8. August 2019 | Mission Mars Express

Hell-Dunkel-Schattierungen im Marshochland

  • Die aktuellen Bilder der High Resolution Stereo Camera zeigen helle und dunkle Gebiete in der Hochlandregion Terra Cimmeria. Verantwortlich für die verschiedene Färbung sind Unterschiede in der Mineralogie.
  • Die dunklen Schichten sind wahrscheinlich aus vulkanischer Asche entstanden. Fünf große Vulkanprovinzen und unzählige kleine, verstreute Vulkane haben in der Vergangenheit immense Mengen an Asche über den gesamten Mars verteilt.
  • Die Kamera hat bald 100 Prozent des Mars mit Stereobilddaten in hoher Auflösung erfasst, aus denen ein globales digitales Geländemodell der Marsoberfläche berechnet wird.
  • Schwerpunkt(e): Raumfahrt, Planetenforschung

Sand, Staub und Gestein in unterschiedlichen Farbtönen bedecken weitläufige Flächen in der Hochlandregion Terra Cimmeria, einer der ältesten Landschaften auf dem Mars. Die Variationen in den Farbschattierungen rühren sowohl von Unterschieden in der Mineralogie als auch von der Beschaffenheit des Oberflächenmaterials her und sind typisch für die alten Marshochlandgebiete. Die Aufnahmen wurden im Dezember 2018 mit dem am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelten Kameraexperiment HRSC (High Resolution Stereo Camera) aufgenommen, das seit Dezember 2003 auf der ESA-Raumsonde Mars Express den Roten Planeten umkreist.

Ursprünglich nur für die Dauer eines Marsjahres geplant (was zwei Erdenjahren entspricht) umkreist Mars Express mit sieben Experimenten an Bord nun seit fast 16 Jahren den Nachbarplaneten der Erde. Die HRSC hat dabei bald 100 Prozent des Mars mit Stereobilddaten in hoher Auflösung erfasst, aus denen ein globales digitales Geländemodell der Marsoberfläche berechnet wird. Etwa zwei Drittel der knapp 150 Millionen Quadratkilometer des Planeten (das entspricht etwa der Gesamtfläche aller Kontinente der Erde) sind mit einer Auflösung von etwa 20 Metern pro Bildpunkt und besser erfasst.

Dunkle Marsregionen wurden früher für Wälder gehalten

Helle und dunkle Gebiete auf dem Mars kann man sogar mit dem Teleskop von der Erde aus erkennen. Im 19. Jahrhundert gaben solche Beobachtungen Grund zur Annahme, dass auf dem Mars ausgedehnte Waldgebiete existieren, es also zumindest Vegetation auf dem Mars geben könnte, wenn nicht sogar Lebewesen. Seit den späten 1960er-Jahren ist es mit Raumsonden möglich, den Mars aus der Nähe zu beobachten. Schnell war klar, dass der Mars zwar wie die Erde eine Atmosphäre besitzt, diese aber nahezu kein Wasser enthält und vor allem viel dünner ist. Dadurch herrschen heute dort viel zu niedrige Durchschnittstemperaturen, um Leben zu ermöglichen. Auch wenn die Existenz von primitiven Organismen auf dem Mars heute oder in der Frühzeit nicht ausgeschlossen wird, hat es auf dem Mars nie Wälder im Ausmaß irdischer Kontinenten gegeben.

Unterschiedliche Silikatminerale sind Ursache für verschiedene Färbungen

Ursache für die auffallenden Hell-Dunkel-Schattierungen, die man auch auf den Bildern der Region Terra Cimmera sieht, sind vielmehr Unterschiede in der Mineralogie. Helle Gebiete sind von Staub bedeckt, der einen größeren Anteil von hellen silikatischen Mineralen enthält, in denen das namensgebende Element Silizium sowie Aluminium, Kalzium, Kalium oder Natrium das Kristallgerüst bilden. Das ist beispielsweise bei Feldspatmineralen der Fall, die bei hellen vulkanischen Gesteinen wie Rhyolith oder dem Tiefengestein Granit als gesteinsbildende Minerale auftreten. Der Silikatgehalt (Siliziumdioxid, SiO2) dieser Gesteine kann bis zu 65 Prozent betragen.

Dunkle Gebiete sind dagegen hauptsächlich von Material bedeckt, das aus 'mafischen', dunklen Mineralen bestehen, wie zum Beispiel den Bestandteilen von Basalt. Basalt ist auf dem Mars und der Erde das am weitesten verbreitete Produkt magmatischer Silikatschmelzen. Sie sind geschmolzen im Gesteinsmantel leichter als das Umgebungsgestein. Dadurch steigen sie auf und treten als dünnflüssige Lava an die Oberfläche. Die Hauptminerale, aus denen basaltisches Gestein zusammengesetzt ist, sind Plagioklase, Pyroxene und Olivine. Sie gehören wie die Feldspäte zwar auch zur Gruppe der silikatischen Minerale, enthalten jedoch im Gegensatz zu diesen einen hohen Anteil an Eisen, Magnesium oder auch Titan. Darum sind diese Minerale dunkler als andere. Der Silikatgehalt von Basalt beträgt zwischen 35 und 50 Prozent.

