Dezentrale Strom- und Wärmeversorgung

Dezentrale Kraftwerkskonzepte auf der Basis von Mikrogasturbinen

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 annähernd klimaneutral zu werden. Dezentrale Energiesysteme können einen entscheidenden Beitrag leisten, um dieses Ziel zu erreichen. Wir entwickeln und erproben Mikrogasturbinen für solche Systeme.

Bereits bis Ende des Jahrzehnts soll der Anteil erneuerbarer Energien auf mindestens 27 Prozent steigen, eine ähnliche Verbesserung strebt man bei der Energieeffizienz an. Gleichzeitig sollen die Treibhausgas-Emissionen um mindestens 40 Prozent sinken – verglichen mit den Werten aus dem Jahr 1990. Ein Energiesystem, das zunehmend von erneuerbaren Energien gespeist wird, braucht eine stabilisierende Technologie. Dezentralisierung könnte hier helfen - je näher am Verbraucher die Energie produziert wird, desto weniger Übertragungsverluste gibt es. Außerdem bieten dezentrale Energiesysteme die Chance, niederschwellig eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen.

Was sind dezentrale Kraftwerkskonzepte?

Dezentrale Energiesysteme (Decentralised Energy Systems, DES) zeichnen sich dadurch aus, dass die Energie in unmittelbarer Nähe des Endverbrauchers erzeugt wird. In solchen Netzen wird eine Vielzahl kleinerer Stromerzeugungsanlagen und Speichereinheiten genutzt, die an das Netz angeschlossen werden, um Energie zu liefern. Dezentrale Energiesysteme können in sich geschlossene Systeme sein, etwa in abgelegenen Regionen, aber in den meisten Fällen handelt es sich um kleine Anlagen, die mit anderen benachbarten Systemen interagieren. Ein solcher Verbund ist im Katastrophenfall deutlich resilienter als ein zentralisiertes Energieversorgungsnetz. Sollte ein Teil ausfallen, können andere Netze einspringen. Die Größe dezentraler Energiesysteme reicht von einigen kW auf Gebäudeebene bis zu mehreren Dutzend MW im Falle von Stadtquartieren oder kleineren Gemeinden.

Wie könnten Dezentrale Energiesysteme in Zukunft aussehen? 

Sowohl Industriebetriebe als auch Wohnviertel könnten sich in Form eines separaten lokalen Netzes organisieren. Im Fall des Wohnviertels würde es sich um ein dezentrales System mit vielen unabhängigen Verbrauchern und Erzeugern handeln. Das Energiesystem kann je nach Verfügbarkeit verschiedene erneuerbare Quellen wie Wind, Photovoltaik und Erdwärme nutzen. Und diese Quellen können mit Wärme- und Batteriespeichern oder einer Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyseuren kombiniert werden. Dezentrale Energiesysteme sind deshalb auch eine gute Möglichkeit, in eine Wasserstoffwirtschaft einzusteigen.

Dezentrale Energiesysteme, die vor Ort ihren eigenen Wasserstoff produzieren, könnten ländliche Gemeinden, abgelegene Orte und die Industrie zuverlässig und kohlenstofffrei mit Energie versorgen. Bei Power to Hydrogen to Power-Anwendungen liefern Erneuerbare Energie-Technologien Strom in das Netz. Überschüssige Energie wird in Wasserstoff gespeichert und bei Bedarf genutzt. Dies kann sowohl die kurzfristige Speicherung von Reservestrom als auch die saisonale Speicherung umfassen. Die nivellierten Wasserstoffkosten (LCOH) hängen hauptsächlich von den Kosten der erneuerbaren Energien und des Elektrolyseurs ab. Bei den derzeitigen Kapitalkosten für PV, Wind, Elektrolyseure und Speicher rechnet der LCOH-Rechner des European Turbine Network (ETN) zum Beispiel mit LCOH von etwa 7-10 €/kg für dezentrale Anwendungen.

Wie werden Mikrogasturbinen in solche Systeme integriert?

Aufgrund ihrer hohen Lastflexibilität, ihres Teillastwirkungsgrads und ihrer schnellen An- und Abfahrzeiten eignen sich Gasturbinen hervorragend für die Integration fluktuierender erneuerbarer Energiequellen in komplexe Energiesysteme. Zurzeit ist die Kombination von erneuerbaren Energiequellen mit einer Gasturbine als Ausgleichskomponente für die Schwankung der Erneuerbaren und in Kombination mit Wasserstoff oder Biogas als langfristigem Energiespeicher zwar noch eine Ausnahme. Normalerweise dient das Stromnetz als Backup. Aber je höher der Anteil an erneuerbarem Strom ist, desto eher werden solche Kombinationen angesichts der volatilen Strom- und Gaspreise interessant.

Für solche Anwendungsszenarien ist allerdings aus wirtschaftlichen Gründen eine Optimierung der Gasturbinentechnologie notwendig. Darüber hinaus ist die Anpassung an bestimmte Brennstoffe oder die Kombination verschiedener Brennstoffe von Vorteil, um die Unabhängigkeit zu erhöhen. Die heutige Gasturbinentechnologie kann solche Anwendungen aber bereits bedienen.

Woran forschen wir?

Ein Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Mikrogasturbinen ist eine hohe Effizienz. Während die Gesamteffizienz der Systeme hoch ist, da die Abwärme in dezentralen Anwendungen typischerweise genutzt werden kann, bleibt die elektrische Effizienz etwas niedriger als bei Konkurrenztechnologien. Wir erforschen Möglichkeiten, sowohl die elektrische als auch die Gesamt-Effizienz der Mikrogasturbinen zu erhöhen. Dies ist sowohl durch Verbesserung der Komponenten als auch die Optimierung der Kreisprozesse möglich.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Forschung und Entwicklung ist die Stabilisierung der Flamme - das gilt insbesondere bei der Verbrennung von Wasserstoff. Die Flammenstabilisierung ist von grundlegender Bedeutung für die effiziente Leistung und den zuverlässigen Betrieb der Gasturbine. Wir erforschen und entwickeln deshalb vor allem jet-stabilisierte Brennersysteme. In diesen Brennern wird die Stabilisierung durch Jets erreicht, also durch axiale Strahlen mit einem hohen Impuls, die durch Öffnungen in die Brennkammer eingeleitet werden. Dieser axiale Strahlstrom sorgt für eine starke Rezirkulation in der Brennkammer und führt zu einer intensiven Vermischung des verbrannten Gases mit dem frischen Kraftstoff-Luft-Gemisch. Um einen inneren Rezirkulationsbereich zu schaffen, sind die Öffnungen kreisförmig angeordnet. Durch das Fehlen von Niedriggeschwindigkeitszonen wird eine hohe Rückschlagfestigkeit erreicht, weshalb sich dieses Konzept für Anwendungen mit mehreren Brennstoffen oder sehr hohen Brennkammereintrittstemperaturen empfiehlt.

In dezentralen Anwendungen ist außerdem die Zuverlässigkeit der Technik und die Planbarkeit von Wartungen essentiell, um ungeplante Ausfälle zu minimieren. Um die Zuverlässigkeit von Mikrogasturbinen zu verbessern, untersuchen wir typische Schadensfälle und entwickeln die einzelnen Komponenten gemeinsam mit Herstellern weiter. Wir arbeiten an Überwachungskonzepten und der frühzeitigen Erkennung eines Wartungsbedarfs, um die Zuverlässigkeit Mikrogasturbinensysteme zu erhöhen.

Kontakt

Dr. Peter Kutne

Abteilungsleiter
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Institut für Verbrennungstechnik
Mikrogasturbinen
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart