21. Juli 2023 | Mission Mars Express

Region Mawrth Vallis: Die mächtigsten Tonablagerungen auf dem Mars

  • Tonminerale sind ein deutlicher Hinweis auf das einstmalige Vorhandensein von Wasser auf dem Mars.
  • Im Tal Mawrth Vallis und seiner Umgebung finden sich bis zu 200 Meter mächtige Schichten von Tonmineralen.
  • Astrobiologen sehen in diesen Gebieten gute Chancen, fossile oder noch existente Spuren von Leben auf dem Mars zu finden.
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Mars, Planetenforschung, Mission Mars Express

Neue Bilder der Marskamera HRSC des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen einen Teil des ausgetrockneten Flusstals Mawrth Vallis. Es ist eines der größten und ältesten Täler auf dem Mars, in dem sich an zahlreichen Stellen helle Tonablagerungen finden lassen, die bis zu 200 Meter dick sind. Tonminerale gehören zu den sogenannten Schichtsilikaten und sind ein eindeutiger Beweis für das Wirken von flüssigem Wasser auf der Oberfläche, da für ihr Entstehen Wasser zwingend notwendig ist. Daher gilt diese Region als einer der vielversprechendsten Orte für die Suche nach vergangenem oder sogar noch gegenwärtigem Leben auf dem Mars.

Riesiges Marstal erneut im Fokus der High Resolution Stereo Camera (HRSC)

Am 18. Februar 2023 hat Mars Express zum wiederholten Mal die Region Mawrth Vallis überflogen, eine der markantesten und faszinierendsten Regionen des Roten Planeten, die auch wissenschaftlich von größtem Interesse ist. „Mawrth“ ist das walisische Wort für Mars. Die Bilder wurden 130 Kilometer westlich der Mündung des eigentlichen Mawrth-Tals aufgenommen. Die mehrfache fotografische Abdeckung zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermöglicht es, Veränderungen auf der Marsoberfläche zu beobachten. Oft verursachen Wolken oder Staub in der Atmosphäre Schwankungen in der Bildqualität – besonders in dieser Region am Übergang zwischen den südlichen Hochlandregionen und den nördlichen Tiefebenen des Mars, auch Hochland-Tiefland-Grenze oder Dichotomie-Grenze genannt. Ein weiterer Grund ist die Gewinnung zusätzlicher Oberflächendaten, um Geländemodelle und Bildmosaike zu erstellen und zu verbessern. Ein großes Mosaik der Region wurde 2016 erstellt, ebenso wie eine Animation eines Überflugs über die Region.

Science-Fiction-Fans ist das Mawrth Vallis auch bekannt als die mehr als tausend Kilometer lange Route des auf dem Mars gestrandeten Astronauten Mark Watney aus dem Roman „Der Marsianer“ von Andy Weir, der später unter dem Titel „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ auch verfilmt wurde. Am Ende erreichte Watney die rettende Rückkehrrakete Ares 4 im Krater Schiaparelli, der noch etwas weiter südöstlich in Arabia Terra gelegen ist. Das DLR-Institut für Planetenforschung hat die Route 2015 mit HRSC-Bilddaten nachgebildet und aus den digitalen HRSC-Geländemodellen eine spektakuläre Animation berechnet, die in den deutschsprachigen Kinos als Vorspann zum „Marsianer“-Film zu sehen war.

War das Mawrth-Tal einst ein lebensfreundlicher Ort?

Auch wenn die Region für die Suche nach fossilem und gegenwärtigem Leben auf dem Roten Planeten als vielversprechend gilt, ausgewählt wurde sie bisher aufgrund der schwierigen Topographie nicht als Landestelle für eine Mission. Landungen sind in solch steilem Gelände gefährlich. In und um den Ausflusskanal Mawrth Vallis finden sich hell- und dunkelgefärbte Ablagerungen. Vor allem die hellen Materialien sind ein Hinweis auf das einstige Vorhandensein von Wasser. In und bei Mawrth Vallis existieren die größten Vorkommen von wasserhaltigen Schichtsilikaten auf dem Mars und bilden an manchen Stellen eine bis zu 200 Meter dicke Ablagerung.

