Roadmap zur Nutzung von Wasserstoff am Flughafen Hamburg vorgestellt
- Auf dem Weg zu lebenswerten Orten: DLR und Hamburg Airport präsentieren notwendige Schritte für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur an mittelgroßen Flughäfen.
- Am Beispiel des Hamburger Flughafens werden der wachsende H2-Bedarf, die Entwicklung von Lagerkapazitäten sowie Lieferwege auf dem Boden skizziert.
- Schwerpunkte: Verkehr, Luftfahrt, Energie, Wasserstoff, klimaverträgliches Fliegen
Die Mobilität von Menschen und Gütern prägt heutige Städte deutlich. Eine Transformation dieser Mobilität bietet die Chance, Städte und ihre Verkehrsknotenpunkte attraktiver werden zu lassen und dabei die Emissionen zu senken. Die Luftqualität steigt und das Klima wird geschützt. Möglich wird dies, wenn klimafreundliche Mobilitätskonzepte auch ökonomisch attraktiv sind. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht hierzu Markthochlaufstrategien für innovative Antriebskonzepte wie synthetische Kraftstoffe, Elektromobilität und Wasserstoff. Gemeinsam mit dem Flughafen Hamburg hat das DLR im Rahmen des Projekts VMo4Orte (Vernetzte Mobilität für lebenswerte Orte) eine Roadmap hin zum Einsatz von Wasserstoff an Flughäfen entwickelt, so dass die Vision der Wasserstoff-Hauptstadt Hamburg Realität werden kann.
„Die Vernetzte Mobilität für lebenswerte Orte ist ein wichtiges Leitbild des DLR. Wir nehmen Herausforderungen im Kontext von Klimawandel, Energiewende und Mobilitätstransformation zum Anlass, um Lösungen für urbane Räume und das Umland zu entwickeln“, sagt Prof. Meike Jipp, DLR-Bereichsvorständin Energie und Verkehr des DLR. „Gemeinsam mit Praxispaten aus Wirtschaft, Kommunen und Verkehrsbetrieben entwickeln wir Ideen für Fahrzeug- und Mobilitätskonzepte. Dabei sind Flughäfen wichtige Knotenpunkte, die einen signifikanten Beitrag zur Transformation des Verkehrssystems und zu lebenswerten Orten leisten können.“
Bei der Einführung von Wasserstoff könnte der Hamburg Airport eine Pionierrolle einnehmen. Michael Eggenschwiler, Vorsitzender der Geschäftsführung am Hamburg Airport: „Wir wollen die Energiewende in der Luftfahrt. Dabei führt an Wasserstoff kein Weg vorbei. Aus diesem Grund engagieren wir uns bereits in mehreren Projekten, die maßgeblich zum Wechsel auf diesen sauberen Energieträger beitragen werden. Wenn wir den Einsatz dieser neuen Technologie ermöglichen wollen, müssen wir sicherstellen, dass die Infrastruktur entwickelt und einsatzbereit ist, wenn die ersten Flugzeuge starten. Dazu braucht es nicht nur die Bereitschaft des Flughafens und der Flugzeugentwickler, sondern auch der Politik – nur so können wir gemeinsam schon heute die nötigen Weichen stellen.“
Gut abgestimmtes Vorgehen für Wasserstoff-Einführung nötig
Die Einführung von Wasserstoff benötigt ein systemisches Vorgehen: Die notwendige Infrastruktur am Boden, die Wasserstoff-Lieferkonzepte über die Landwege, die Anpassung der Flughafenprozesse und auch die Technologieentwicklung bei Flugzeugen sind dabei wichtige Erfolgsvoraussetzungen.
Die nun vorgelegte Roadmap zeigt exemplarisch am Beispiel des Hamburg Airport, wie dies funktionieren kann. Die Themenfelder reichen vom zu erwartenden Wasserstoffbedarf, über die Ausgestaltung der Wasserstoff-Versorgung und den aus heutiger Sicht erwartbaren Kosten bis hin zu praktischen Aspekten, wie die Anpassung der Flughafen-Infrastruktur sowie operationelle Änderungen der Flughafen-Prozesse.
Die Prognosen des DLR-Instituts für Luftverkehr zeigen, dass – entsprechende Weichenstellungen seitens der Politik und der Unternehmen vorausgesetzt – bereits im nächsten Jahrzehnt erste Kurzstrecken per Wasserstoffantrieb geflogen werden könnten. Bis 2050 könnte der Anteil der Abflüge mit Wasserstoffflugzeugen in Hamburg auf einen Anteil von 60 Prozent steigen. Dies entspräche dann einem jährlichen Wasserstoffbedarf am Hamburg Airport von 60.000 Tonnen mit entsprechend signifikanter Reduzierung der CO2-Emissionenn in 2050.
