DLR-Institut für Luftverkehr offiziell in Hamburg eröffnet
- Das neue Institut bündelt Forschungskompetenzen zum Luftverkehr und positioniert sich als Ansprechpartner für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
- Es ist ein Zusammenschluss der DLR-Einrichtung Lufttransportsysteme sowie des DLR-Instituts für Flughafenwesen und Luftverkehr.
- Forschung in vier Abteilungen: Luftverkehrsentwicklung, Luftverkehrsökonomie, Lufttransportmanagement und Flugbetriebskonzepte
- Schwerpunkte: Luftfahrt, Verkehr
Den modernen Luftverkehr klimaverträglicher, nutzungsfreundlicher und leistungsfähiger machen – genau das leistet die Forschung des neuen Instituts für Luftverkehr des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Forschenden gehen dabei der Frage nach, wie sich das Luftverkehrssystem in einer komplexer werdenden Welt entwickelt, welche Auswirkungen etwa verkehrspolitische oder betriebliche Maßnahmen haben oder welche Folgen sich aus technologischen Neuerungen ergeben. Am 8. November 2024 ist das DLR-Institut für Luftverkehr feierlich in Hamburg eröffnet worden.
„Steigende Kosten und der zunehmende internationale Wettbewerb stellen für den Luftverkehrsstandort Deutschland eine große Herausforderung dar. Auch aus dem Prozess der Transformation hin zu einer klimaverträglichen Luftfahrt ergeben sich für Airlines und Flughäfen gravierende Veränderungen und Umbrüche“, erklärt die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla. „Mit dem neuen DLR-Institut für Luftverkehr widmen wir uns deshalb den drängenden ökologischen und ökonomischen, sowie operationellen und regulatorischen Fragen des Luftverkehrs. Damit sind wir Ansprechpartner für öffentliche Stakeholder und Politik, für die Luftverkehrswirtschaft und Gesellschaft, um die anstehenden Veränderungen konstruktiv und innovativ zu begleiten.“
„Die Eröffnung des DLR-Instituts für Luftverkehr ist ein weiterer Meilenstein für Hamburg als führenden Luftfahrtstandort. Das Institut bündelt Expertise und setzt wichtige Impulse für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Luftfahrt. Die enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Forschung und Politik in Hamburg ermöglicht somit wertvolle Innovationen. Hamburg leistet damit seinen Beitrag zu Technologien, die die Luftfahrt international weiter voranbringen“, sagte Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg
Lage des Luftverkehrs im Blick
Entstanden ist das neue DLR-Institut für Luftverkehr aus dem Zusammenschluss der DLR-Einrichtung Lufttransportsysteme und des DLR-Instituts für Flughafenwesen und Luftverkehr. Neben dem Hauptsitz in Hamburg-Harburg behält das Institut den Standort in Köln. Rund 65 Mitarbeitende arbeiten am Institut. In vier Abteilungen geht es um Flugbetriebskonzepte, Lufttransportmanagement, Luftverkehrsentwicklung und Luftverkehrsökonomie. Im Institut entsteht unter anderem die DLR-eigene Luftverkehrsprognose. Auf dieser Grundlage veröffentlicht das DLR regelmäßig den Low Cost Monitor, den Global Aviation Monitor und den DLR-Touristik-Report, die einen guten Überblick über die aktuelle Lage und Entwicklungen des Luftverkehrs liefern.
Digitaler Airline-Zwilling entsteht
Innovative Flugverfahren für einen effizienten und nachhaltigen Luftverkehr spielen ebenso bei der Forschungsarbeit eine Rolle wie die Bewertung umweltpolitischer und regulatorischer Maßnahmen. Ein wichtiges Forschungsfeld sind zudem betriebswirtschaftliche Aspekte von Airlines und Flughäfen sowie weiteren Akteuren im System Luftverkehr. Unter Regie des DLR-Instituts für Luftverkehr wird in Hamburg der erste „Digitale Airline-Zwilling“ entstehen. Mit diesem werden in bisher nicht erreichtem Umfang praxisrelevante Herausforderungen für den Betrieb einer Fluggesellschaft modelliert, analysiert und visualisiert. Im Bereich Flughäfen hat das Institut zuletzt wesentlich dazu beigetragen, eine Roadmap zur Nutzung von Wasserstoff am Flughafen Hamburg zu erarbeiten.
