HRSC – die hochauflösende Stereokamera
High Resolution Stereo Camera (HRSC): Der Rote Planet in drei Dimensionen
Die hochauflösende Stereokamera HRSC ist Deutschlands wichtigster Beitrag zur Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Nach der Ankunft am Roten Planeten Ende des Jahres 2003 besteht das Hauptziel dieser Mission in der Suche nach Spuren von Wasser sowie Anzeichen von Leben auf dem Mars. Sieben Instrumente an Bord des Orbiters werden während der voraussichtlich vierjährigen Mission mit einer Reihe von Fernerkundungsexperimenten neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung und Geologie der Oberfläche des Mars und die Bestandteile seiner Atmosphäre gewinnen. Die Orbiterinstrumente sind in ihrer Einheit speziell dafür ausgelegt, die Marsoberfläche in hoher Auflösung für photogeologische und mineralogische Untersuchungen zu kartieren und die Marsatmosphäre und ihre Wechselwirkungen mit dem interplanetaren Medium zu studieren.
Die am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte High Resolution Stereo Camera (HRSC) auf der Mars Express-Mission der ESA ist ein bislang einmaliges Experiment: Zum ersten Mal auf einer Weltraummission bildet eine Spezialkamera eine Planetenoberfläche systematisch in der dritten Dimension und in Farbe ab. Die Ergebnisse sollen die Beantwortung fundamentaler Fragen zur geologischen und klimatischen Geschichte des Roten Planeten ermöglichen. Die räumliche Auflösung der Stereobilder übertrifft bisherige topographische Daten der Marsoberfläche bei weitem und erlaubt es den Geowissenschaftlern, Details mit einer Größe von 10 bis 30 Meter dreidimensional zu analysieren. Als besondere Spitzenleistung enthält die Kamera ein zusätzliches, ultrahochauflösendes Teleobjektiv. Mit diesem Super Resolution Channel (SRC) ist die Abbildung von zwei bis drei Meter großen Objekten - eingebettet in die farbigen Stereobilddaten der HRSC - möglich. Damit lassen sich beispielsweise Felsbrocken in der Größe einer Garage oder Schichtungen in Sedimentgesteinen identifizieren.
Die nur 20 Kilogramm schwere HRSC verfügt über zwei Kameraköpfe: den hochauflösenden Stereokopf, der aus neun CCD-Zeilensensoren besteht, die hinter einem Linsenobjektiv parallel angeordnet sind, sowie den SRC-Kopf, der aus einem Spiegelteleobjektiv und einem CCD Flächensensor aufgebaut ist. Der hochauflösende Stereokopf funktioniert nach dem Scanner-Prinzip, das heißt durch die Anordnung seiner neun Zeilensensoren quer zur Flugrichtung nimmt jeder dieser Sensoren aufgrund der Vorwärtsbewegung des Raumschiffs denselben Bildstreifen auf der Marsoberfläche nacheinander Zeile für Zeile auf. Dabei bildet jeder Sensor dasselbe Objekt auf der Oberfläche unter einem unterschiedlichen Blickwinkel ab. Am Boden werden dann aus fünf dieser Bildstreifen 3D-Bilder erzeugt. Die verbleibenden vier der neun Zeilensensoren sind mit speziellen Farbfiltern für die Aufnahme multispektraler Daten versehen.
Am marsnächsten Punkt der elliptischen Umlaufbahn (Perizentrum) beträgt der Abstand vom Raumschiff zum Mars 270 Kilometer. Bei dieser Höhe über dem Mars ist die Auflösung der 9 Bildstreifen 12 Meter für jeden der 5184 Pixel pro Zeilensensor. Die Bildstreifenbreite beträgt 52 Kilometer und die Mindeststreifenlänge 300 Kilometer. Letztere hängt ausschließlich von der Datenspeicher- und Übertragungskapazität des Raumschiffs ab. Der Super Resolution Channel (SRC) wird wie eine Lupe eingesetzt. Er liefert im Perizentrum 2,3 Kilometer mal 2,3 Kilometer große Bilder in der Mitte der Bildstreifen, die Oberflächendetails mit einer Auflösung von 2,3 Meter pro Pixel abbilden. Diese SRC-Aufnahmen erhalten ihren besonderen Wert durch den geologischen Kontext der Umgebung, welcher durch die Bilder des hochauflösenden Stereokopfes geliefert wird.
Vor der Datenübertragung werden die Bilder in der HRSC Digital Unit komprimiert und im Raumschiff zwischengespeichert. Auf der Erde werden die Marsaufnahmen zunächst am DLR-Institut für Planetenforschung systematisch prozessiert und dann zur weiteren Verarbeitung und Analyse an das HRSC-Team aus 43 Wissenschaftlern in 9 Ländern verteilt.
Seit 1997 wurden zwei Versionen der HRSC für den Flugzeugeinsatz modifiziert. Sie haben in verschiedenen Flugkampagnen schon jetzt den Nachweis für die Robustheit des HRSC-Designs und für den wissenschaftlichen Wert der HRSC Technologie erbracht.
Die HRSC wurde am DLR-Institut für Planetenforschung entwickelt. Das DLR-Institut für Planetenforschung ist auch für den Betrieb der Kamera während der gesamten Mission sowie für die Verarbeitung und Verteilung der Bilddaten verantwortlich. Die Prozessierung der Bilder erfolgt im Berliner DLR-Institut für Planetenforschung in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin. Geleitet wird das deutsche Kameraexperiment HRSC-SRC an Bord von Mars Express vom Principal Investigator (PI) Dr. Daniela Tirsch vom DLR-Institut für Planetenforschung.
Warum braucht man in der Planetenforschung dreidimensionale Bilder?
