispiel der Gestaltungskraft unserer vielfältigen Zusammenarbeit. Wenn erstmals ein Rover über die Oberfläche des Marsmonds Phobos rollt, haben wir gemeinsam technologische Grenzen verschoben. Gemeinsam wollen wir mehr über den Ursprung unseres Sonnensystems und den Mars mit seinen Monden erfahren.“
Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR betont: „MMX ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man anspruchsvolle Weltraum-Missionen in internationaler Zusammenarbeit durchführen kann: Als gemeinsames Unterfangen, zusammen mit Nationen, Raumfahrtbehörden und Partnern, die das gleiche Ziel verfolgen. Jede Seite bringt ihre besonderen Kompetenzen ein. Die Kosten und Risiken werden geteilt, um gemeinsam außergewöhnliche technologische Expertise und wissenschaftliche Ergebnisse zu erlangen.“
„Die Unterzeichnung dieses neuen trilateralen Abkommens zwischen CNES, JAXA und DLR ist ein weiterer Meilenstein in der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen unseren drei Nationen bei der MMX-Mission. Durch die Untersuchung der beiden Marsmonde Phobos und Deimos wird diese Mission zu großen Fortschritten bei der Erforschung unseres Sonnensystems führen“, sagt Dr. Philippe Baptiste, CEO von CNES.
Mit dem Kooperationsabkommen schaffen JAXA, CNES und DLR einen gemeinsamen Rahmen für die Integration des deutsch-französischen Rovers in die japanische MMX-Mission für eine gemeinsame Landung auf dem Marsmond Phobos in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre. MMX ist dabei eine Mission an der Grenze des technisch Machbaren. Erstmals sollen mittels der japanischen Muttersonde Proben aus dem Marssystem, konkret vom Marsmond Phobos, zur Erde gebracht werden. Der mitgeführte deutsch-französische Rover wird zuvor bei extrem geringer Schwerkraft (Zweitausendstel der Erdanziehung) über die Phobos-Oberfläche rollen, um diese zu erkunden. Der MMX-Rover wurde nach dieser einzigartigen und anspruchsvollen Idee entwickelt und erhielt heute den Namen IDEFIX.
Aktuell laufen die letzten Arbeiten für die Fertigstellung des Rovers am CNES-Standort in Toulouse. In den letzten Monaten erfolgte dort die finale Integration aller Instrumente und Subsysteme, darunter die Solarpaneele, Energiesystem, Bordcomputer und Funksystem für den Kontakt zum MMX-Mutterschiff. Zuvor hatte das DLR bereits die Carbonstruktur des Rovers samt Aufricht- und Fortbewegungssystem am Standort Bremen integriert und im November 2022 zur CNES nach Toulouse geliefert, ebenso wie das Radiometer miniRAD sowie das Spektrometer RAX vom DLR-Standort Berlin. Neben den beiden DLR-Instrumenten zur Analyse von thermischen Eigenschaften und mineralogischer Zusammensetzung der Oberfläche hat CNES zwei Radkameras montiert, die Räder und Untergrund im Blick behalten sowie zwei Navigationskameras integriert.
Mittlerweile hat der komplette Rover fast vollständig die finalen Tests zur Weltraumqualifikation bei CNES in Toulouse durchlaufen, unter anderem hinsichtlich seiner Funktionen und Beständigkeit gegenüber den Vibrationen des Raketenstarts sowie hinsichtlich der extremen Temperaturschwankungen von mehr als 200 Grad Celsius auf Phobos. Die Qualifikationstests des Rovers finden bereits zusammen mit dem Verbindungs- und Separationssystem zum Mutterschiff, genannt „MECSS“ (Mechanical and Electrical Connection and Support System) statt. Dieser Adapter wurde ebenfalls vom DLR bereitgestellt. Auch das von CNES entwickelte Kommunikationssystem, das Befehle und Telemetrie überträgt, wird während der Qualifikationskampagne geprüft. Die Rover-Testkampagne befindet sich nun auf der Zielgeraden. Vor der Auslieferung im Sommer müssen noch der Test für elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und einige abschließende Checks durchgeführt werden.
