LUMEN: KI-unterstützt zu wiederverwendbaren Raketenantrieben
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unternimmt mit dem Projekt LUMEN einen bedeutenden Schritt in der Entwicklung von wiederverwendbaren Raumtransportsystemen. LUMEN (kurz für Liquid Upper Stage Demonstrator Engine) konzentriert sich auf die Treibstoffkombination von Flüssigsauerstoff und Methan, die als zukunftsweisend für Raketentriebwerke gilt. Diese Kombination könnte zum einen die Kosten für Raketentriebwerke signifikant senken und zum anderen die technische Grundlage für wiederverwendbare Raumfahrtantriebe der Zukunft schaffen. Am DLR-Institut für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen wird dazu ein Triebwerk mit 25 Kilonewton Schub von den Einzelkomponenten bis zur Gesamtsystemebene entwickelt und getestet.
LUMEN umfasst die Auslegung, Fertigung sowie den Betrieb eines Demonstrators für ein kryogenes Oberstufentriebwerk. Die auf den Prüfstandbetrieb optimierte Bauweise des Demonstrators gewährleistet eine gute messtechnische Zugänglichkeit aller Einzelkomponenten und ermöglicht so, Problemstellungen zu untersuchen, die sich im Lauf des Gesamtsystems ergeben. Es lassen sich Daten gewinnen, die einen wesentlich ausführlicheren Einblick in das Betriebsverhalten eines Triebwerks bieten als es an realen Flugtriebwerken oder in Einzelkomponententests möglich ist.
Der LUMEN-Demonstrator erlaubt detaillierte Einblicke in das Betriebsverhalten und unterstützt unter anderem die Entwicklung von Konzepten für die Laserzündung oder auch KI-basierten Steuerungs- und Überwachungssystemen, die für die Wiederverwendbarkeit von Raketentriebwerken essenziell sind. Ferner dienen die gewonnenen Messdaten als Basis für die Validierung von numerischen Simulationsverfahren zur Beschreibung von Flüssigantrieben.
Die Idee hinter LUMEN ist, nicht nur wertvolle Erkenntnisse für die DLR-eigene Forschung zu gewinnen, sondern auch Unternehmen und Start-ups aus der deutschen und europäischen Raumfahrtindustrie eine Plattform zu bieten, die ihre Innovationen in einer realen Umgebung beim DLR testen können. Dies fördert den Transfer von Forschungsergebnissen in industrielle Anwendungen.
Herausforderung Mehrfachzünden
Reisende, die am Flughafengate auf ihren Flug warten, wissen: Um startklar zu werden, dauert es seine Zeit. Denn ihr Flugzeug muss zum Beispiel getankt, ent- und beladen sowie grundgereinigt werden. Der Zeitaufwand ist überschaubar. Niemand erwartet, dass die Triebwerke aufwändig demontiert und neue angebracht werden müssen. Verständlich, haben Flugzeugtriebwerke doch einen Lebenszyklus von mehreren Tausend Zündungen. Auch Raketen werden durch Triebwerke angetrieben – auch wenn diese im Detail anders konzipiert und dimensioniert sind. Traditionelle Raketenantriebe sind allerdings auf einen einzigen Start ausgelegt. Dass sie ein zweites oder sogar mehrere Dutzend Male gezündet werden, ist bei den herkömmlichen „Einweg-Raketenstufen“ bislang nicht vorgesehen gewesen, schließlich verglühen sie beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.
Auch aus anderem Grund ist das Mehrfachzünden bei Raketentriebwerken nicht trivial, denn Raketen sind ganz anderen Kräften und Umgebungsbedingungen ausgesetzt. Und das macht die Entwicklung wiederverwendbarer Antriebe für Raketen zur besonderen Herausforderung. Alle Komponenten, angefangen bei der kleinsten Schlauchverbindung und den Ventilen bis hin zur Ummantelung, haben mehr Leistung zu erbringen und sind höheren Belastungen ausgesetzt als jedes andere Triebwerk. Ein Raketenantrieb ist der Schwerelosigkeit ausgesetzt, extremen Temperaturunterschieden und der erhöhten Weltraumstrahlung. Und darum müssen für mehrfach zündbare Antriebe für die wiederverwendbaren Launcher der Zukunft ganz eigene Konzepte entwickelt werden.
Potenzial von künstlicher Intelligenz in der Triebwerksentwicklung
Ein zentrales Element des LUMEN-Projekts ist die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI). DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler setzen künstliche neuronale Netze ein, um komplexe Prozesse wie den Wärmeübergang in den Kühlkanälen der Brennkammer zu modellieren. Diese Methode ermöglicht präzisere Vorhersagen und ist um ein Vielfaches schneller als traditionelle numerische Strömungsmechanik-Berechnungen.