Vielfältige Beratung
Die breite fachliche Expertise von der Ökonomie über Ingenieurwesen, Mathematik, Informatik, Physik bis hin zur Meteorologie und Geographie bringt das Institut für Luftverkehr in Gremien auf nationaler, europäischer und globaler Ebene ein. Das Institut war und ist auch wesentlich an der Methodik-Entwicklung zur Bewertung von Luftfahrttechnologien hinsichtlich ihrer CO2- und Nicht-CO2-Emissionen beteiligt.
Das DLR-Institut für Luftverkehr nutzt zahlreiche Schnittstellen zu anderen DLR-Instituten aus den Bereichen Luftfahrt, Verkehr und Energie. Die beiden Standorte Hamburg und Köln bieten durch die Nähe zu Flughäfen, zur Luftfahrtindustrie, zu Politik und Verwaltung sowie zu Forschungseinrichtungen auch Synergien mit weiteren wichtigen Akteuren des Luftverkehrs.
Drei Fragen an Dr. Florian Linke, kommissarischer Direktor des DLR-Instituts für Luftverkehr
Der Luftverkehr verändert sich ständig. Das Zusammenspiel aus Flughäfen, Flugstrecken und eingesetzten Flugzeugen bildet ein vielfältiges Netz weltweit. Welche Werkzeuge und Analysen hält das neue Institut bereit, um die Lage des Luftverkehrs zu erfassen? Welche großen Trends zeichnen sich aktuell ab?
„Unser Institut verfügt über einen breiten Datenzugang, der uns erlaubt, den Luftverkehr umfassend zu analysieren. Wir arbeiten mit einer Vielzahl an Datenquellen, darunter die historischen und zukünftigen Flugpläne, die Passagiernachfrage zwischen Städten, die Flottenzusammensetzung von Airlines, die Ticketpreise, die Standortkosten sowie detaillierte Flugleistungs-, Emissions- und Atmosphärendaten. Diese Datenbasis gibt uns ein vollständiges Bild über die aktuelle und vergangene Situation des Luftverkehrs und erlaubt uns, Entwicklungen aufzuzeigen. Ergänzt wird dies durch unsere deskriptiven und prognostischen Modelle, mit denen wir Trends wie Veränderungen in den Passagierzahlen und Flugfrequenzen aufzeigen oder berechnen, in welchem Umfang der Luftverkehr zu den weltweiten Treibhausgas-Emissionen beiträgt. Unsere regelmäßigen Berichte wie der Low Cost Monitor, der Global Aviation Monitor und der DLR-Touristik-Report bieten der Branche aktuelle Analysen und Einblicke.
Der weltweite Luftverkehr erholt sich schrittweise auf das Vor-Corona-Niveau, doch Deutschland hinkt insbesondere bei dezentralen Verbindungen hinterher. Die Ursachen sind vielfältig, vermutlich aber bedingt durch hohe Standortkosten und ein geringes Wirtschaftswachstum. Dies mindert die Attraktivität für Low-Cost-Airlines und stellt die Entwicklung von Regionalflughäfen vor Herausforderungen. Mittelfristig erwarten wir weiteres Wachstum des Luftverkehrs, doch Kapazitätsgrenzen vieler Flughäfen erfordern zunehmend den Einsatz größerer Flugzeuge. Aktuell führen zudem geopolitische Entwicklungen zu veränderten Luftverkehrsströmen und teils längeren Flugwegen und erhöhtem Treibstoffverbrauch. Gleichzeitig gibt es weltweit zahlreiche Initiativen, um die Luftfahrt klimaverträglicher zu gestalten, insbesondere durch nachhaltige Kraftstoffe aus Biomasse und erneuerbaren Energien. Auch neue Verfahren zur Vermeidung von Kondensstreifen sind vielversprechend.“
Digitale Zwillinge spielen in vielen Bereichen mittlerweile eine wichtige Rolle. Wie kann so ein digitales Spiegelbild für eine Fluggesellschaft aussehen?