MMX-Raumsonde
Die MMX-Raumsonde besteht aus drei Modulen. Das Erkundungsmodul hat Landebeine, Probennehmer und einige Instrumente sowie den MMX-Rover an Bord. Das Erkundungsmodul ist mit dem Rückkehrmodul und mit der Probenrückholkapsel verbunden. Diese wiederum hat eine Verbindung zum Antriebsmodul, das mit Treibstofftanks und Raketentriebwerken ausgestattet ist. Die Konstruktion des MMX-Mutterschiffs ist mittlerweile abgeschlossen. Das Projektteam hat mit der abschließenden Integration und Erprobung des Raumfahrzeugs einschließlich der von den Partnerorganisationen bereitgestellten Instrumente in Richtung des anvisierten Startfensters 2024 begonnen.
Der Missionsablauf
Mitte der 2020er Jahre ist der Start der Mission geplant. Nach rund einjähriger Flugzeit wird MMX den Mars erreichen und in seine Umlaufbahn einschwenken. Dann beginnen die acht wissenschaftlichen Instrumente des Explorationsmoduls mit der Kartierung und Charakterisierung der Oberflächen von Phobos und Deimos. Im Laufe der Mission ist die Landung des Rovers auf Phobos vorgesehen. Hierbei wird der Rover aus einer Höhe von 40 bis 100 Metern über der Oberfläche abgesetzt. Nach der Landung richtet er sich selbständig auf, um sich einsatzbereit zu machen. Anschließend beginnt die rund dreimonatige Messphase, innerhalb derer der Rover verschiedene Ziele anfährt, die interessant für die wissenschaftliche Analyse sind. Zum Abschluss der Mission werden durch die Muttersonde, unter Berücksichtigung der auch durch den Rover gewonnenen Erkenntnisse, Bodenproben gesammelt. Diese werden mit dem Rückkehrmodul für genauere Analysen zur Erde geschickt.
Woher kamen "Furcht" und "Schrecken"?
Phobos und Deimos (zu Deutsch: Furcht und Schrecken) begleiten als Monde den Planeten Mars. In der griechischen Mythologie sind sie die Begleiter des Kriegsgottes Ares, der in der römischen Antike seine Entsprechung im Kriegsgott Mars hat. Entdeckt wurden Phobos und Deimos im Jahr 1877 vom amerikanischen Astronomen Asaph Hall. Aufgrund ihrer geringen Größe (Phobos 27 Kilometer im größten Durchmesser, Deimos 15 Kilometer) sind beide Monde unregelmäßig geformt und erinnern mit ihrer Gestalt eher an Asteroiden. So besagt eine Theorie, dass der Mars die beiden, womöglich im Asteroidengürtel entstandenen Körper in der Vergangenheit „einfing“. Allerdings sind damit die sehr engen und fast kreisrunden Bahnen beider Monde in der Äquatorebene des Planeten nur schwer zu erklären. Diese wären besser nachvollziehbar, wenn Phobos und Deimos Überbleibsel eines riesigen Meteoriteneinschlags auf dem Mars wären.
MMX soll das schon lang diskutierte Rätsel der Planetenforschung lösen. Die Entstehung des Marssystems ist zudem ein Schlüssel, um die Prozesse der Planetenbildung im Sonnensystem insgesamt besser zu verstehen. In jedem Fall dürften Spuren von Gesteinen des Mars auf der Oberfläche von Phobos zu finden sein, die als Auswurfsmaterial späterer Asteroideneinschläge auf Phobos landeten. Damit könnte dann mit den Proben von Phobos auch Material vom Mars in der Rückkehrkapsel zur Erde und damit in irdische Labore gelangen.