Die Untersuchung von Oberflächenstrukturen mit Hilfe von Fernerkundungsdaten ist bei vielen quantitativen Messungen auf dreidimensionale Informationen angewiesen (zum Beispiel Querschnitte von Tälern, Volumina von Bergen, etc.). Die Topographie beziehungsweise das Relief der Oberfläche ist also eine wichtige Information bei der geomorphologischen und geologischen Interpretation von Planetenbildern. Bislang gab es in der Planetenforschung noch nie ein Stereokameraexperiment. Es gibt zwar viele Bilder, die mehr oder weniger zufällig, in seltenen Fällen auch extra geplant, die gleichen Gebiete unter verschiedenen Blickwinkeln abbilden, aber die Ergebnisse sind entweder qualitativ nicht hochwertig, schlecht auflösend, oder auf sehr kleine Gebiete beschränkt. Beispiele gibt es von den Oberflächen von Planeten (Merkur, Mars), von Monden (Erdmond, die galileischen Monde des Jupiter) und von Asteroiden (Ida, Gaspra). Meist jedoch mussten topographische Informationen aus anderen Daten abgeleitet werden. Früher wurden dazu häufig Radarinstrumente (Radar - RAdio Detection and Ranging) verwendet, die zum Beispiel die dichte Atmosphäre der Venus durchdringen konnten und ihre Oberfläche dreidimensional abbildeten. In letzter Zeit konnten mit Lasern exzellente Ergebnisse erzielt werden. Hier werden Laserimpulse von einer Raumsonde in Richtung des Planeten gesendet, wo sie an der Oberfläche reflektiert werden. Auf der Sonde werden die reflektierten Impulse empfangen, und aus dem Laufzeitunterschied kann die Entfernung zwischen der Sonde und der Oberfläche bestimmt werden (Lidar - Light Detection and Ranging). Da der Abstand der Sonde zum Mittelpunkt des Planeten bekannt ist, kann also auch der Abstand von dort zur Oberfläche (= die Höhenlage der Oberfläche) berechnet werden. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Lidar-Instrument ist MOLA (Mars Orbiter Laser Altimeter), das mehr als 600 Millionen einzelne Höhenmessungen der Marsoberfläche gesammelt hat. Aus den Einzelmessungen konnte ein globales digitales Höhenmodell erzeugt werden, das eine absolute vertikale Genauigkeit von ungefähr 10 Meter hat. Die horizontale Auflösung ist allerdings schlechter und variiert von 300 Meter in Polnähe bis einige Kilometer in Äquatornähe. Grund dafür ist der polare Orbit der Sonde Global Surveyor, auf der sich MOLA befindet: An den Polen kreuzen sich die Umläufe, und sehr viele Messpunkte befinden sich auf engstem Raum. Am Äquator liegen die Bahnen dagegen weit auseinander. Hier ist die Stereoinformation der HRSC besonders wertvoll.
Was passiert, wenn man mit beiden Augen sieht?
Menschen und Tiere können ihre Umgebung visuell räumlich, also in drei Dimensionen, wahrnehmen. Voraussetzung hierfür sind die Augen und das Gehirn. Da beide Augen zueinander einen Abstand haben (circa sieben Zentimeter), betrachten diese beiden optischen Systeme (linkes und rechtes Auge) jeden Gegenstand aus einem unterschiedlichen Blickwinkel. Das Gehirn verarbeitet durch das sogenannte stereoskopische Sehen die Bilder der beiden Augen zum Eindruck räumlicher Tiefe (das Stereoprinzip). Die Entfernungsinformationen sind allerdings Erfahrungswerte, keine absoluten, exakt definierten Messwerte. Genauso funktioniert das Prinzip einer Stereokamera. Ein Objekt wird aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen, und die Information, die in diesen beiden unterschiedlichen Bildern steckt, kann rechnerisch in räumliche Information weiterverarbeitet werden. Die Wissenschaft, die sich damit befasst, heißt Photogrammetrie (aus dem Griechischen „phos“ – das Licht und „metron“ - das Maß, also etwa „mit Licht messen“ wurde das Substantiv Photographie zusammengesetzt).
Was ist Photogrammetrie?
Photogrammetrie, Messbildverfahren, Verfahren zur Geländeaufnahme und Landesvermessung aus photographischen oder digitalen Aufnahmen der Landschaft (Messbildern) von der Erde oder vom Luft- beziehungsweise Raumfahrzeug. Diese werden entzerrt in die Karte eingetragen. (Quelle: Brockhaus). Die Photogrammetrie befasst sich mit der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen über Objekte und Vorgänge mittels Bildern, schwerpunktmäßig mit Bestimmung der Form, Größe und Lage von Objekten im Raum, vorzugsweise mittels photographischer Bilder als Informationsspeicher. Die Bilder werden durch photogrammetrische Aufnahmen gewonnen und durch photogrammetrische Auswertung verarbeitet. Werden digitale Bilder verwendet (so wie bei der HRSC-Kamera), so wird von digitaler Photogrammetrie gesprochen.
- Als Luftbildphotogrammetrie mit Luft- oder Satellitenbildern, die in einigen Kilometer Höhe (bei Flugzeugen) oder mehreren hundert Kilometer Höhe (bei Satelliten) aufgenommen sind;
- als terrestrische Photogrammetrie mit Bildern, die auf dem Erdboden aufgenommen sind.
Die Photogrammetrie nutzt in der Regel das Stereoprinzip, d.h. sich um bestimmte Bereiche überlappende Bilder desselben Objektes können dreidimensional ausgewertet werden.
(Quellen: Deutsche Industrienorm; Fachwörterbuch Benennungen und Definitionen im deutschen Vermessungswesen)