Welch Schönheit!
Zwei Jahre nur sollte sie unseren Nachbarplaneten umkreisen: die Raumsonde Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Daraus werden im Dezember 20 Jahre. Eines der sieben Experimente auf dem Orbiter ist die vom DLR gemeinsam mit der deutschen Industrie gebaute hochauflösende Stereokamera HRSC. Bis heute ermöglichen die von dem robusten Instrument aufgezeichneten Bilddaten wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse – von den Spuren, die Wasser und Eis zum Teil vor Milliarden Jahren auf dem Mars hinterlassen haben, bis hin zu der Entschlüsselung der rätselhaften Klimageschichte des Planeten und den aktuellen Veränderungen der Marslandschaften durch Wind und Wetter.
Am 2. Juni 2003, vor 20 Jahren, an einem herrlichen Sommertag, verfolgten gut zweihundert Augenpaare aus Wissenschaft, Technik, Raumfahrtmanagement und Medien in Berlin-Adlershof auf großen Monitoren den Beginn der ersten europäischen Mission zu einem anderen Planeten: Mars Express. Der Start im fernen kasachischen Baikonur verlief perfekt, die Erleichterung war groß, der Jubel dennoch gebremst. Zu präsent war noch die Enttäuschung nach dem Verlust von zwei DLR-Kameraentwicklungen für die russische Mission Mars 96, die im November 1996 wenige Stunden nach dem Start in den Pazifischen Ozean stürzte.
Bei der Ankunft am 25. Dezember 2003 sollte (fast) alles gut gehen, wieder mit einer DLR-Kamera an Bord. Dieses Mal bremste sich der Mars-Express-Orbiter, den alle Beteiligten nur MEX nennen, in eine Umlaufbahn um den äußeren Nachbarplaneten der Erde ein. Das zuvor abgetrennte britische Landemodul Beagle 2 kam zwar auf dem Mars an, sendete jedoch keine Daten. Aber alle sieben Experimente auf dem Orbiter funktionierten einwandfrei. Und, ein kleines technisches Wunder, sie tun es mit kleinen Einschränkungen noch heute, 20 Jahre und 25.000 Orbits später.
Die ESA plante für die Mission eigentlich nur mit einem Marsjahr, knapp zwei Erdenjahren. Doch wie der berühmte VW-„Käfer“ ist der MEX unverwüstlich. Und mit ihm das am DLR entwickelte und nach wie vor in der Planetenforschung einmalige Kamerasystem HRSC. Das Akronym steht für „High Resolution Stereo Camera“. Die HRSC hat den Mars in den vergangenen zwei Jahrzehnten global in hoher Auflösung, in Farbe und in 3D erfasst – mit einer aus heutiger Sicht völlig veralteten, aber eben absolut zuverlässigen Technik.
Das Berliner DLR-Institut für Planetenforschung plant die Aufnahmen der HRSC, betreibt ihren Einsatz und verarbeitet gemeinsam mit der Freien Universität Berlin die mit neun Sensoren gescannten Bilddaten der Marsoberfläche zu hochwertigen Datenprodukten. Diese ermöglichen erstmals auch die Quantifizierung geologischer Prozesse und Formenschätze auf dem Mars. Auch werden die topografischen Daten von der NASA für die Auswahl von Landestellen genutzt – ein für die Wissenschaft und Raumfahrt unvergleichlich wertvoller Datensatz. Darüber hinaus diente Mars Express, wenn erforderlich, für alle Landemissionen der NASA und Chinas als fliegende Funkstation für die Kommunikation mit der Erde. Das wird vorerst auch so bleiben. Die ESA hat die Mission bis Ende 2026 verlängert – mit einem offenen Hintertürchen für eine nochmalige Verlängerung bis Ende 2028. So lange hat nicht einmal jeder „Käfer“ durchgehalten!
Ein Beitrag von Ulrich Köhler aus dem DLRmagazin 173