100 Prozent nachhaltiger Kraftstoff zeigt Perspektive für Passagierflugzeuge
- Im November 2021 finden erneut Flugversuche mit dem DLR-Forschungsflugzeug Falcon 20E für Emissionsmessungen hinter einem Airbus A350 statt.
- Erste Ergebnisse zeigen, dass die Triebwerke unter allen Betriebsbedingungen bei Verwendung reiner nachhaltiger Kraftstoffe weniger Rußpartikel freisetzen.
- Nachhaltige Flugkraftstoffe haben das Potential die Klimawirkung der Luftfahrt zu reduzieren.
- Schwerpunkte: Luftfahrt, klimafreundliches Fliegen, nachhaltige Kraftstoffe.
Die weltweit erste Studie über die Auswirkungen von 100 Prozent nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF) auf den Betrieb eines Verkehrsflugzeugs mit zwei Triebwerken zeigt vielversprechende erste Ergebnisse. Die Studie ECLIF3 (Emission and Climate Impact of Alternative Fuels) an der Airbus, Rolls-Royce, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der SAF-Hersteller Neste beteiligt sind, untersucht anhand eines Airbus A350, wie sich der reine synthetische Kraftstoff auf Betrieb und Emissionen der beiden Trent-XWB-Triebwerke von Rolls-Royce auswirkt. Dafür folgt das DLR-Messflugzeug Falcon 20E dem A350 in dessen Abgasstrahl. Die Emissionsmessungen im Flug sowie die Bodentests im Rahmen der Kampagne haben Anfang dieses Jahrs begonnen und wurden jetzt im November wieder aufgenommen.
Im April 2021 absolvierte die A350 drei Flüge über dem Mittelmeer, gefolgt vom DLR-Forschungsflugzeug Falcon 20E, das mit mehreren Sonden ausgestattet ist, die die Emissionen auf Reiseflughöhe bis auf 100 Meter an den A350 heran messen. Bei den Tests vergleichen die Forschenden die Emissionen von 100 Prozent SAF , das vom Projektpartner Neste aus hydroprozessierten Estern und Fettsäuren (HEFA) geliefert wird, mit denen von fossilem Kerosin und einer HEFA-JetA1-Kraftstoffmischung. Es wurden auch bodengestützte Emissionstests durchgeführt, um die Vorteile von SAF für die lokale Luftqualität zu quantifizieren.
Weniger Partikelemissionen
Das Forschungsteam stellte fest, dass SAF unter allen getesteten Betriebsbedingungen der Triebwerke weniger Rußpartikel freisetzt als herkömmliches Kerosin. Dies zeigt das Potential für eine Verbesserung der Luftqualität in der Umgebung von Flughäfen sowie für eine geringere Klimabelastung durch Kondensstreifen. Darüber hinaus kann SAF dank seiner etwas höheren Energiedichte eine leichte Verringerung des Kraftstoffverbrauchs bewirken. Eine detaillierte Analyse durch das Forschungsteam ist im Gange. Das interdisziplinäre Team, dem auch Forschende des National Research Council of Canada und der University of Manchester angehören, plant die Ergebnisse bis 2023 in wissenschaftlichen Zeitschriften zu veröffentlichen.
Die Ergebnisse der Studie werden die laufenden Bemühungen von Airbus und Rolls-Royce unterstützen, den Luftfahrtsektor für den groß angelegten Einsatz von SAF als Teil der umfassenderen Initiative zur Dekarbonisierung der Industrie vorzubereiten. Derzeit dürfen Flugzeuge nur mit einer bis zu 50-prozentigen Mischung aus SAF und herkömmlichem Kerosin betrieben werden. Beide Luftfahrtunternehmen unterstützen die Zertifizierung von 100 Prozent SAF für den Flugbetrieb.
Nachhaltige Kraftstoffe reduzieren Nicht-CO2-Effekte
"Vorläufige Ergebnisse von Boden- und Flugtests, die in den letzten sieben Monaten durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass die Partikelemissionen deutlich geringer sind, wenn 100 Prozent SAF den Standardtreibstoff ersetzt", sagt Steven Le Moing, New Energy Programme Manager bei Airbus. "Die Messung der Emissionen eines Flugzeugs während des Flugs ist wichtig, um die Triebwerksemissionen zu charakterisieren."
"Nachhaltige synthetische Kraftstoffe haben einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck als herkömmliches Kerosin und mittlerweile sehen wir, dass sie auch vorteilhaft sind, um die Nicht-CO2-Effekte zu reduzieren", sagt der DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt Dr. Markus Fischer. „Tests wie diese tragen dazu bei, reine nachhaltige Kraftstoffe, ihren Einsatz im Flug, und ihr Potential für den Klimaschutz besser zu verstehen. Wir freuen uns auf die Ergebnisse der aktuellen Flugkampagne, die mit einem ersten Verfolgungsflug über dem Mittelmeer Anfang des Monats begonnen hat."
