Aufgerissene Marskruste in Sirenum Fossae
- Die Gräben Sirenum Fossae sind durch Tektonik entstanden und verlaufen über tausende von Kilometern über die Marsoberfläche.
- Ihre Entstehung hängt wahrscheinlich mit magmatischer Aktivität zusammen.
- Solche Strukturen kommen in vulkanischen Riftzonen auf der Erde sehr häufig vor, zum Beispiel in Island.
- Schwerpunkt(e): Raumfahrt, Planetenforschung
Diese Bilder der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen eine Region auf dem Mars, die stark vom Vulkanismus geprägt wurde. Spuren davon sind beispielsweise die auffälligen, parallel verlaufenden Gräben, die das Gebiet durchziehen - die Sirenum Fossae.
Die Sirenum Fossae sind Gräben, die durch Tektonik, also durch Spannungen und dadurch ausgelöste Bewegungen in der Marskruste, entstanden sind. Sie sind bis zu neun Kilometer breit, zwischen mehrere hundert und bis zu eineinhalb Kilometer tief und verlaufen über tausende von Kilometern über die Marsoberfläche. Durch die Dehnung der starren Marskruste kommt es zu geradlinigen Brüchen und dem Absinken von schweren Krustenblöcken zwischen zwei Brüchen in den plastischen Untergrund.
Es wird gemeinhin angenommen, dass Ansammlungen solcher Gräben auf dem Mars in Verbindung mit magmatischer Aktivität stehen, wie zum Beispiel mit vulkanischen Gängen, auch Dikes genannt. Diese Gänge entstehen, wenn Magma entlang von Klüften in andere Gesteinsschichten eindringt und sich nach oben ausbreitet. Wenn diese Gänge die Oberfläche erreichen, kommt es entlang dieser Klüfte und Spalten zu Vulkanausbrüchen und die Lava tritt aus. Bleiben sie jedoch unterhalb der Oberfläche "stecken", drücken sie von unten gegen die Oberfläche - die Stärke ist dabei abhängig vom Volumen der angestauten Masse - was wiederum zu Spannungen führt und die Oberfläche aufreißen lässt.
Große Ansammlungen solcher Dikes, sogenannte Gangschwärme, sind in vulkanischen Riftzonen (große, regionale Dehnungszonen) auf der Erde sehr verbreitet, zum Beispiel in Island, wo man sie zusammen mit Oberflächenbrüchen und Gräben im Vulkangebiet Krafla beobachten kann.
Die Tharsis-Vulkanprovinz - Ursache für die Gräben?
Es ist noch nicht klar, ob die Sirenum Fossae lokale oder regionale magmatische Ereignisse widerspiegeln. Im letzteren Fall gehörten sie zu einem riesigen, radial verlaufenden System von Dikes, dessen Zentrum weiter östlich in der Tharsis-Region liegt. Tharsis ist das größte Vulkangebiet auf dem Mars. Es hat die Größe Europas und erhebt sich wie ein Schild mehr als vier Kilometer über die Marsoberfläche. Hier befinden sich auch einige der größten Vulkane des Sonnensystems: Dazu gehören der Olympus Mons (22 Kilometer Höhe über dem Referenzniveau des Mars) oder die drei Tharsis-Vulkane Ascraeus (15 Kilometer), Pavonis (8 Kilometer) und Arsia Mons (11 Kilometer).
Die Sirenum Fossae würden zu einem radialen Bruchmuster um den Vulkan Arsia Mons passen, der sich ungefähr 1800 Kilometer nordöstlich der Region befindet, die auf diesen Bildern zu sehen ist. Die Störungen ziehen sich durch das gesamte abgebildete Gebiet über alle Geländeformen. Das zeigt, dass die Störungen jünger sind als der Bergrücken in der unteren (östlichen) Bildhälfte, aber auch jünger als die Ebenen in der oberen (westlichen) Bildhälfte. Einige wenige Einschlagskrater in den Gräben sind jedoch später entstanden und können, sofern sie in statistisch ausreichender Zahl im weiteren Verlauf des Grabens auftreten, zur Bestimmung des Alters der tektonischen Struktur hergenommen werden.
Bildverarbeitung
Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 5. März 2017 während Orbit 16.688 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt 14 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 215 Grad östlicher Länge und 28 Grad südlicher Breite. Die Farbaufsicht (Bild 2) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht (Bild 1) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 5), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht (Bild 4) beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid). Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.
Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.