Auswirkungen auf Mensch, Technik und Infrastruktur

NASA/JPL, DLR (Bearbeitung)
Ein Naturschauspiel wie die Polarlichter gehört zu der „guten Seite“ des Weltraumwetters. Es kann aber auch gefährlich für den Menschen und vor allem für die hochgradig technisierte und mobile Gesellschaft sein. Dies hat sich bereits in der Vergangenheit mehrfach gezeigt.
Während beim sogenannten Carrington-Ereignis von 1859 lediglich Telegraphen-Leitungen betroffen waren, hätte ein Ausfall der modernen Stromnetze heutzutage wohl weit verheerendere Folgen: Der zu erwartende Schaden eines vergleichbaren Ereignisses wurde in einer Studie auf rund eine Billion US-Dollar allein in den USA geschätzt. Folgen derartiger Stromausfälle sind unter anderem zeitweise Unterbrechungen von Lieferketten für Güter des täglichen Bedarfes. Auch die menschliche Mobilität ist eingeschränkt, insbesondere durch vorübergehenden Ausfall des Luftverkehrs.
Extreme Weltraumwetter-Ereignisse können darüber hinaus die Weltrauminfrastruktur beschädigen, speziell die satellitengestützte Kommunikation und Navigation. Auch auf den Menschen selbst kann sich das Weltraumwetter negativ auswirken, zum Beispiel bei zukünftigen astronautischen Missionen zum Mond oder Mars.
Störung von Kommunikation und Navigation
Die Ionosphäre wurde maßgeblich durch Pioniere des Radiofunks entdeckt und erforscht. Sie fanden heraus, dass die Reflexion von Radiosignalen an der Ionosphäre sowohl Hilfsmittel (im Kurzwellenfunk) als auch Störquelle (im Mittel- und Langwellenfunk) sein kann.
Bodengestützte Kommunikation wird allerdings immer weiter durch Satellitenkommunikation verdrängt. Letztere verwendet Frequenzen, welche nicht von der Ionosphäre reflektiert werden. Allerdings werden die Signale beim Durchqueren der Ionosphäre dennoch beeinflusst, auch bei normaler Sonnenaktivität: Durch das Plasma der Ionosphäre werden Radiosignale „abgelenkt”. Der entscheidende Faktor ist dabei der Elektronengehalt (TEC, engl. „Total Electron Content“) der Ionosphäre, also die Anzahl an Elektronen entlang des Signalpfads.
Für die satellitengestützte Navigation ist dies von großer Relevanz, da die Ortsbestimmung über Zeitverschiebung des Eintreffens der Signale von mehreren Satelliten erfolgt. Das „Ablenken” des Signals und die damit verbundene minimale Zeitabweichung führt zu einer leicht fehlerhaften Positionierung. Man spricht hier von einem Ausbreitungsfehler.
Extrem gefährlich sind solche Fehler bei Anwendungen, die eine hochgenaue Ortung benötigen – zum Beispiel fahrerlose Autos. Mit TEC-Karten aus Ionosphärenmodellen können diese Abweichungen erfasst und korrigiert werden.
Zusätzlich kann das Weltraumwetter sogenannte ionosphärische Störungen verursachen, also starke zeitliche und räumliche Schwankungen des Elektronengehalts. Diese Störungen verursachen ein Art Rauschen im Satellitensignal, das in der Fachsprache als „Szintillation“ bezeichnet wird. Zusätzliche Unsicherheiten oder im schlimmsten Fall sogar kompletter Signalverlust ist die mögliche Folge.
Wiedereintritt von Satelliten
Zusätzlich zur satellitengestützten Kommunikation und Navigation kann das Weltraumwetter auch die Satelliten selbst beeinflussen. Während eines geomagnetischen Sturms werden in der Ionosphäre starke elektrische Ströme erzeugt, welche die Atmosphäre und Ionosphäre erhitzen. Wenn sich die oberen Schichten der Atmosphäre während eines geomagnetischen Sturms erwärmen, steigt ihre Gasdichte steigt, und die Atmosphäre dehnt sich aus.
Dadurch sind Satelliten auf niedrigen Erdumlaufbahnen (zwischen 200 und 2.000 Kilometer über der Erdoberfläche) einer intensiveren Reibung ausgesetzt als im Normalfall, wodurch sie deutlich absinken. Es besteht das Risiko des Verglühens in der Atmosphäre. Bahnkorrekturen sind allerdings mit einem hohen Verbrauch des – an Bord eines Satelliten begrenzt verfügbaren – Treibstoffs verbunden. Für den Fall, dass ein Wiederanheben des Satelliten nicht vorgesehen ist, verkürzt ein geomagnetischer Sturm die Lebensdauer des Satelliten maßgeblich. Seit 2020 ist die Zahl an Satelliten sprunghaft gestiegen, wozu vor allem Konstellationen von Kleinsatelliten beitragen. Dies vergrößert das geschilderte Problem.
Sociedad de Astronomia de Caribe
Eindrückliches Beispiel hierfür ist das sogenannte Starlink-Ereignis: Anfang 2022 wurden Satelliten in einen Zwischenorbit auf 300 Kilometer Höhe gebracht. Von dort aus sollten sie in ihren finalen Orbit angehoben werden.
Währenddessen ereignete sich ein ein moderater geomagnetischer Sturm. Die Erhöhung der Atmosphärendichte entlang des Satellitenorbits führte dazu, dass 38 der 49 Satelliten anschließend nicht in den finalen Orbit gehoben werden konnten und daher kontrolliert zum Verglühen gebracht werden mussten.
Warum ein vergleichsweise schwaches Weltraumwetter-Ereignis solch heftige Konsequenzen hatte, ist Gegenstand aktueller Forschung.
Sauerstoffspektrometer für die Atmosphärenforschung (OSAS-B)

In den niedrigen Erdorbits ist atomarer Sauerstoff die dominierende Kraft, die zur Verwitterung und Abbremsung von Satelliten führt. Abhängig von der Sonnenaktivität kann die Dichte von atomarem Sauerstoff stark schwanken.
Um atomaren Sauerstoff in der Mesosphäre und der unteren Thermosphäre zu beobachten, hat das Berliner DLR-Institut für Optische Sensorsysteme das Instrument OSAS-B (Oxygen Spectrometer for Atmospheric Science from a Balloon) entwickelt. Dieses misst die Strahlung von atomarem Sauerstoff, welche durch thermische Anregung entsteht. OSAS-B ist das erste Instrument seiner Art, welches den thermisch angeregten Grundzustandsübergang bei 4,7 TeraHertz messen kann und damit Erkenntnisse über die lokale Temperatur und Dichte ermöglicht.
Der wissenschaftliche Ersteinsatz von OSAS-B erfolgte 2022 mit einem Forschungsballon vom schwedischen Forschungsstartplatz Kiruna aus. Darüber hinaus nimmt das DLR mit OSAS-B an der STRATO-Kampagne in Kanada teil. Dabei handelt es sich um Ballonflüge in die Stratosphäre, die von der französischen Raumfahrtorganisation CNES in Kooperation mit der kanadischen Weltraumagentur CSA organisiert werden.
Stromnetze: Fehlschaltungen und Spannungsinstabilitäten
Geomagnetische Stürme beeinflussen das Stromnetz mittels des physikalischen Prinzips der elektromagnetischen Induktion. Hierauf beruht auch die Funktionsweise diverser Alltagsgeräte wie zum Beispiel der Fahrraddynamo: Eine Stromleitung zwischen geerdeten Transformatoren bildet mit dem elektrisch widerstandsfähigen Untergrund eine Leiterschleife.
Ein geomagnetischer Sturm erzeugt durch eine zeitliche Änderung des Magnetfeldes eine Spannung. Diese treibt einen Störstrom an, den sogenannten GIC (geomagnetisch induzierter Strom) – eine unerwünschte Gleichstrombelastung der Komponenten unseres 50 Hertz-Wechselstromnetzes, insbesondere der geerdeten Transformatoren im 380 Kilovolt-Hochspannungsübertragungsnetz.
Ein GIC sorgt für eine Gleichstromüberlagerung in einer Transformator-Wicklung. Dies verschiebt den Arbeitspunkt des magnetischen Kreises im Transformator-Kern, wodurch für die Hälfte einer Wechselstromperiode eine Sättigung auftreten kann. Das wiederum bewirkt einen plötzlichen Anstieg des sogenannten Erregungsstroms, einen erhöhten Blindleistungsbedarf sowie die Injektion von Oberwellen ins Netz. Es kann zu schädlichen Effekten kommen, darunter Fehlschaltungen von Schutzeinrichtungen, Spannungsinstabilitäten und im Extremfall zu irreparablen Transformatorschäden oder flächendeckenden Stromausfällen.
Diese Phänomene werden als Blackouts bezeichnet. Besonders bekannte Blackouts infolge geomagnetischer Stürme ereigneten sich im März 1989 im kanadischen Quebec und im Oktober 2003 im schwedischen Malmö. In diesem Zuammenhang wurde auch von Schäden in Tansformatoren in Südafrika berichtet.
Des Weiteren ist es wahrscheinlich, dass die wiederholte Belastung durch geomagnetisch induzierte Ströme langfristig zu einer Herabsetzung der Lebensdauer von Netzkomponenten führen. Im Rahmen des Projekts RESITEK arbeitet das DLR-Institut für Solar-Terrestrische Physik an einer belastbaren regionalen Risikoanalyse zur Stärkung der Resilienz des Stromnetzes im Katastrophenfall.
Die Gefahr der Strahlungskrankheit

NASA
Als die Astronauten der NASA-Mondmission Apollo 16 am 27. April 1972 wohlbehalten zurück zur Erde kamen, wussten sie nicht, dass sie einem großen Unglück entgangen waren: Nur etwas mehr als drei Monate später ereignete sich eine Serie von Sonnenstürmen, die neusten Untersuchungen zufolge den Sonnenstürmen des Carrington-Ereignisses 1859 an Stärke entsprochen haben könnten. Nur dank einer günstigen Orientierung des interplanetaren Magnetfelds fiel der geomagnetische Sturm vergleichsweise mild aus.
Hätten sich die Apollo-Astronauten zur Zeit des Sturms außerhalb des schützenden Erdmagnetfeldes befunden, wären schwere gesundheitliche Schäden die Konsequenz gewesen. Selbst innerhalb des Raumschiffs, dessen Inneres gegen einen Großteil der Sonnenwindteilchen abgeschirmt war, hätten die Astronauten eine Strahlendosis von ungefähr 100 Röntgenaufnahmen des Oberkörpers abbekommen. Außerhalb des Raumschiffs, zum Beispiel auf der Mondoberfläche, wäre eine akute, unter Umständen sogar tödliche Strahlenkrankheit die Folge gewesen.
Für zukünftige Mond- und Marsmissionen ist es daher essenziell, dass die Sonnenaktivität sorgfältig überwacht und vorhergesagt wird. Dadurch kann eine Crew im Ernstfall frühzeitig gewarnt werden und sich in einen besonders geschützten Teil des Raumschiffs oder der Mond-/Marsbasis zurückziehen. Dies wird bereits heute auf der Internationalen Raumstation ISS so gehandhabt. Im Fall eines Sonnensturms sind Astronautinnen und Astronauten angewiesen, weniger geschützte Bereiche zu vermeiden. Die ISS befindet sich in einer Höhe von 400 Kilometer zwar innerhalb des Erdmagnetfelds. Die Atmosphäre ist jedoch zu dünn, um dennoch eindringende Sonnenwindteilchen abzufangen. Die Besatzung ist zwar keiner Gefahr ausgesetzt, eine gewisse Vorsicht ist dennoch geboten.
Das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln forscht zusammen mit NASA und anderen Beteiligten im Hinblick auf zukünftige astronautische Mondmissionen, wie die solare Strahlung im Weltraum besser erfasst werden kann, um so wirksame Schutzmaßnahmen für zukünftige Crews bereitstellen zu können.