Das DLR entwickelt mit ReFEx (Reusability Flight Experiment/Wiederverwendbarkeits-Flugexperiment) einen Technologiedemonstrator für eine vertikal startende und horizontal landende Raketenstufe (Vertical Take Off and Horizontal Landing, VTHL). Verschiedene Schlüsseltechnologien sollen mit diesem Träger demonstriert werden. Unter anderem sind dies ein aerodynamisches Design, welches ReFEx innerhalb der Atmosphäre in einem weiten Geschwindigkeitsbereich stabil fliegen lässt, ein autonomes Steuerungs-, Navigations- und Kontrollsystem (GNC), welches eine optimale Flugbahn sicherstellen soll, und eine Status-Überwachung mit Hilfe neuester Sensorik. Hierzu gehören in die Struktur integrierte speziell angeordnete Drucksensoren zur Geschwindigkeits- und Fluglagemessung, sowie Glasfasern mit deren Hilfe die thermische und mechanische Verwindung von ReFEx gemessen werden kann.
ReFEx hat eine Länge von 2,7 Meter, eine Spannweite von ungefähr 1,1 Meter und eine Masse von ungefähr 375 Kilogramm. Der Technologiedemonstrator selbst ist bis auf ein Kaltgassystem zur Lageregelung im Weltraum antriebslos. Es bildet die Spitze einer zweistufigen Höhenforschungsrakete vom Typ VSB-30 aus brasilianischer Produktion, die für den neuen Einsatzzweck angepasst wurde. Zur Vermeidung von Stabilitätsschwierigkeiten beim Aufstieg wird eine Verkleidung verwendet, welche die klappbaren Flügel zunächst abdeckt. Die gewählte Geometrie ermöglicht sowohl einen stabilen Aufstieg als auch eine realisierbare Wiedereintrittsflugbahn hinsichtlich Stabilität und Steuerbarkeit.
Nach dem Start bringt die VSB-30 ReFEx auf eine Höhe von ungefähr 130 Kilometer. Hierbei wird ein Zustand ähnlich der ersten Stufentrennung bei konventionellen Raumtransportsystemen erreicht. Danach soll ReFEx auf einer Flugbahn zur Erde zurückkehren, die der einer geflügelten Erststufe gleicht.
Außerhalb der Atmosphäre wird ReFEx von Kaltgastriebwerken gesteuert. Es werden mehrere Manöver durchgeführt, um die Navigationslösung nach dem Start zu verfeinern. Danach geht der Demonstrator in Position für den Eintritt in die Atmosphäre. An dieser Stelle kommt die aerodynamische Steuerung, bestehend aus Vorderflügeln – in der Fachsprache „Canards“ (Entenflügel) genannt – am vorderen Teil und einem Ruder am hinteren Teil von ReFEx, ins Spiel.
Anspruchsvolle Rückkehr
Während des Wiedereintritts treten herausfordernde flugmechanische Bedingungen auf: Dazu zählt ein großer Geschwindigkeits- und Anstellwinkelbereich, der vom Hyperschall bis in den Unterschall reicht. Die höchste Machzahl, die während des Wiedereintrittsmanövers erreicht wird, beträgt ungefähr Mach 5. Dies entspricht dem Fünffachen der Schallgeschwindigkeit, also circa 1,5 Kilometer pro Sekunde oder 5.400 Kilometer pro Stunde.
Der erste Teil des Wiedereintritts wird zur Geschwindigkeitsreduzierung mit hohen negativen Anstellwinkeln kopfüber geflogen, um die Flugstabilität zu halten. Bei Mach 1,5 wird ein 180 Grad-Rollmanöver um die Längsachse durchgeführt, um danach eine Ausrichtung mit einem Anstellwinkel von bis zu zehn Grad – das maximale Verhältnis von Auftrieb zu Widerstand – zu erreichen.
Abgesehen von der Fähigkeit, autonom gesteuert auf einer optimierten Flugbahn zu fliegen, damit thermische und mechanische Belastungen reduziert werden, soll ReFEx seine Lenkfähigkeit demonstrieren, indem es eine Kurve von mindestens 30 Grad fliegt. Hier geht es um die Demonstration der Rückführung einer Stufe zum Startpunkt. ReFEx ist zusätzlich in der Lage, bei unvorhergesehenen Vorkommnissen direkt nach der Abkopplung von der Trägerrakete automatisch vorher definierte Sekundärlandeplätze auszuwählen und dahin umzulenken, sollte dies notwendig werden.
Nach gegenwärtigem Stand der Planung wird die Entwicklung und Endmontage 2025 abgeschlossen sein. Danach folgt die finale Überprüfung für die Freigabe zum Transport nach Australien. Der Start wird danach von Koonibba Test Range (KTR) in Südaustralien stattfinden. Der Startplatz wird von Southern Launch und der Koonibba Aboriginal Community betrieben, die in Partnerschaft zusammenarbeiten, um suborbitale Starts, bei denen die Rakete das Schwerefeld der Erde nicht verlässt, und Rückkehrflüge aus dem Weltraum zu ermöglichen.
DLR-Kompetenzen im Projekt ReFEx
Insgesamt neun DLR-Institute und -Einrichtungen tragen zur ReFEx-Entwicklung bei: