In der Raumfahrt werden bei vielen Flügen und Projekten verschiedenste Dinge erforscht und entwickelt, die wir anschließend im Alltag nutzen. Am Beispiel einer Mission aus dem Jahr 2000 soll hier einmal dargestellt werden, welche Anwendungen sich daraus später für das Leben auf der Erde ergeben.
Es war einer der kompliziertesten Flüge, die die NASA je zu bewältigen hatte: Am 11. Februar 2000 startete die Raumfähre Endeavour zu einer einzigartigen Mission. Der Name des Projektes: Shuttle Radar Topography Mission – kurz SRTM. Das Ziel: Mit Radarsignalen sollte ein genaues Bild der Erdoberfläche erstellt werden – und zwar eine dreidimensionale Weltkarte. Dreidimensional deshalb, weil es nicht nur um die Fläche, sondern auch um die genaue Vermessung der Höhen ging: Man wollte möglichst exakte Angaben über Berge und Täler, Hänge und Ebenen erhalten.
Zur Crew der Raumfähre gehörte auch der deutsche ESA-Astronaut Gerhard Thiele. Zusammen mit seinen amerikanischen Kolleginnen und Kollegen hatte er sich jahrelang auf den Flug vorbereitet. Nun war der gelernte Physiker für den Betrieb des Radarsystems an Bord zuständig.
Was eine Raumfähre mit Fledermäusen zu tun hat …
Um die Daten für die 3D-Weltkarte zu sammeln, wurde die Erdoberfläche gewissermaßen wie mit einem Scanner abgetastet. Dazu waren Radar-Instrumente in die Raumfähre eingebaut worden, die zuvor im DLR in Oberpfaffenhofen entwickelt und von der Firma Astrium in Friedrichshafen gefertigt worden waren. Auch italienische Geräte waren im Einsatz – ein wirklich internationales Projekt, an dem Hunderte von Expertinnen und Experten mitgearbeitet hatten.
An Bord war außerdem ein 60 Meter langer Mast, der in der Umlaufbahn ausgefahren wurde und wie ein Kran aus der Ladebucht des Space Shuttles herausragte. An seiner Spitze hatten die Forscherinnen und Forscher Empfangsantennen angebracht. Zusammen mit anderen, direkt in der Ladebucht befestigten Antennen war es so möglich, Radarstrahlen zur Erdoberfläche zu schicken und ihr Echo dann wieder zu empfangen.
Aus der Zeit, die die Signale bis zur Erde und wieder zurück benötigten, konnte man anschließend genau berechnen, wie hoch der Erdboden an welcher Stelle ist: Denn bis zu hohen Bergen brauchte das Signal logischerweise etwas weniger Zeit als bis in tiefe Täler. Ein wenig ähnelt das Verfahren der Art und Weise, wie ein Schiff mittels Echolot den Abstand zum Meeresgrund misst. Oder wie Fledermäuse sich in ihrer Umgebung orientieren und ihre Beute finden, indem sie eine für uns Menschen nicht hörbare und auch nicht sichtbare Strahlung aussenden und dann das Echo aufnehmen.
Die digitalen Daten ließen sich später zu dreidimensionalen Bildern verarbeiten – hier zwei Beispiele: erstens das Land Panama in Mittelamerika mit dem Panama-Kanal (siehe Bild oben auf dieser Seite) und zweitens der höchste Berg Afrikas, der Kilimandscharo in Tansania.
Mit dieser Methode empfing die Raumfähre rund 3.700 Gigabyte an Rohdaten, aus denen dann dreidimensionale Bilder und sogenannte Höhenmodelle der Erdoberfläche erstellt wurden.
Guter Handy-Empfang – dank Raumfahrt
Genutzt werden diese Informationen für vielfältige Anwendungen: So sind die dreidimensionalen Bilder etwa für Mobilfunkanbieter hilfreich. Die Firmen können damit den optimalen Standort für ihre Sendemasten finden. Deshalb haben wir mittlerweile fast überall in Deutschland – und in vielen anderen Ländern – einen guten Handy-Empfang und kaum noch Funklöcher. Man kann mit Hilfe der dreidimensionalen Weltkarte aber auch erkennen, welche Gebiete von Überschwemmungen bedroht sind – denn man sieht genau, wie das Gelände geformt ist und wo es niedrig gelegene Gebiete gibt, die von Hochwasser betroffen sein können – oder welche Auswirkungen beispielsweise der Bau eines Staudamms hat.
