Artikel aus dem DLRmagazin 173: Gespräch mit einer Planetenforscherin – Interview mit Dr. Daniela Tirsch
Die Marsianerin
Nur sechs Menschen auf der Welt haben das Privileg, Oberflächenstrukturen auf dem Mars benennen zu dürfen – sie gehört dazu. Das hätte sich Dr. Daniela Tirsch, heute Planetengeologin am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin, als Kind niemals erträumt, denn eigentlich wollte sie Tänzerin werden. Hier spricht die Wissenschaftlerin über ihre Liebe zu schwarzen Dünen auf dem Mars und erklärt, warum es den schönsten Sand trotzdem auf der Erde gibt – und weshalb dieser grün ist. Dieses Gespräch ist ein Auszug aus dem Podcast DLR FORSCHtellungsgespräch. Für das DLRmagazin wurde es gekürzt und überarbeitet.
Neben Bildern gibt es seit einigen Jahren auch Tonaufnahmen von unserem Nachbarplaneten. Beispielsweise zeichnete im Februar 2021 der Rover Perseverance den Wind auf, der über den Mars weht. Was geht in Dir vor, wenn Du so etwas hörst?
Dazu habe ich ein ganz besonderes Verhältnis: Mein Lieblingsthema und auch das damalige Thema meiner Doktorarbeit sind die Dünen auf dem Mars. Sie sind besonders schön und dunkel. Damit Dünen entstehen und verlagert werden, braucht es Wind. Als ich das erste Mal so einen direkt auf dem Mars aufgenommenen Ton dieses Windes gehört habe, bekam ich direkt Gänsehaut. Gleichzeitig habe ich mich gefragt, warum nicht schon früher jemand auf die Idee gekommen ist, ein Mikrofon zum Mars zu schicken.
Für Sand hattest Du immer schon ein Faible: Du sammelst seit vielen Jahren Sand aus aller Welt. Aber was ist aus Deiner Sicht das Besondere an den dunklen Dünen auf dem Mars?
Die meisten von ihnen sind in Einschlagskratern zu finden, weil das Material dort zum Teil eingeweht wurde, vor allem aber aus dunklen Lagen austritt, die von den Kraterwänden angeschnitten worden sind. Sie sehen wunderschön aus und bestehen aus gräulich-schwarzem vulkanischem Material. Wenn man solche Dünen auf der Erde untersuchen möchte, muss man in Gegenden fahren, wo Vulkanismus und relativ trockenes Klima zusammentreffen. Das sind zum Teil sehr schöne Stellen – ein weiterer toller Aspekt meiner Forschung. Ich selbst hatte beispielweise das Glück, zwei Mal nach Hawaii fliegen zu dürfen, um in der Ka’ū-Wüste Dünen zu studieren, die dort ähnlich wie auf dem Mars entstehen. Das war der Wahnsinn.
Was ist eigentlich Deine Lieblingsprobe und warum?
Ach, die Frage ist leicht zu beantworten: Die stammt aus Hawaii und ich liebe sie sehr, weil der Sand grün ist. Er besteht hauptsächlich aus dem vulkanischen Mineral Olivin. Der Sand kommt an einem ganz bekannten Ort auf Big Island vor: dem Green Sand Beach. Dieser Strand ist ziemlich schwer zu erreichen. Wir sind fast zwei Stunden durch die Hitze gelaufen und haben uns viele Blasen geholt. Doch dann hat sich vor uns diese Steilküste aufgetan, ein bildschöner Ort. Und der ganze Sand dort ist grün. So etwas hatte ich bis dahin noch nie gesehen.
Wie bist Du eigentlich Planetologin geworden? Planetenforschung stand ja ursprünglich nicht auf Deiner Wunschliste.
Als Kind habe ich ehrlich gesagt nicht von Planetenforschung geträumt. Eigentlich wollte ich Tänzerin werden. Diesen Traum musste ich allerdings aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Also habe ich mein damaliges Lieblingsfach aus der Schule studiert: Geografie, mit Nebenfach Geologie und Ökologie. Und ich habe es geliebt! Bei der Jobsuche bin ich über eine Doktorandenstelle am DLR gestolpert. Die Stelle wurde mir noch während des Vorstellungsgesprächs zugesagt und ich dachte: „Okay, jetzt bin ich also Planetenforscherin!“ An meinem ersten Arbeitstag bekam ich ein Buch über den Mars auf den Tisch gelegt, und so fing alles an.
Und jetzt bist Du eingebunden in die Mission Mars Express. Deren Kamera HRSC wurde am DLR entwickelt und liefert regelmäßig Aufnahmen des Roten Planeten.
Ja, diese Arbeit macht mir unwahrscheinlich viel Spaß. Mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) können wir digitale Geländemodelle erstellen und Bilder der Marsoberfläche aufnehmen. Somit stellen wir den Mars in Farbe und 3D dar. Ich finde, dass unsere Bilder vom Mars auch eine wunderbare Ästhetik mit sich bringen.
Du bist außerdem Mitglied eines Gremiums der IAU (International Astronomical Union) zur Benennung von Oberflächenformen auf dem Mars. Gibt es besondere Namen für Dich?
Also, vorweg muss ich sagen, dass ich total stolz bin, eine von sechs Personen weltweit zu sein, die Oberflächenformen auf dem Mars benennen dürfen. Wir denken uns allerdings keine Namen aus, sondern bekommen Vorschläge. Besonders gerne benenne ich Einschlagskrater, die weniger als 50 Kilometer Durchmesser haben. Die erhalten nämlich Namen von Dörfern oder kleineren Städten mit einer Bevölkerungszahl von unter 100.000. Ich habe – bevor ich Teil des Gremiums wurde – versucht, einen Krater „Jena“ zu benennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Jena aber bereits 109.000 gemeldete Einwohnerinnen und Einwohner und wurde abgelehnt. Also entschied ich mich für mein Lieblingsdorf in Thailand – Pai. Es gibt jetzt also einen Krater auf dem Mars namens Pai. Bis heute finde ich es sehr schön, dass man die Erde auf den Mars bringen kann, indem man die Namen dort verewigt.
Vielen Dank für das spannende Gespräch und diesen faszinierenden Blick auf den Roten Planeten!
Das DLR-Institut für Planetenforschung
Am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unser Sonnensystem, insbesondere im Hinblick auf Ursprung, Entstehung und Entwicklung von Planeten, deren Monden und planetaren Kleinkörpern wie Asteroiden und Kometen. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Frage, ob Leben nur auf der Erde existiert oder auch auf anderen Himmelskörpern – wie extrasolaren Planeten, die um andere Sterne kreisen – möglich ist. Dafür entwickeln sie Kameras, Spektrometer, Laseraltimeter sowie Radiometer, die auf Missionen zu den Planeten, Monden und kleinen Körpern des Sonnensystems zur Anwendung kommen.
Der Podcast DLR-FORSCHtellungsgespräch wird produziert von Daniel Beckmann, Andreas Ellmerer und Antje Gersberg. Sie alle arbeiten in der DLR-Kommunikation. Ein Beitrag aus dem DLRmagazin 173