Das Wie des Rückkehrens

Horizontales vs. vertikales Landen – zwei Prinzipien im Vergleich

Seit vielen Jahren forscht das DLR an den unterschiedlichsten Konzepten, damit Raketen künftig nicht mehr reine Einwegprodukte bleiben. Zumindest Teile wie die erste Stufe sollen landen und somit mehrfach verwendet werden können. Denn der Raumtransport muss ressourcen- und umweltschonender sowie günstiger werden. Allen Ideen liegen zwei Grundprinzipien zugrunde. Da ist zum einen das horizontale Landen, das – vereinfacht gesagt – aerodynamische Flügelstrukturen nutzt, um die zur Erde „zurückfallende“ Raketenstufe abzubremsen, in den waagerechten Flug zu bringen und wie ein Flugzeug zu landen. Zum anderen nutzen Konzepte für das vertikale Landen Extratreibstoff und ausklappbare Landebeine, damit der Gegenschub die Stufe auf dem Weg zur Erde abbremst und dann kontrolliert senkrecht aufsetzt.

Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX bringt mit der Falcon-9 und Falcon Heavy mehrmals wöchentlich Material und Menschen in den Erdorbit und lässt mittlerweile regelmäßig die Erststufe beziehungsweise Booster wieder landen. Musk entschied sich für das vertikale Landen. Und es funktioniert, ein Teil seiner Raketen kann wiederverwendet werden. Dennoch geht die Forschung in alle Richtungen weiter. Denn beide Prinzipien haben ihre Vor- und Nachteile. Und grundsätzlich gilt: Jedes Konzept für landefähige Raketenstufen bringt das Material an seine strukturellen sowie thermischen Grenzen und führt jeweils zu höheren Eigenmassen der Launcher – und damit zu verringerter Nutzlastkapazität.

Mit Mehrgewicht und höherer Komplexität zur Wiederverwendbarkeit

Vergleicht man die Ansätze für horizontales und vertikales Landen, unterscheiden sich die Methoden der Rückführung deutlich. Bei der vertikalen Landung ähnelt die wiederverwendbare Variante äußerlich fast einer herkömmlichen Rakete. Diese wird lediglich um kleine Steuerflächen und Landebeine erweitert. Im Gegensatz dazu erfordert die horizontale Landung ausreichend große Flügel, aerodynamische Steuerflächen, ein Fahrwerk sowie – gegebenenfalls – zusätzliche Flugzeugtriebwerke. Die Verzögerung wird allein durch die aerodynamischen Kräfte bewirkt. Eine wiederverwendbare Raketenunterstufe ist aufgrund der Flügel, Klappen und des Thermalschutzes komplexer, teurer und schwerer als konventionelle „Einwegstufen“. Dadurch reduziert sich die maximale Nutzlast der Rakete.

Infografik: Verhältnis von Geschwindigkeit zur Flughöhe bei vertikalen und horizontalen Landesystemen
Während beim horizontalen Fly-back die Geschwindigkeit beginnend bei etwa 60 Kilometer Höhe durch die Flügel stetig verringert wird (grün), erfolgt bei der vertikal eintretenden Rakete (blau) die Abbremsung in ähnlicher Höhe gezielt durch die Triebwerke, was als abrupte Änderung der Geschwindigkeit im Diagramm zu sehen ist.

Umgekehrt erfordern vertikal landende Systeme Raketentriebwerke, die mehrfach im Flug gezündet werden können und in einem breiten Bereich drosselbar sein müssen. Letzteres ist für die vertikale Landung notwendig, um ein sanftes Aufsetzen zu gewährleisten. Solche Raketen benötigen somit deutlich mehr Treibstoff. Die für die Landung bereitgestellte Treibstoffmenge macht bis zu 15 Prozent der gesamten Treibstoffmasse der ersten Stufe aus. Dieses Mehrgewicht verringert somit auch hier die erreichbare Nutzlast der Rakete merklich.