Trinkwasser – aufgespürt aus dem All
Über die Vermessung der Welt hinaus konnten aber noch viele weitere Informationen gesammelt werden: Zum Beispiel wurde ein Verfahren erprobt, um die Biomasse der Regenwälder zu bestimmen, die für das Klima eine große Rolle spielt. Man nutzte dafür die verschiedenen Wellenlängen der Signale, von denen manche schon vom Blätterdach der Bäume reflektiert werden, andere aber auch bis zum Boden reichen.
Oder man suchte mit Strahlen wieder anderer Wellenlängen, die sogar in den Boden eindringen, nach Grundwasser. Denn bekanntlich herrscht in Teilen der Erde – vor allem in Afrika – großer Wassermangel. Inzwischen werden Satelliten, die das damals erprobte Verfahren anwenden, genau zu diesem Zweck eingesetzt: Sie helfen bei der Suche nach Grundwasser, das sie aus Hunderten Kilometer Höhe sogar noch 20 Meter unter dem Erdboden aufspüren können. So weiß man genau, wo man Brunnen bohren muss.
Der „Fingerabdruck“ eines Meteoriten und die Dinosaurier
Und man entdeckte einige andere erstaunliche Dinge: Zum Beispiel zeigen Reliefbilder – das sind Bilder, in denen das Gelände auf Basis der Daten aus dem All so wie in einem Atlas dargestellt wird – die Spuren, die ein riesiger Meteorit vor rund 65 Millionen Jahren auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan hinterlassen hat. Der Erdboden wurde damals beim Einschlag so fest zusammengepresst, dass er dort bis heute kompakter, also dichter als an anderen Stellen ist.
Während man den Krater selbst längst nicht mehr sehen kann, wenn man sich in dieser Region umschaut, lässt sich dieser „Fingerabdruck“ des Meteoriten auf den SRTM-Bildern noch gut erkennen. Der gewaltige Einschlag soll nach Ansicht einiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übrigens dafür verantwortlich gewesen sein, dass damals die Dinosaurier ausstarben – denn er erzeugte wohl eine gewaltige Rauch- und Aschewolke. Sie trübte den Himmel für lange Zeit, so dass sich die Erde abkühlte und verdunkelte und viele Arten diesen jahrelangen Winter nicht überlebten.
Eine versunkene Wüstenstadt wird entdeckt
Ein anderes – recht exotisches – Beispiel stammt bereits von einer Vorläufer-Mission von SRTM: Seit vielen Jahren und Jahrzehnten erzählte man sich im Sultanat Oman die Legenden von einer versunkenen Stadt in der Wüste. Sehr reich musste dieses geheimnisvolle Ubar – so der Name der Stadt – früher einmal gewesen sein, von dem sogar schon im Koran geschrieben stand. Und ja, irgendwo dort draußen – so berichteten die Alten – tief unter den mächtigen Dünen der Arabischen Halbinsel würden die Ruinen wohl noch liegen. Doch wo genau sie unter dem Wüstensand verschüttet worden waren, wusste niemand. Alle Grabungen verliefen daher zunächst erfolglos.
Doch nun zeigten die Bilder aus der Umlaufbahn alte Handelspfade, auf denen viele Jahrhunderte lang Karawanen ihres Weges gezogen waren. Das war – zusammen mit anderen Satellitenbildern, die man ebenfalls genauer unter die Lupe nahm – ein wichtiger Anhaltspunkt: Denn die Stadt Ubar konnte sich nur an einer dieser alten Straßen, wahrscheinlich sogar an einer Kreuzung mehrerer Handelswege befunden haben.
Wie in einem Krimi hatte man so im wahrsten Sinne eine heiße Spur: Nun wusste man, wo man gezielt suchen musste – und die Archäologinnen und Archäologen wurden schnell fündig und stießen auf die sagenumwobene Stadt.