Caralis Chaos – Eindrücke von den Ufern des einstigen Eridania-Sees
- Die hochauflösende Stereokamera HRSC des DLR zeigt die chaotisch geformte Landschaft Caralis Chaos auf dem Mars.
- Forschende nehmen an, dass Caralis Chaos und die Nachbarregion Atlantis Chaos Überreste des früheren Eridania-Sees beheimaten.
- Spektroskopische Analysen deuten auf sehr alte Ablagerungen hin, die später von Wasser bedeckt wurden und verwittert sind.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Planetenforschung, Mars Express
Caralis ist nicht nur der lateinische Name der Stadt Cagliari auf Sardinien, sondern auch die Bezeichnung für ein „chaotisches“ Gebiet auf dem Mars. Bergrücken, Risse und Hochflächen scheinen hier ungeordnet ineinander verwoben zu sein. Bilddaten der hochauflösenden Stereokamera (HRSC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an Bord der ESA-Mission Mars Express zeigen eindrücklich diese Landschaft aus der Region zwischen Terra Cimmeria und Terra Sirenum.
Die Gegend weist mehrere rätselhafte Regionen mit kleinen Hügeln auf, die sich in großen Becken befinden. Kartiert werden konnte sie erstmals dank der Bilder der beiden Viking-Missionen der NASA, die 1976 am Mars ankamen. Die Caralis-Chaos-Hügelfelder haben keine direkte Verbindung zu einem Abflusskanal. Auch in anderen Punkten unterscheiden sie sich von den chaotischen Landschaften des Mars, beispielsweise in der Region Hydraotes Chaos am östlichen Talausgang der Valles Marineris und in den dort nach Norden führenden Tälern, die einst große Mengen Wasser in die nördlichen Tiefebenen leiteten.
Eine Seenlandschaft im Wandel
In der Marsforschung wird angenommen, dass Atlantis Chaos und Caralis Chaos die Überreste des früheren Eridania-Sees beheimaten. Dieser wird auf die mittlere bis späte sogenannte Noachische Periode datiert, in der die meisten Flüsse und Seen auf dem Mars aktiv waren. Er erstreckte sich vermutlich über etwa 1,1 Millionen Quadratkilometer und könnte die Quellregion des großen Ma'adim-Vallis-Ausflusskanals weiter im Norden sein. Später teilte er sich in kleinere, isolierte Seen auf, die schließlich zusammen mit einem Großteil des restlichen Wassers des Planeten verdunsteten und versickerten. Die Periode des Noachiums begann vor etwa 4,1 Milliarden Jahren und dauerte rund 400 Millionen Jahre; es war die wasserreichste Zeit auf dem Mars.
Im Nordosten der Szene, rechts unten in den Draufsichten, sind Teile von Caralis Chaos zu sehen. Wie spektroskopische Analysen zeigen, könnte es sich bei dem hügeligen und hellen Material um eine sehr alte Ablagerung handeln, die später von Wasser bedeckt wurde und verwittert ist. Als die Seen austrockneten, zerbrach das Material und wurde anschließend vom Wind weiter abgetragen. Später überlagerten die tektonischen Verwerfungen der Sirenum Fossae („die Gräben der Sirene“) die Landschaft und durchschnitten das Hügelfeld (rechts) sowie die glatte Oberfläche auf der linken (südlichen) Seite des Bildes.
Starke vulkanische Kräfte
Sehr interessant ist die große Anzahl von Runzelrücken in der Region, typische Merkmale vulkanischer Ebenen. Sie entstehen, wenn eine Lavaschicht zusammengedrückt wird, während sie noch etwas weich und elastisch ist. Sie verformt sich unter der Spannung, die durch den kontinuierlichen Druck von neu produzierter, überlagernder Lava ausgelöst wird.
Bemerkenswert ist auch die Gegend um den 30 Kilometer großen Einschlagskrater in der Bildmitte, der eine auffallend ebene Füllung aufweist. An den äußeren südlichen Flanken des Kraters (im Bild links des Kraters) sind markante Fließstrukturen und darin wiederum kleine Täler zu erkennen. Sie deuten auf eine Aktivität von Wasser in einem späteren Zeitraum hin.
Bei näherer Betrachtung sind an vielen Stellen außerhalb dieses Kraters kleine Täler zu erkennen, durch welche einst vorhandenes Wasser abfloss. Der kleinere Krater in direkter südlicher Nachbarschaft weist an seiner Nordflanke kleine Rinnen auf. Das hier hangabwärts transportierte Material scheint Teile des Kratermaterials am Boden „weggefressen“ oder aufgeschoben zu haben. Auf der oberen rechten Seite des Bildes liegt ein zergliedertes Plateau mit glatter Oberfläche. Hier sind die Überreste mehrerer stark verwitterter beziehungsweise von Lava überschwemmter Einschlagskrater anhand verschiedener kreisförmiger Strukturen zu finden.
Bildbearbeitung
Die Bilder wurden von der HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 1. Januar 2024 während Mars Express Orbit 25235 aufgenommen. Die Bodenauflösung beträgt etwa 15 Meter pro Pixel, das Bild ist auf etwa 177 Grad Ost und 38 Grad Süd zentriert. Das Farbbild wurde aus den Daten des Nadirkanals, dem senkrecht zur Marsoberfläche ausgerichteten Sichtfeld, und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die schräge perspektivische Ansicht wurde aus dem digitalen Geländemodell, dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot/Blau- oder Rot/Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck von der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die farbkodierte topografische Ansicht basiert auf einem digitalen Geländemodell (DGM) der Region, aus dem sich die Topografie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DGM ist eine Marsäquipotentialfläche (Areoid).
Mapserver
Download-Link für freigegebene Rohbilder und DGMs der Region in GIS-fähigen Formaten
Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung von Principal Investigator (PI) Dr. Daniela Tirsch vom DLR-Institut für Planetenforschung besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und elf Ländern stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.