Das Ziel aller Raketen ist, eine möglichst hohe Nutzlast ins All zu bringen. Darum muss die Trägerrakete selbst ein möglichst geringes Eigengewicht aufweisen. Diese ist die Summe aller Strukturteile und der Treibstoffe, die für den Start und später für den Rückkehrflug benötigt werden. Horizontales wie auch vertikales Landen führen zu einem Mehrgewicht der Trägerrakete. So steigt es bei wiederverwendbaren Erststufen zwischen 20 und mehr als 60 Prozent gegenüber den konventionellen „Einwegstufen“. Das sind typische Beispielwerte, ermittelt unter gut vergleichbaren Bedingungen. Die genauen Werte hängen stets von der Mission und der Treibstoffkombination ab. Das Mehrgewicht ist bei sowohl horizontal als auch vertikal landenden Systemen erheblich und kein ausreichendes Kriterium, sich für das eine oder andere zu entscheiden.

Landetechnologien mit Unterschieden – operationell und in der Klimawirkung

Die vertikale Landung auf dem Meer erfordert vor dem Start das Platzieren einer Plattform in 500 bis 1.500 Kilometer Entfernung zur Küste. Der Aufwand wird geringer, wenn die Rakete zurück zu ihrem Startplatz fliegt. Das erfordert allerdings deutlich mehr Treibstoff, sodass die Rückkehr zum Startpunkt nur für Missionen mit vergleichsweise kleinen Nutzlasten geeignet ist.

Während geflügelte Systeme zum horizontalen Landen mit Flugzeugtriebwerken autonom zum Startpunkt zurückfliegen können, erfordert das Konzept für das Einfangen „im Gleitflug zurückkehrender Systeme“ ohne zusätzlichen Antrieb mithilfe des sogenannten In-Air-Capturings ein speziell ausgestattetes Schleppflugzeug, das vorab in die Einfangzone fliegt. Hier muss also ein Extraflugzeug gestartet werden – bei diesem Ansatz kommt somit ein weiteres Objekt mit Klimaeinfluss ins Spiel. Ein Ausschlusskriterium? Nicht unbedingt, denn Untersuchungen legen nahe, dass die Auswirkungen von verbranntem Treibstoff insbesondere in der oberen Atmosphäre kritisch für die globale Erwärmung sind. Genau dort zünden allerdings die Triebwerke der vertikal landenden Raketen für ihr Abbremsmanöver, ein deutlicher Nachteil der Methode. Insofern muss der zusätzliche Einsatz eines Schleppflugzeugs kein K.O.-Kriterium für eine vertretbare Gesamtbilanz der Klimawirkung für den Raumtransport sein. Insbesondere ist die Abgasmenge eines Flugzeugs viel geringer als die einer Rakete. Und außerdem fliegen sie unterhalb der Stratosphäre, sodass sich durch sie keine Kondensstreifen bilden, die nachweislich eine Klimawirkung haben.

Alle Ansätze haben Vor- und auch Nachteile. Und darum werden sowohl horizontale wie vertikale Konzepte der Wiederverwendung im DLR in Zukunft weiterhin detailliert erforscht. Die Grundlagen des vertikalen Landen wurden in RETALT erforscht und werden in CALLISTO und SALTO in Flugdemonstratoren umgesetzt. In ReFEx wird hingegen ein Flugdemonstrator einer horizontal landenden Konfiguration untersucht. Im Projekt FALCon wurde an einer Lösung für den „geflügelten Rückflug" ohne Antrieb gearbeitet, dem innovativen Ansatz des In-Air-Capturings. Und mit LUMEN ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zum „virtuellen Triebwerk“ getan. Zusätzlich wird mit dem Demonstrator an der KI-basierten Triebwerkssteuerung und des sogenannten Gesundheitsmanagements geforscht, die für zukünftige wiederverwendbare Raketentriebwerke benötigt werden.

Ein wichtiger Vorteil, den die wiederverwendbaren Systeme anstreben, ist, die Startkosten zu reduzieren. Ab dem wievielten Start sind diese also günstiger zu betreiben als herkömmliche „Einwegstufen“? Für ein breites Spektrum an Nutzlastszenarien hat das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen 2024 eine Kostenanalyse durchgeführt und festgestellt, dass die wiederverwendbare Stufe ab spätestens drei Starts pro Jahr günstiger als nicht-wiederverwendbare Stufen ist. Das gilt nicht nur für die laufenden Startkosten, sondern auch unter Berücksichtigung der Entwicklungskosten, die im Fall der Wiederverwendbarkeit höher liegen.

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