Neue Flugzeuge werden am Rechner geplant und ihr „Digitaler Zwilling“ zeigt im Zeitraffer, ob ein Entwurf praxistauglich ist. Satelliten liefern wichtige Daten für die Umweltforschung, für den Katastrophenschutz und viele andere Anwendungen. Und in Fahrzeugsimulatoren testen Expertinnen und Experten das autonome Fahren, bei dem Autos mit der Straße „sprechen“. In vielen Forschungsbereichen des DLR ist das Zauberwort der „Digitalisierung“ schon Realität. Und die Entwicklung geht rasant voran. Hier einige Megabyte an Info für alle von euch, die sich für Computer, den ganzen IT-Kram und so Nerd-Zeug interessieren – und für alle anderen natürlich auch ;-)
Digitaler Flugzeug-Zwilling
Wenn heutzutage darüber nachgedacht wird, wie sich Flugzeuge weiter verbessern lassen, genügt es nicht, einfach nur die Triebwerke oder Tragflächen zu untersuchen. Über solche einzelnen Bauteile hinaus müssen viele andere Aspekte berücksichtigt werden, die sich unter Umständen auf das ganze Flugzeug und sogar noch weiter auswirken können. Beispiel: Leichte Materialien haben im Flugzeugbau den Vorteil, dass ein Flieger weniger Treibstoff verbraucht und dadurch auch weniger Abgase erzeugt. Aber bevor man solche Werkstoffe einsetzt, muss man gleichzeitig prüfen, wie es später mit der Entsorgung aussieht, wenn das Flugzeug eines Tages außer Dienst gestellt wird. Lassen sich die Materialien gut recyceln? Oder entsteht da vielleicht ein neues Problem?
Anderes Beispiel: Welche Auswirkungen hat irgendeine technische Neuerung auf den Betrieb, also auf den Einsatz des Fliegers im tagtäglichen Luftverkehr? Wird die Wartung oder ein routinemäßiger Check komplizierter? Passt die Tür des Flugzeugs auf einmal nicht mehr ans Gate, sodass Flughäfen größere Umbauten machen müssen, damit die Passagiere überhaupt ein- und aussteigen können? Kostet das insgesamt betrachtet am Ende vielleicht sogar mehr, als man an anderer Stelle eingespart hat? Wäre ja doof, wenn da etwas von schlauen Ingenieurinnen und Ingenieuren entwickelt würde – und dann sagen die Fluglinien oder Flughäfen: „Ach ne, lass mal stecken – das ist uns zu umständlich …“.
Kurz und gut: Man muss bei jeder Neuerung das Flugzeug und den gesamten Ablauf „ganzheitlich“ betrachten. Expertinnen und Experten sprechen da vom Lebenszyklusmanagement – und das ist so kompliziert wie das Wort klingt. Gemeint ist damit, dass man eben von Anfang bis Ende – also vom ersten Entwurf über den Bau und Betrieb bis zur „Verschrottung“ – alles durchspielt. Genau das wird in der virtuellen Welt in Simulationen gemacht, wobei riesige Mengen an Daten einfließen. Der „Digitale Zwilling“ des geplanten Fliegers durchläuft dabei – wie im Zeitraffer – alle Phasen eines „Flugzeug-Lebens“. Und wenn man so vorausschauend arbeitet, lassen sich logischerweise später einige Probleme vermeiden.
Kollege Roboter im digitalen Archiv
Digitale Daten spielen auch in der Raumfahrt eine große Rolle. Schließlich fallen da Tag für Tag riesige Datenmengen an. Sie stammen zum Großteil von Satelliten, die die Erde im Blick haben. Und dabei geht es um richtig wichtige Fragen. Etwa um den Klimawandel – also um weltweite Temperaturen, aber auch um Spurengase in der Atmosphäre, Eismassen in den Polargebieten oder um die Regenwälder, die ja auch ein wichtiger Klimafaktor sind. Das alles sind langfristige Entwicklungen. Daneben gibt es aber auch richtig eilige, kurzfristige Aufgaben: Dann müssen die aktuellen Daten schnell in Landkarten eingetragen werden, die beispielsweise zeigen, wo ein Erdbeben die größten Schäden angerichtet hat, wo Städte oder Dörfer überflutet sind oder wo Waldbrände toben. Alles wichtige Infos für Einsatzkräfte vor Ort.