Ein weiterer Anwendungsfall für KI in LUMEN ist die Triebwerksregelung. Triebwerke stellen komplexe Systeme dar, die an der Grenze des technisch Möglichen betrieben werden. Aus diesem Grund ist es schwierig, Regelalgorithmen zu entwickeln, die einen breiten Einsatzbereich haben und den Schub beziehungsweise den Treibstoffverbrauch des Triebwerks zu optimieren. Das DLR hat erste Schritte unternommen, um ein System zur optimalen Regelung von LUMEN zu entwickeln. Es wurden verschiedene Bausteine entwickelt, die auf künstliche Intelligenz setzen. Ein solcher Baustein war die Regelung der Turbopumpe von LUMEN und im Anschluss die Regelung des gesamten Triebwerks. Ein weiterer Baustein ist es, die Robustheit und Vertrauenswürdigkeit von KI-basierten Reglern zu verbessern, indem physikalisches Wissen einbezogen und Unsicherheiten abgeschätzt werden. Doch die Technologie geht viel weiter. Indem man KI einsetzt, um zum Beispiel Verbrennungsinstabilitäten zu detektieren, bevor sie auftreten. Solche Instabilitäten können ein Triebwerk innerhalb von Sekundenbruchteilen zerstören und sind deswegen in jedem Fall zu vermeiden. In Zukunft sollen alle diese Bausteine kombiniert werden, um einen intelligenten Triebwerksregler zu entwickeln, der das Triebwerk optimal betreibt. Er wird die Lebensdauer des Triebwerks erhöhen und selbstständig auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren.
Erweiterung des DLR-Prüfstands P8 in Lampoldshausen
Um die Entwicklung und Erprobung der neuen Antriebstechnologien zu unterstützen, wurde der Europäische Forschungs- und Technologieprüfstand P8 am DLR-Standort im baden-württembergischen Lampoldshausen erweitert. Im Jahr 2021 nahm die neue Testzelle P8.3 ihren Betrieb auf. Sie ermöglicht es, Turbopumpen und ganze Raketentriebwerke zu testen, wohingegen an den bereits existierenden Testzellen P8.1 und P8.2 bisher ausschließlich Brennkammern getestet werden konnten.
Die Erweiterung des P8 ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem DLR, der französischen Raumfahrtagentur CNES und ArianeGroup. Ziel der Anlage ist es, den Wissenstransfer von der Forschung in die Anwendung zu intensivieren und neue Impulse für die Entwicklung nachhaltiger Raumfahrtantriebe zu setzen.
Die Zusammenarbeit des DLR mit CNES und ArianeGroup ist ein wichtiger Baustein für die Vorbereitung zukünftiger europäischer Trägerraketen. Diese Kooperation ist ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche europäische Zusammenarbeit in der Raumfahrt.
Darüber hinaus wird der Prüfstand P8 intensiv von vielen europäischen Startups verwendet um ihre Triebwerkstechnologie zu entwickeln.
Erfolgreiche Tests des LUMEN-Demonstrators
Im März 2024 wurde mit dem LUMEN-Demonstrator das erste jemals am DLR entwickelte Raketentriebwerk erfolgreich am Prüfstand P8.3 in Betrieb genommen . LUMEN ist auch das erste mit Methan betriebene Triebwerk, das in Deutschland entwickelt wurde und zeigt die Fähigkeiten und Innovationskraft des DLR.
Diese Tests sind ein wichtiger Fortschritt für das Projekt, da sie es ermöglichen, sowohl die Triebwerkskomponenten – von der Brennkammer über die Turbopumpen bis hin zu den einzelnen Ventilen – als auch ihr Zusammenspiel präzise, schnell und kosteneffizient zu untersuchen.
Zukunftsperspektiven und nachhaltige Raumfahrt
Die Entwicklung von nachhaltigen und wiederverwendbaren Raumfahrtantrieben steht im Mittelpunkt der Arbeiten am DLR-Standort Lampoldshausen. Mit der Unterstützung des Projekts „Zero Emission – Wasserstoffstandort Lampoldshausen“ und der Erzeugung von grünem Wasserstoff wird ein weiterer Schritt in Richtung umweltfreundlicher Raumfahrt unternommen. Dies unterstreicht die langfristige Vision des DLR, innovative Technologien nicht nur zu entwickeln, sondern auch nachhaltig zu gestalten.
Insgesamt zeigt das Projekt LUMEN, wie innovative Technologien und internationale Kooperationen die Zukunft der Raumfahrt prägen können. Die Kombination aus künstlicher Intelligenz, erweiterter Prüfinfrastruktur und nachhaltigen Energiekonzepten schafft eine solide Basis für die Entwicklung der nächsten Generation von Raumfahrtantrieben.