Simon Burr, Rolls-Royce Director of Product Development and Technology, Civil Aerospace, fügt hinzu: "Diese Forschung ergänzt die Tests, die wir bereits mit unseren Triebwerken am Boden und in der Luft durchgeführt haben, wobei sich keine technischen Hindernisse für den Betrieb unserer Triebwerke mit 100 Prozent SAF ergaben. Wenn wir den Langstreckenflugverkehr wirklich dekarbonisieren wollen, ist 100 Prozent SAF ein entscheidendes Element, und wir setzen uns dafür ein, dass es für den Betrieb zertifiziert wird."
Im Jahr 2015 führte das DLR bereits die ECLIF1-Kampagne durch, bei der alternative Kraftstoffe mit den beiden Forschungsflugzeugen Falcon 20E und A320 ATRA untersucht wurden. Diese Flugversuche wurden 2018 mit der ECLIF2-Kampagne fortgesetzt, bei der der A320 ATRA mit einem Gemisch aus Kerosin und bis zu 50 Prozent HEFA flog. Diese Forschung zeigte das vorteilhafte Emissionsverhalten von Kraftstoffmischungen mit bis zu 50 Prozent SAF und ebnete den Weg für die Testflüge mit 100 Prozent SAF für ECLIF3.
Hinweis für Redaktionen: Videoaufnahmen der DLR-Falcon im Flug, die Messungen hinter dem zu 100 Prozent SAF-betriebenen A350-Flugzeug zeigen, können TV- und Onlinemedien zur Verfügung gestellt werden.
DLR – Forschung für einen klimaneutralen Luftverkehr
Die Folgen des Klimawandels fordern unser Handeln für einen klimaneutralen Luftverkehr. Dabei geht es um neue Technologien, die auch in Zukunft eine globale Mobilität gewährleisten. Mit 25 Instituten und Einrichtungen in der Luftfahrtforschung treibt das DLR diesen Wandel mit nachhaltigen Technologien für eine zukunftsfähige umweltverträgliche Luftfahrt voran. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch unsere Kompetenzen aus den Forschungsprogrammen Raumfahrt, Energie und Verkehr.
Das DLR verfügt über eine Systemkompetenz in der Luftfahrtforschung und sieht sich in der Funktion eines Architekten. Das Ziel des DLR ist eine „emissionsfreie Luftfahrt“, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Dabei müssen die Forschungsergebnisse direkt in die Entwicklung neuer Produkte einfließen.
Auf dem Weg zum klimaverträglichen Luftverkehr besteht ein erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf, der einer kontinuierlichen Förderung und Unterstützung bedarf. Vieles davon muss in den Grundlagen erforscht, praktisch erprobt und zugelassen werden. Das DLR kann das mit Großanlagen wie seinen Forschungsflugzeugen, Antriebsdemonstratoren und Großrechnern. Im Jahr 2020 hat das DLR gemeinsam mit dem BDLI das Whitepaper ZERO EMISSION AVIATION veröffentlicht. Aktuell arbeitet das DLR an einer ZERO-EMISSION-Strategie.
Klimawirkung Kondensstreifen
Die Klimawirkung des Luftverkehrs verteilt sich zu einem Drittel auf CO2- und zu zwei Dritteln auf Nicht-CO2-Effekte. Kondensstreifen und daraus resultierende Kondensstreifen-Zirren sind dabei der bedeutendste Faktor. Flugzeugtriebwerke stoßen Rußpartikel aus. Diese wirken als Kondensationskeime für kleine unterkühlte Wassertropfen, die sofort zu Eiskristallen gefrieren und als Kondensstreifen am Himmel sichtbar werden. Die Eiskristalle der Kondensstreifen können bei feucht-kalten Bedingungen in Höhen von etwa acht bis zwölf Kilometern mehrere Stunden bestehen und hohe Wolken, sogenannte Kondensstreifen-Zirren bilden. Diese Wolken können je nach Sonnenstand und Untergrund lokal eine wärmende oder kühlende Wirkung entfalten. Dabei zeigen zahlreiche Forschungsarbeiten, dass global die wärmende Wirkung überwiegt. Das Auftreten dieser Wolken ist zeitlich und räumlich äußerst variabel, sodass eine relativ kleine Anzahl von Kondensstreifen für einen großen Teil der wärmenden Wirkung verantwortlich ist. Das DLR untersucht seit vielen Jahren systematisch gemeinsam mit Partnern die Möglichkeiten, Ruß-Emissionen und die Klimawirkung der resultierenden Kondensstreifen-Bildung zu reduzieren. Gemeinsam mit der NASA konnte das DLR hierbei erstmals nachweisen, dass bereits die Verwendung einer 50-50-Mischung aus Kerosin und nachhaltigem Kraftstoff (SAF) eine Halbierung der Eiskristallanzahl in Kondensstreifen unter realen Flugbedingungen erzielt, was zu einer 20 bis 30 Prozent geringeren Klimawirkung der Kondensstreifen führt.
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