6. Juni 2024 | Weltweit erste Flugzeugmessungen hinter einem großen Verkehrsflugzeug

Fliegen mit 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff senkt auch Nicht-CO2-Effekte signifikant

  • Flugzeugmessungen hinter einem Airbus A350 mit 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff (SAF) zeigen signifikant weniger Rußpartikel-Emissionen und eine geringere Anzahl von Eiskristallen in Kondensstreifen im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen.
  • Globale Modellsimulationen zeigen, dass die Klimawirkung von Kondensstreifen beim Einsatz von reinem SAF um 26 Prozent sinkt.
  • Für die Studie haben das DLR, die Unternehmen Airbus und Rolls-Royce sowie der SAF-Hersteller Neste zusammengearbeitet.
  • Schwerpunkte: Luftfahrt, alternative Kraftstoffe, klimaverträgliches Fliegen

Weltweit erste Flugzeugmessungen zur Verwendung von 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff (SAF, Sustainable Aviation Fuel) in beiden Triebwerken an einem großen Verkehrsflugzeugs zeigen: Mit 100 Prozent SAF werden deutlich weniger Rußpartikel emittiert und es bilden sich weniger Eiskristalle in Kondensstreifen. Bei der ECLIF3-Studie (Emission and Climate Impact of Alternative Fuels) haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Unternehmen Airbus und Rolls-Royce sowie der SAF-Hersteller Neste zusammengearbeitet.

Für die Flugversuche flog ein Airbus A350 mit Rolls-Royce Trent XWB-Triebwerken mit 100 Prozent SAF. Das DLR-Forschungsflugzeug FALCON 20E folgte dem A350 und untersuchte dabei die Emissionen der Triebwerke sowie die Kondensstreifen in neun bis zwölf Kilometer Höhe. Im Vergleich zum Referenzkraftstoff Jet A-1 zeigten die Messungen bei 100 Prozent SAF einen geringeren Ausstoß von Rußpartikeln und eine um 56 Prozent niedrigere Anzahl an Eiskristallen in Kondensstreifen. Globale Klimamodell-Simulationen des DLR haben berechnet, dass sich dadurch der wärmende Klimaantrieb von Kondensstreifen um etwa 26 Prozent reduzieren lässt. Diese Ergebnisse zeigen, dass das Fliegen mit SAF nicht nur den CO2-Fußabdruck mindert, sondern auch die wärmenden Effekte von Kondensstreifen reduziert. Das eröffnet die Möglichkeit, in kurzer Zeit die Klimawirkungen des Luftverkehrs erheblich zu verringern.

Video: Erste In-Flight-Emissionsmessungen von 100 Prozent nachhaltigem Flugkraftstoff
Im Projekt ELCIF3 wurde erstmalig 100 Prozent nachhaltiger Flugkraftstoff (SAF; Sustainable Aviation Fuel) im Flugbetrieb einer Passagiermaschine getestet. Als Quellflugzeug diente ein A350 von Airbus. Dicht dahinter flog das DLR-Messflugzeug Falcon im Abgasstrahl.

„Die Ergebnisse der ECLIF3-Flugversuche haben uns gezeigt, wie der Einsatz von 100 Prozent SAF dazu beitragen kann, die klimawärmende Wirkung von Kondensstreifen deutlich zu reduzieren und gleichzeitig den CO2-Fußabdruck des Fliegens zu verringern – SAF setzt somit ein klares Zeichen für eine klimaverträgliche Luftfahrt“, erklärt Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt.