Dunkle Schichten aus basaltischem Sand, wie im nördlichen (rechten) Teil des Farbbildes (Bild 2), sind wahrscheinlich aus vulkanischer Asche entstanden, die auf dem Mars vielerorts imposante dunkle Dünenfelder bildet. Fünf große Vulkanprovinzen und unzählige kleine, verstreute Vulkane haben in der Vergangenheit immense Mengen an Asche über den gesamten Mars verteilt, die später mit anderem Gesteinsmaterial überdeckt wurde. Wenn die so gebildeten dunklen Ascheschichten an Hängen wieder zutage treten, beispielsweise in Einschlagskratern, wird die Asche weggeweht und großflächig wieder abgelagert.

Spuren von Schnee, Eis und fließendem Wasser

Der größte auf den Bildern zu sehende Einschlagskrater hat einen Durchmesser von 25 Kilometern, ist aber nur etwa 300 Meter tief. Im Laufe der Zeit wurde der einstmals schüsselförmige Krater nach und nach mit Lava, Gletschermaterial, Flussablagerungen und windverlagerten Sedimenten verfüllt, wodurch seine ursprüngliche Form nahezu vollständig eingeebnet wurde. In seiner jetzigen Erscheinung erinnert er eher an eine Quiche-Auflaufform als an einen Einschlagskrater. Der stark abgetragene Kraterrand sowie die Menge an abgelagerten Materialien innerhalb des Kraters deuten darauf hin, dass er ein sehr hohes Alter von vermutlich über drei Milliarden Jahren hat.

Südlich des Einschlagskraters gelegene Tafelberge und Täler sind die Überreste eines ehemals ausgedehnten Flusssystems in Terra Cimmeria. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das abfließende Wasser von geschmolzenem Eis oder Schnee stammt und wahrscheinlich während mehrerer Vergletscherungsperioden freigesetzt wurde.

Die Deckschichten, aus denen die Tafelberge aufgebaut sind, könnten von äolischen Ablagerungen stammen, also vom Wind dorthin verfrachtet und verfestigt worden sein. Sie sind vergleichbar mit Lößablagerungen (verfestigten Staubsedimenten), die beispielsweise in China bis zu mehrere hundert Meter mächtig sein können. Zahlreiche Talnetzwerke durchschneiden diese leicht von fließendem Wasser erodierbaren Sedimente, wie es unter anderem nördlich des großen Einschlagskraters zu sehen ist. Sie mündeten wahrscheinlich in einen Verbund nördlich gelegener Senken, in dem sich vermutlich ehemals ein größerer See namens Eridania befand.

Staubteufel enthüllen dunkles Material

Im südlichen (linken) Teil der Bilder 2, 5 und 6 sind außerdem kleine dunkle Staubteufelspuren zu erkennen. Sie entstehen, wenn Atmosphärenwirbel die oberste, helle Staubschicht entfernen und die darunterliegende, dunklere Oberfläche freilegen. Ausgehend von den kleinsten Einschlagskratern sind in dieser Gegend auch südöstlich gerichtete (in den Bildern unten links), sogenannte erosive Windfahren zu erkennen. Diese Art von Windfahren entstehen, wenn die Windgeschwindigkeiten hinter einem Hindernis (in diesem Fall ein Krater) zunehmen und dadurch die abtragende Kraft des Windes erhöht wird. Dadurch wird wie bei den Staubteufeln die oberste, helle Staubschicht entfernt, und das darunterliegende, dunkle vulkanische Material kommt zum Vorschein. Staubteufelspuren und Windfahnen sind die teils kurzlebigen Zeugen der vermutlich letzten heute noch anhaltenden geologischen Aktivität auf dem Mars, die hauptsächlich aus dem Transport von Staub und Sand durch Wind besteht.

Der Name der Region Terra Cimmera bedeutet "Land der Kimmerer" - die Kimmerer waren ein Reitervolk in der Antike, das am nördlichen Ufer des Schwarzen Meers und im Kaukasus beheimatet war.

Alle Bilder in hoher Auflösung und weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.

  • Bildverarbeitung
    Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 11. Dezember 2018 während Orbit 18.904 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 13 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 171 Grad östlicher Länge und 40 Grad südlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodell-Daten sowie dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotenzialfläche des Mars (Areoid). Die systematische Verarbeitung der Kameradaten erfolgt am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.
  • Das HRSC-Experiment auf Mars Express
    Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

Verwandte Links

Kontakt

Elke Heinemann

Leitung Digitale Kommunikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-1852

Prof. Dr. Ralf Jaumann

Freie Universität Berlin
Institut für Geologische Wissenschaften
Planetologie und Fernerkundung
Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin

Dr. Daniela Tirsch

Principal Investigator HRSC
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin