21. Oktober 2020

Ferngesteuert durch Krisenregion

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie ein Konsortium aus anderen DLR-Instituten und Technologiepartnern untersuchen im Rahmen eines neuen Kooperationsprojekts, wie mit Hilfe ferngesteuerter Lastwagen Hilfsgüter sicher an ihre Bestimmungsorte gebracht werden können. Robotergesteuerte Fahrzeuge sollen Strecken befahren, die für menschliche Fahrer große Risiken bergen, beispielsweise in den unwegsamen und von Überschwemmungen betroffenen Gegenden des Südsudans. Gesteuert werden sie per Telepräsenz von einem sicheren Ort. Am 21. Oktober 2020 fand das Kick-off des Gemeinschaftsprojekts AHEAD mit dem World Food Programme in Oberpfaffenhofen statt.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) als größte humanitäre Organisation der Welt leistet Nahrungsmittelhilfe für mehr als 80 Millionen Menschen in rund 80 Ländern pro Jahr. Für diese Arbeit hat das WFP den diesjährigen Friedensnobelpreis gewonnen. Fahrerinnen und Fahrer sind beim Transport von Hilfsgütern Gefährdungen durch Tierangriffe, Krankheiten wie Malaria oder auch globale Pandemien ausgesetzt. In den vergangenen Jahren ist zudem die Zahl der tödlichen Angriffe auf humanitäre Hilfskonvois gestiegen. Diese Risiken erschweren den Zugang zu vielen Bestimmungsorten, die auf Hilfsgüter dringend angewiesen sind. Das WFP sieht sich verpflichtet, sichere Transportmöglichkeiten zu schaffen, um diese Bestimmungsorte mit Hilfslieferungen zu erreichen und so auch den Wirkungsbereich des WFP auszuweiten. Die Einbindung ferngesteuerter Lastwagen in Zusammenarbeit mit dem DLR ist ein vielversprechender Ansatz, um dieses Ziel zu erreichen.

"Hilfskräfte humanitärer Organisationen sind einer zunehmenden Vielzahl von Gefahren und Bedrohungen ausgesetzt. Zahlreiche Einsätze finden in Umgebungen mit hohem Risiko statt, wie z.B. in Regionen mit Bürgerunruhen, Bürgerkriegen und/oder in fragilen Staaten mit Konfliktparteien." Trotz Verträgen, die auf ein Verbot des Einsatzes von Landminen abzielen, und trotz kontinuierlicher Minenräumungsinitiativen sind tödliche Zwischenfälle mit Minen oder improvisierten Sprengkörpern für die Fahrer unserer Hilfskonvois leider allgegenwärtig" sagt Kyriacos Koupparis, Projektleiter des WFP.

Neben den durch Menschen verursachten Gefahren gibt es viele natürliche Risiken in den jeweiligen Einsatzgebieten, wie wilde Tiere, Schlangen und Insekten, welche Krankheiten wie z.B. Malaria übertragen. Weitere gesundheitliche Risiken für die Fahrer sind Epidemien, z.B. Ausbrüche des Ebola Virus (in Sierra Leone, DRK) oder die aktuelle COVID-19-Pandemie.

Vor allem in den Gebieten, die nur selten von Menschen betreten werden, lassen sich diese Risiken im Voraus schwer abschätzen. Viele der Einsatzorte für humanitäre Hilfe sind schwierig zu erreichen, da in den betroffenen Gebieten zumeist keine ausreichende Infrastruktur vorhanden, oder, im Falle eines Katastrophen-Szenarios, nicht mehr intakt ist. Hier können teleoperierte Fahrzeuge eingesetzt werden, um den Einsatz sicherer zu gestalten und Menschenleben zu retten.

In einige schwer zugängliche Gebiete werden Hilfsgüter per Flugzeug geliefert. Dieses Vorgehen ist kostenintensiv und hat z.B. durch den Spritverbrauch massive ökologische Auswirkungen auf die Regionen. Ziel ist es, sie durch lokale, alternative Lieferketten zu ersetzen. Hier setzt das Kooperationsprojekt mit dem DLR an, erklärt Armin Wedler, DLR-Projektleiter für AHEAD: "Als Beispielprojekt nehmen wir die regionalen Überschwemmungen im Südsudan, wo große Gebiete von herkömmlichen Lieferketten abgeschnitten sind. Es ist gelungen die Kosten für die Notlieferung durch den Einsatz von Booten und LKW zu senken. Die Strecke führt jedoch durch teilweise überflutete Bereiche, die die Fahrzeugführer großen Risiken aussetzen. Unsere Projektskizze beschreibt ein Konzept für robotergesteuerte, ferngesteuerte Fahrzeuge in dieser sehr unwegsamen Umgebung des Südsudan, mit dem die Lieferung der letzten, gefährlichsten Strecke per Telepräsenz von einem sicheren Ort aus, z. B. in Tiar, durchgeführt werden kann."

AHEAD (Autonomous Humanitarian Emergency Aid Devices): Ferngesteuerter Zugang zu Krisenregionen
Forscher des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik entwickeln zusammen mit anderen DLR-Instituten und Technologiepartnern ferngesteuerte Lastwagen, um Hilfsgüter sicher in gefährlichen Gebieten wie dem Südsudan zu transportieren. Der Startschuss für das gemeinsame Projekt mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) fiel am 21. Oktober in Oberpfaffenhofen.
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DLR

Zum Einsatz kommen SHERP-Fahrzeuge, die das WFP bereits erfolgreich im Einsatz hat. Die Offroader bewegen sich in jedem Gelände, selbst in Wasser oder Sümpfen, und können Kletterhindernisse bis zu einem Meter zu überwinden. Sie werden mit mehreren Sensoren zur Echtzeitüberwachung ihrer Umgebung ausgestattet und für die Steuerung aus der Ferne automatisiert. Sollten die Fahrzeuge die Funkverbindung zur Steuerung verlieren, müssen sie jederzeit Sicherheits- und Notfallstopps einlegen können. Dazu erfassen sie ihre Umgebung mit Wahrnehmungssensoren, Tiefenkameras und LIDAR Systemen. "Die Fernbedienung von mobilen Robotern, wie z.B. Rover auf Planetenoberflächen, aber auch Lastwagen in unzugänglichen Umgebungen auf der Erde, sind eng verwandte Aufgaben, da beide Umgebungen gefährlich, schwer zu navigieren und hinsichtlich des Erreichens eines Ziels sehr anspruchsvoll sind. Die Verwendung und der Betrieb ferngesteuerter Roboter halten wir für sinnvoll, weil dadurch Menschen nicht in Gefahr kommen und weil sie kostengünstiger als Lieferungen per Luftfracht sind" erklärt Armin Wedler.

Interview und Text: Lioba Suchenwirth

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