Mark Bentall, Leiter des Forschungs- und Technologieprogramms bei Airbus, ergänzt: „Wir wussten bereits, dass nachhaltige Flugkraftstoffe den CO2-Fußabdruck der Luftfahrt senken können. Dank der ECLIF-Studien wissen wir nun, dass SAF auch die Rußemissionen und die Bildung von Eispartikeln, die wir als Kondensstreifen sehen, reduzieren kann. Dies ist ein sehr ermutigendes, wissenschaftlich fundiertes Ergebnis. Es zeigt, wie wichtig nachhaltige Flugtreibstoffe für die Dekarbonisierung des Luftverkehrs sind.“

„SAF wird weithin als eine äußerste wichtige Lösung anerkannt, um die Klimaauswirkungen des Luftfahrtsektors abzuschwächen – sowohl kurz- als auch langfristig. Die Ergebnisse der ECLIF3-Studie bestätigen eine deutlich geringere Klimawirkung, wenn 100 Prozent SAF verwendet wird. Der Grund dafür sind die fehlenden Aromate in Nestes SAF. Die Studie liefert zudem wissenschaftliche Daten, welche die Verwendung von SAF in höheren Beimischungen als den derzeit zugelassenen 50 Prozent unterstützen“, sagt Alexander Kueper, Vice President Renewable Aviation Business bei Neste.

Alan Newby, Direktor Forschung & Technology bei Rolls-Royce, schließt sich an: „Der Einsatz von SAF in hohen Mischungsverhältnissen wird ein wichtiger Bestandteil auf dem Wege der Luftfahrt zu einem Netto-Null-CO2-Ausstoß sein. Diese Tests haben nicht nur gezeigt, dass unser Trent XWB-84-Triebwerk mit 100 Prozent SAF betrieben werden kann. Die Ergebnisse zeigen auch, dass SAF durch die Verringerung von Nicht-CO2-Klimaeffekten einen zusätzlichen Nutzen haben kann.“

Das Forschungsteam hat seine Ergebnisse in der Copernicus-Fachzeitschrift „Atmospheric Chemistry & Physics“ (ACP) im Rahmen eines wissenschaftlichen Peer-Review-Verfahrens veröffentlicht. Es hat den ersten In-situ-Nachweis für das Klimaschutzpotenzial des Einsatzes von reinem SAF in einem Verkehrsflugzeug geliefert. Im Rahmen des ECLIF3-Programms, an dem auch Forschende des National Research Council of Canada und der University of Manchester beteiligt sind, wurden im Jahr 2021 Emissionsmessungen während des Flugs und Bodentests durchgeführt.

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Emissionen und Klimawirkungen alternativer Kraftstoffe (ECLIF)

Im Jahr 2015 hat das DLR mit der ECLIF1-Kampagne umfangreiche Flugversuche durchgeführt, um die Emissionen synthetischer Kraftstoffe zu beschreiben. Diese Flugversuche wurden 2018 in Zusammenarbeit mit der NASA mit der ECLIF2-Kampagne fortgesetzt. Dabei wurde bestätigt, dass die Klimawirkungen von Kondensstreifen bereits durch die Verwendung einer 50:50-Mischung aus Kerosin und SAF reduziert werden können.

Die ECLIF3-Flüge fanden 2021 statt. Bei diesen Flugversuchen wurde ein A350 mit 100 Prozent SAF betankt, um nachzuweisen, wie effektiv der Einsatz von reinem SAF ist, um Eiskristalle in Kondensstreifen zu verringern. Der erste jemals gebaute Airbus A350-941 angetrieben mit Rolls-Royce Trent XWB-84 Triebwerken diente als Emissionsquelle. Er wurde mit kommerziellem Jet A-1 als Referenzkraftstoff und mit HEFA-SPK (SAF) betrieben. Das DLR-Forschungsflugzeug Falcon 20-E kam als Messflugzeug zum Einsatz und wurde mit einer Vielzahl von Instrumenten zur Messung von Abgasen, flüchtigen und nichtflüchtigen Aerosolpartikeln sowie von Kondensstreifen-Eispartikeln ausgestattet. Die Falcon startete vom DLR-Standort Oberpfaffenhofen, der Airbus A350 am Flughafen Toulouse. Beide Flugzeuge trafen sich für die Messkampagne über dem Mittelmeer und Südfrankreich. Die DLR-Falcon beprobte dann im Verfolgungsflug hinter dem A350 dessen Emissionen und Kondensstreifen. In einer Serie von Messkampagnen (ECLIF1-3) mit der Falcon des DLR wurden die Emissionen von konventionellem Jet A-1-Kraftstoff und dem nachhaltigen Flugkraftstoff HEFA-SPK (hydro-processed esters and fatty acids synthetic paraffinic kerosene) von Neste verglichen.

Nachhaltige Flugkraftstoffe

Die ReFuelEU Aviation-Initiative der Europäischen Kommission definiert nachhaltigen Flugkraftstoff (SAF) als „Drop-in“-Flugkraftstoffe – also Kraftstoffe, die herkömmliches Flugbenzin ersetzen können. Sie sind entweder synthetische Flugkraftstoffe, fortschrittliche Biokraftstoffe (die aus Rohstoffen wie land- oder forstwirtschaftlichen Rückständen, Algen und Bioabfällen hergestellt werden) oder Biokraftstoffe (die aus anderen Rohstoffen mit „hohem Nachhaltigkeitspotenzial“ – zum Beispiel Altspeiseöl oder bestimmte tierische Fette – hergestellt werden und die Kriterien für Nachhaltigkeit und Treibhausgas-Emissionen erfüllen).

SAF stammen aus erneuerbaren Quellen, wie oben definiert. Dazu gehören vor allem pflanzliche oder abfallbasierte Kraftstoffe, in naher Zukunft aber auch erneuerbare synthetische E-Kraftstoffe und nachhaltig erzeugter Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen. Viele dieser nachhaltigen Flugkraftstoffe sind frei von sogenannten „aromatischen“ Verbindungen. Weniger Aromaten im Kraftstoff bedeuten weniger Ruß in den Abgasen, was weniger Eiskristalle in den Kondensationsstreifen zur Folge hat. Durch den Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe anstelle von herkömmlichen Jet A-1-Kraftstoff lassen sich also die beiden größten klimawärmenden Auswirkungen des Flugverkehrs – Kondensstreifen und Kohlendioxidemissionen – verringern.

Ruß, Eiskristalle, Kondensstreifen und Klimawirkung

Flugzeugtriebwerke stoßen Rußpartikel und flüchtige Aerosole aus. Vor allem Ruß wirkt als Kondensationskeim für kleine, unterkühlte Wassertröpfchen, die sofort zu Eiskristallen gefrieren und sich als Kondensstreifen am Himmel abzeichnen. Die Eiskristalle in Kondensstreifen können unter kalten, feuchten Bedingungen in Höhen von etwa acht bis zwölf Kilometern mehrere Stunden lang bestehen bleiben und hohe Wolken bilden, die als Kondensstreifen oder Zirruswolken bekannt sind. Je nach Sonnenstand und Beschaffenheit der darunter liegenden Fläche können diese Wolken eine lokale Erwärmung oder Abkühlung bewirken. Studien belegen, dass der wärmende Effekt von Kondensstreifen global gemittelt überwiegt. Das Auftreten dieser Wolken hängt von den Wetterbedingungen ab und ist daher zeitlich und räumlich äußerst variabel, sodass ein großer Teil des Erwärmungseffekts auf einige wenige Kondensstreifen-Hotspots zurückzuführen ist. Das macht den gezielten Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe auf Strecken, auf denen sich schwerpunktmäßig Kondensstreifen mit wärmender Wirkung bilden besonders attraktiv, um so schnell Klimavorteile zu erreichen. Auch langfristig ist der Einsatz von nachhaltigen Flugkraftstoffen, um den CO2-Fußabdruck zu verringern, mit großen Vorteilen verbunden: Denn CO2 bleibt über Jahrhunderte in der Atmosphäre und treibt die globale Erderwärmung voran.

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