RM-Team gewinnt Assistenzroboter-Rennen beim Cybathlon 2024
Menschen mit körperlichen Behinderungen messen sich beim Absolvieren alltagsrelevanter Aufgaben mittels modernster technischer Assistenzsysteme: Im Cybathlon, der Olympiade der Assistenztechnologien der ETH Zürich, traten 78 internationale Teams aus Forschung und Industrie vom 25. bis 27. Oktober 2024 gegeneinander an.
Das Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) belegte mit dem Dachauer Mattias Atzenhofer und dem Robotersystem EDAN in der Kategorie „Assistenzroboter-Rennen“ den ersten Platz. Die Kategorie ist eine von acht verschiedenen Disziplinen des Wettkampfs. Weitere Disziplinen testen beispielsweise neue Arm- und Beinprothesen. Der Cybathlon existiert seit 2016 und findet alle vier Jahre öffentlich im Eishockey-Stadion Swiss Arena statt. Ziel ist es, die Akzeptanz von Assistenz-Technologien zu steigern und Lücken zwischen Entwicklung und Anwendung zu schmälern.
Steuerung per Joystick und KI
Das robotische System EDAN besteht aus einem elektrischen Rollstuhl und einem DLR-Leichtbau-Roboter-Arm. Dieser wird durch den 30-jährigen Cybathlon-Piloten, der mit Muskeldystrophie lebt, per Joystick gesteuert. Mit Hilfe einer Kamera kann das DLR-System verschiedene Gegenstände erkennen und unterstützt den Piloten bei schwierigen Bewegungsabläufen mittels künstlicher Intelligenz (KI). So reicht es, wenn Mattias Atzenhofer den Roboter-Arm in die ungefähre Richtung eines bekannten Gegenstands steuert. Die KI des Roboters übernimmt dann die präzisen Bewegungsabläufe, sodass einfache Joystick-Kommandos genügen, um die Aufgabe flüssig auszuführen.
Dieses teilautonome Bedienkonzept ermöglicht eine intuitive Nutzung des Assistenzroboters und eine intelligente Unterstützung bei der Durchführung von Alltagsaktivitäten. EDAN soll so Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen ermöglichen, scheinbar einfache Aufgaben wie Trinken oder Türen öffnen selbstständig zu erledigen. Dass solche alltäglichen Aufgaben eine große Herausforderung für Menschen mit Behinderungen darstellen können, ist die Grundidee des Cybathlon-Wettbewerbs. In acht verschieden Disziplinen soll durch Piloten und Teams beim Lösen der Aufgaben gezeigt werden, wie gut die entwickelte Technologie geeignet ist, Menschen im Alltagsleben zu unterstützen.
Im Assistenz-Roboter-Rennen bewältigte Mattias Atzenhofer einen Parcours mit zehn Stationen: Als Pilot musste er zeigen, dass er mit Hilfe EDANs in einen Apfel beißen, ein Kleidungsstück aufhängen, verschiedene Gewürze greifen, und einen Teller aus einer Spülmaschine räumen kann. Eine besondere Herausforderung stellte dabei das Durchfahren einer Tür da – die sowohl per Drehknauf geöffnet, als auch per Türklinke wieder geschossen werden musste.
Wettkampf-Hürden aus dem Alltag
„Bei der Tür gilt es, verschiedene Hürden zu überwinden“, erklärt Jörn Vogel, Leiter des EDAN-Teams vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik. „Zum einen ist es schwierig, den Türknauf zu drehen, denn das erfordert Kraft. Dazu kommt, dass die Aufgabe nicht mit einer Armbewegung alleine ausgeführt werden kann, sondern der Rollstuhl muss zeitgleich zurückfahren, um Platz zu schaffen, damit die Türe überhaupt geöffnet werden kann. Beim Schließen der Türe ist wiederum die koordinierte Bewegung von Rollstuhl und Arm nötig – vorher muss sich der Pilot mit Rollstuhl allerdings noch umdrehen. Für genau solche Aufgaben verfügen wir über unsere Ganzkörperregelung, die die Koordination zwischen Rollstuhl und Arm sicherstellt.“
Dennoch steht und fällt alles mit dem Piloten: Hochkonzentriert doch mit sichtlicher Freude erledigte Mattias Atzenhofer die zehn Aufgaben. Nach einem perfekten Punktestand in den Qualifikationsrunden war das Team EDAN bei der letzten Aufgabe minimal über der Zeit, aber die bereits tadellos erledigten neun anderen Aufgaben in Rekordzeit sorgen für einen souveränen Sieg. Mit sieben Minuten und fünfundvierzig Sekunden war das DLR-Team fast zwei Minuten schneller als das zweitplatzierte Team aus Frankreich.
Aus dem Labor zu den Menschen
„So eine neue Technologie ist natürlich zunächst eine Umstellung. Vier Monate habe ich wöchentlich mit dem EDAN-Team trainiert. Es macht sehr viel Freude, neue Erfindungen so hautnah mitzugestalten, und mir ist es wichtig, dass technische Hilfsmittel so entwickelt werden, dass sie auch wirklich unterstützen“, sagt Mattias Atzenhofer.
„Diese Zusammenarbeit ist auch für uns Entwickler ein echtes Geschenk“, ergänzt Jörn Vogel. Nun geht es darum, die DLR-Spitzenforschung den Nutzenden zugänglich zu machen. „Der erste Platz im Assistenz-Robotik-Rennen freut uns alle riesig – zumal dies zeigt, wie robust und einzigartig EDAN ist. Wir sind also auf dem richtigen Weg.“ So ist der Wissenschaftler im Begriff eine Ausgründung mit dieser Technologie ins Leben zu rufen. Der Technologietransfer wird durch die DLR_Startup Factory unterstützt. Die Forschungsarbeit soll aus dem Labor zu den Menschen gebracht werden, die direkt von dieser Technologie profitieren.