„Mit unserem digitalen Airline-Zwilling verknüpfen wir verschiedene Modelle zur Abbildung und Optimierung des Airline-Betriebs auf Flotten- und Flugbetriebsebene. Damit können wir strategische und taktische Planungs- und Entscheidungsprozesse von Fluggesellschaften nachbilden und die Auswirkungen möglicher Entscheidungen visualisieren und bewerten. Eine integrierte Betrachtung relevanter Planungsprozesse, wie Netzplanung, Scheduling, Umlaufplanung, ermöglicht es, die Wechselwirkungen dieser Prozesse zu verstehen und robustere Entscheidungen zu treffen. Wir alle kennen die Situation, dass ein Flug Verspätung hat. Solche Verzögerungen können im Tagesverlauf stark anwachsen, sodass die Crew ihre maximal zulässige Arbeitszeit erreicht. Die Airline muss in diesen Fällen fundierte Entscheidungen treffen und den Flotten- und Flugbetrieb zusammen betrachten, um ein wirtschaftliches Optimum zu erreichen. Der Aufbau des digitalen Airline-Zwillings dient so letztlich auch der effektiveren Zusammenarbeit mit der Luftverkehrswirtschaft bei der Entwicklung innovativer Lösungen.“
Die klimaverträgliche Luftfahrt braucht innovative Technologien, um das Fliegen zu transformieren und von politischer Seite spielt ebenso die Regulierung der klimarelevanten CO2- und Nicht-CO2-Emissionen eine Rolle. Wie bringt sich das Institut in diesen Bereichen mit seiner Expertise ein?
„Die Klimawirkung des Luftverkehrs wird nicht nur durch dessen CO2-Emissionen, sondern auch durch die so genannten Nicht-CO2-Effekte, beispielsweise durch Stickoxidemissionen oder Kondensstreifen, verursacht. Da diese Nicht-CO2-Effekte maßgeblich davon abhängen, wo ein Flugzeug Emissionen freisetzt, kommen wir vom DLR-Institut für Luftverkehr ins Spiel. Wir liefern wichtige Daten für Klimamodelle, indem wir die Menge und den Ort der jeweiligen Emissionen unter Berücksichtigung der Flugzeuge und Flugstrecken bestimmen. Mit diesem operationellen Know-how haben wir zur Entwicklung einer Methode zur Abschätzung von CO2-Äquivalenten beigetragen, die im Rahmen des von BMWK und BMDV initiierten Arbeitskreises klimaneutrale Luftfahrt (AKKL) eingesetzt wird. Diese Methode dient der Bewertung von Technologien zur Reduktion der Klimawirkung des Luftverkehrs. Neben diesem nationalen Gremium engagieren wir uns in mehreren europäischen und internationalen Arbeitsgruppen.
Ein aktuelles Projekt, an dem wir gemeinsam mit Airlines, der Flugsicherung und weiteren DLR-Instituten arbeiten, ist D-KULT. Hier erforschen wir, unter welchen Bedingungen die Planung klimaoptimierter Flüge, die gezielt die Bildung von Kondensstreifen vermeiden, möglich ist. Um Anreize für die Betreiber zu schaffen, solche Flüge durchzuführen, wird eine Erweiterung des europäischen Emissionshandelssystems um Nicht-CO2-Effekte diskutiert. In den letzten Jahren haben wir für das Umweltbundesamt erfolgreich Forschungsprojekte durchgeführt, die die Machbarkeit dieser Erweiterung aufzeigen. Hier gilt es nun, das Verfahren im Dialog mit den Fluggesellschaften so zu gestalten, dass die Unsicherheiten nicht zu Fehlanreizen führen.“