Bestehende Lieferwege und Lagerkapazitäten als Voraussetzung
In den ersten Jahren bis etwa 2040 ist von einer Anlieferung des Wasserstoffs in noch geringen Mengen mittels spezieller Tankfahrzeuge auszugehen. Mit zunehmendem Bedarf wird eine ergänzende Versorgung über einen Pipeline-Anschluss erforderlich werden. Ohne Pipeline wären sonst im Jahr 2050 rund 40 Lkw pro Tag im Durchschnitt nötig, um den Flughafen mit Wasserstoff zu beliefern. An Spitzentagen sind dies noch deutlich mehr.
Die Anlieferung des Wasserstoffs per Pipeline muss systembedingt gasförmig erfolgen. Da Flugzeuge den Wasserstoff zum Betanken langfristig vor allem in flüssiger Form benötigen werden, ist daher zusätzlich eine Verflüssigungsanlage zur Abdeckung der Spitzenbedarfe am Flughafen nötig. Eine solche Anlage bedingt neben dem zusätzlichen Flächenbedarf substanzielle Investitionen und erfordert im Betrieb sehr hohe Mengen an regenerativ erzeugtem Strom.
Jan Eike Blohme-Hardegen, Leiter Umwelt am Hamburg Airport: „Die Lieferung und Lagerung der künftig benötigten Mengen an Wasserstoff setzt eine völlig neue Infrastruktur bei uns am Flughafen voraus. Mit den Vorbereitungen und dem Aufbau dieser Infrastruktur müssen wir jetzt beginnen, wenn wir klimafreundliche Antriebe in der Luftfahrt zeitnah etablieren wollen.“ Für den flüssigen Wasserstoff werden Tanks am Flughafen notwendig, um – wie heute auch beim konventionellen Kerosin – einen Treibstoffpuffer für etwa drei Tage vorzuhalten. Solche kryogenen Tanks sind weltweit noch recht selten und bisher vor allem in der Raumfahrt an Raketenstartplätzen zu finden. Die derzeit größten Tanks gibt es am Kennedy-Space-Center der NASA. Aus physikalischen Gründen ist eine Lagerung in einem Kugeltank die effizienteste Lösung. Ein solcher Tank hat beispielsweise einen Durchmesser von 34 Metern bei einem Fassungsvermögen von rund 400 Tonnen und beansprucht dementsprechend eine Standfläche von etwa 900 Quadratmetern. Bereits bis zum Jahr 2040 könnte ein solch großer Tank an einem Flughafen wie Hamburg benötigt werden, und im Jahr 2050 wären voraussichtlich bereits zwei solcher Tanks erforderlich.
Die zukünftige Versorgung mit grünem – also mit regenerativen Energien erzeugtem – Wasserstoff ist stark abhängig von den globalen Produktionspotenzialen für regenerative Energien sowie von den resultierenden Herstellungs- und Transportkosten. Die Kosten für Wasserstoff haben einen direkten Einfluss auf die Nachfrage, wobei sich der Luftverkehr mit anderen Sektoren – insbesondere energieintensiven Industrien – im Wettbewerb befinden dürfte.
Verwandte Artikel
Über das Projekt VMo4Orte
Im Projekt Vernetzte Mobilität für lebenswerte Orte, abgekürzt VMo4Orte, entwickelt und erprobt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Lösungsbausteine für einen zukunftsweisenden Wandel des Verkehrssystems. Dazu entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue Mobilitätskonzepte. Diese sollen klimaverträglich, wettbewerbsfähig, bedarfsorientiert und nah an den Menschen vor Ort sein. Die Forschenden werden dabei von sogenannten Praxispatinnen und Praxispaten unterstützt. Dazu zählen Verkehrsunternehmen, Kommunen und öffentliche Einrichtungen sowie Firmen der Mobilitäts- und Logistikbranche. Sie arbeiten von Beginn gemeinsam mit der Wissenschaft und bringen Anforderungen und Erfahrungen aus ihrem Alltag ein. Die erarbeiteten Ideen und Konzepte werden beispielhaft umgesetzt in Form von Demonstrationsprojekten. Das DLR finanziert das Projekt VMo4Orte über eine Laufzeit von drei Jahren mit insgesamt rund 21 Millionen Euro. 19 Institute und Einrichtungen des DLR sind beteiligt. Die Projektleitung liegt beim DLR-Institut für Verkehrsforschung.