Für all diese Anwendungen müssen die Daten zuverlässig empfangen, dann schnell verarbeitet und aufbereitet werden. Weil das Stichwort „Satellitenbild“ immer wieder zu Missverständnissen führt: Satelliten liefern keine fertigen „Bilder“, sondern sie funken zunächst einmal digitale Signale zur Erde. Erst in großen Einrichtungen wie dem Deutschen Fernerkundungs-Datenzentrum des DLR in Oberpfaffenhofen werden aus diesen Daten echte Bilder oder eben auch Karten gemacht. In vielen Fällen kombiniert man dabei Datenmaterial aus verschiedenen Quellen: also nicht nur von einem einzigen Satelliten, sondern gleich von mehreren. Das nennt man dann Datenfusion. Aber selbst das genügt manchmal nicht: Ein aktuelles Satellitenbild zeigt die aktuelle Situation, klar. Bei Naturkatastrophen kommt es genau auf diese „Momentaufnahme“ an. Aber bei langfristigen Entwicklungen wie dem Klimawandel zeigt erst der Vergleich mit früheren Aufnahmen, wie sich die Situation verändert hat. Ob Gletscher schmelzen oder ob das Wasser der Meere über die Jahre und Jahrzehnte wärmer wird – das alles kriegt man ja nur raus, wenn man Daten aus verschiedenen Zeiten vergleicht. Wie schreitet die Rodung im Regenwald voran? Geht die Schneebedeckung in den Alpen allmählich zurück? Ändern sich Meeresströmungen? Breiten sich Wüstengebiete aus? Bei Tausenden solcher Fragen muss man den „Ist-Zustand“ mit der Vergangenheit vergleichen. Hier kommt die Daten-Archivierung ins Spiel. Archivierung – klingt langweilig, ist es aber nicht. Roboter sausen da auf Schienen durchs klimatisierte Archiv, das so groß wie ein Einfamilienhaus ist. Und wenn jemand per Internet Bilder anfordert, zieht Kollege Roboter die Daten aus der elektronischen Schublade. Auf diese Weise werden die Infos den Nutzern aus aller Welt zur Verfügung gestellt – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, politischen Einrichtungen vom Gemeinderat bis hin zur UNO und auch Umweltorganisationen.
Es gibt noch viele andere Beispiele aus der Raumfahrt, bei denen es um das „Handling“ digitaler Daten geht: Satelliten scannen die Erdoberfläche ab, um sie zu vermessen – und daraus wird dann ein genaues 3D-Modell, das Höhen und Tiefen, also Berge und Täler anzeigt. Das wird für die unterschiedlichsten Anwendungen gebraucht: vom Straßenbau über Maßnahmen gegen Überflutungen bis zur Aufstellung von Mobilfunk-Masten oder Windkraftanlagen.
Übrigens werden solche Verfahren leicht verständlich auch in den DLR-Schülerlaboren behandelt. So zeigt die virtuelle „Sandbox“ im DLR_School_Lab TU Darmstadt, wie digitale Höhenmodelle entstehen. Dabei modellieren die Schülerinnen und Schüler zunächst aus echtem Sand eine Landschaft, die von einem Infrarotsensor abgetastet wird – ganz ähnlich wie das Satelliten mit ihren Radarsensoren machen. In Echtzeit werden dann Höhen und Tiefen in den entsprechenden Farben, wie man sie von einem Atlas kennt, auf die Sand-Landschaft projiziert: hohe Berge in braunen Farbtönen, tiefe Täler in grün und Wasser, das sich sogar zu bewegen scheint, in blau. Drückt man eine Mulde in den Sand, füllt sie sich mit virtuellen Wasser, häuft man einen Berg weiter auf, bekommt er plötzlich eine weiße Kuppe. Das alles ist super-eindrucksvoll und man versteht ganz schnell das Prinzip.
Oder – wieder ein ganz anderes Beispiel – die Daten einer Raumsonde, die den Mars umkreist und mit einer Hochleistungskamera aufnimmt, sollen zur Erde übertragen werden. Dazu müssen sie komprimiert und verschlüsselt und dann wieder – du hast es erraten – dekomprimiert und entschlüsselt werden. Umgekehrt werden jede Menge Funksignale von der Erde zur Sonde geschickt: Auf diese Weise „füttern“ die Expertinnen und Experten aus den Kontrollzentren über viele Millionen Kilometer Distanz den Bordcomputer mit Steuerkommandos, die exakt festlegen, wann beispielsweise die nächsten Bilder aufgenommen werden sollen. Auch zu diesen Themen gibt es in den DLR_School_Labs Mitmach-Experimente für Schülerinnen und Schüler – etwa in Berlin, wo die jungen Gäste eigene 3D-Aufnahmen anfertigen und auch den Mars anhand von Bilddaten untersuchen.
„Schlaue“ Straßen und Autos
Auch unsere Autos auf der Straße haben inzwischen Bordcomputer. Heute sorgen sie dafür, dass die Einparkhilfe piepst, wenn’s in der Parklücke eng wird. Oder sie warnen bei niedrigem Reifendruck oder wenn etwas im Motor nicht in Ordnung ist. In Zukunft werden sie das Auto komplett steuern und durch den Verkehr lenken können. Überspitzt könnte man sagen: Heute haben wir Autos mit Bordcomputern, in einigen Jahren sind es Bordcomputer mit Rädern und Motor dran. In Simulatoren und auch mit Testfahrzeugen werden die Technologien, die für das autonome Fahren nötig sind, schon längst erprobt. Das könnte dann so aussehen: Du sagst deinem Auto, wohin es fahren soll – und los geht’s. Unterwegs "kommuniziert" der Bordcomputer mit der restlichen Verkehrswelt. Dabei tauschen die Wagen permanent Signale aus: mit der Straße, mit Ampeln und auch mit anderen Fahrzeugen. Die Fahrbahn ist vereist? Das „merken“ Messfühler im Boden und melden es allen anfahrenden Fahrzeugen – ungefähr so: „Straße an Autos! Achtung Leute, mir ist heute Morgen irgendwie ziemlich kalt. Fahrt mal langsam!“ Ein Stau hinter einer Kurve? Schneller als jeder Radiosender die Verkehrswarnung ausstrahlen könnte, haben sich die Auto-Computer schon gegenseitig informiert: „Ich steh‘ hier am Stauende. Nehmt schon mal den Fuß vom Gas! Und sagt’s bitte weiter!“
Auf der Autobahn gerät der Verkehr mal wieder ins Stocken? Heute schickt das Navi alle Fahrer auf eine Umleitung – die dann prompt auch wieder überfüllt ist. Künftig verteilt das vernetzte Navigationssystem die Verkehrsteilnehmer schön gleichmäßig: Manche bleiben auf der Autobahn, andere nehmen die Landstraße und wer noch weit genug weg ist, umfährt den Stau großräumig auf einer ganz anderen Strecke. Das System errechnet dabei in Nahe-Echtzeit die Gesamt-Wartezeit aller Fahrer und sucht dann nach der bestmöglichen Lösung. In den DLR_School_Labs wie Braunschweig, Dresden und Berlin ist die Verkehrsforschung natürlich auch ein Thema: Da kann man im Fahrzeug-Simulator eine Runde drehen und dabei Assistenzsysteme erproben, die Sicherheitssysteme des Bahnverkehrs kennenlernen oder an einer virtuellen Kreuzung versuchen, mit einer intelligenten Ampelschaltung den Stau zu verringern.
So, das soll erst mal zum Einstieg ins Thema Digitalisierung reichen, bevor euer gedanklicher Speicher überläuft. Nur eines noch: Mit all diesen neuen Entwicklungen sind natürlich auch spannende Berufe verbunden. Wer Compis gut findet und in Mathe mehr als den Satz des Pythagoras drauf hat: Denkt mal über eine Ausbildung bzw. ein Studium im IT-Bereich nach …