Auf der Erde entstehen solche Tonminerale häufig als Verwitterungsprodukt von Vulkangesteinen, die über längere Zeiträume mit Wasser in Berührung kommen und dadurch umgewandelt werden. Daher wird für den Mars ein analoger Entstehungsprozess für diese Minerale angenommen. Mit Spektrometerdaten wurden unter anderem die Tonminerale Smektit, Nontronit und Saponit identifiziert, in deren Kristallgerüst aus Siliziumtetraedern neben Aluminium- und Magnesium-Kationen auch „Wassermoleküle“ (Hydroxyl-Ionen, OH-) „eingebaut“ sind.

Über den Tonen liegt eine dunkle Gesteinsdecke, die vermutlich vulkanischen Ursprungs ist. Untersuchungen mit dem Spektrometer OMEGA (Observatoire pour la Minéralogie, l'Eau, les Glaces et l'Activité), ebenfalls an Bord von Mars Express, führten zu einem besseren Verständnis der eisen-/magnesium- und aluminiumreichen Tonminerale. Die unterschiedliche Zusammensetzung dieser Tone zeugt von einem unterschiedlichen Alter und Verwitterungsgrad der jeweiligen Ablagerungen. Am Talboden von Mawrth Vallis wurden außerdem sulfathaltige Ablagerungen gefunden, die wiederum auf ein anderes Entstehungsmilieu hindeuten.

Neben der Mineralogie bietet die großflächige Schichtung der hellen Gesteine eine besondere Möglichkeit, die Ablagerungsbedingungen und auch die Klimageschichte des Mars zu entschlüsseln. Die Schichtsilikate auf dem Mars könnten auf eine Oberflächenverwitterung infolge der Wirkung von Wasser hindeuten und einen Hinweis auf eine habitable, also für Lebewesen geeignete, Umgebung in der Vergangenheit geben. Einst floss Wasser durch Mawrth Vallis und gestaltete die Oberfläche vermutlich bis vor 3,6 Milliarden Jahren. Möglicherweise sind also fossile Spuren von Mikroben in den Gesteinen erhalten geblieben, die durch das darüberliegende Deckgestein vor der Zerstörung durch Strahlung und Erosion geschützt waren. Die Astrobiologie interessiert sich seit langem für diese Region des Mars.

Geologische Strukturen im Mündungsgebiet von Mawrth Vallis
Dieses Bild zeigt die Lokalitäten der im Webnews-Text geschilderten geologischen Phänomene; v.l.n.r. (von Süden nach Norden): ein 25 Kilometer durchmessender Krater mit einer zentralen, grubenartigen Vertiefung, die auf eine Dampfverpuffung zurückzuführen sein könnte (25 km central pit crater); altes, kraterreiches Marshochland (Highlands, old and cratered); helle Ablagerungen, reich an Schichtsilikaten (light-toned phyllosilicate-riche deposits); helle Schichten am inneren Abhang einer Kraterwand (light-toned layers visible in crater wall); dunkle Gesteinsdecken (dark cap rock unit); Ränder von alten Einschlagskratern (old impact crater walls); große Zeugenberge und Tafelberge (large knobs and mesas); Mars-Tiefland, Chryse Planitia (“Lowlands” Chryse Planitia); „verflüssigte“ Krater-Auswurfdecke (fluidized ejecta layer).
Credit:

ESA/DLR/FU Berlin – CC BY-SA 3.0 IGO

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Vielfältige Landschaftsstrukturen und ein „matschiger“ Einschlag

Der 25 Kilometer breite Einschlagskrater ganz links in den Bildern 1, 6 und 7 weist in seiner Mitte eine Vertiefung oder Grube auf, deren Nordwand teilweise eingestürzt ist. Solche „Zentralgrubenkrater“ (im Englischen: central pit crater) sind Einschlagskrater, die häufig auf dem Mars mit seinen Eisschichten im Untergrund und eisreichen Monden vorkommen. Die erhöhten Ränder um die zentrale Grube deuten stark auf eine Aushöhlung durch eine Dampfexplosion hin.

Weiter rechts in den Bildern (also nördlich) finden sich große Flächen mit hellen, tonhaltigen Materialien. Bei näherer Betrachtung sind sie auch innerhalb der Kraterwände zu finden, zum Beispiel in dem kleineren Krater im unteren Teil der Aufnahmen. Das dunkle, vulkanische Deckgestein ist stellenweise ebenfalls zu sehen, aber oft stark erodiert. Weiter nördlich fällt das Gelände steil ab, mehr als tausend Meter in das Tiefland Chryse Planitia. Zwei miteinander verbundene, alte und stark erodierte Einschlagskrater sind in der Ebene gerade noch zu erkennen (Mitte von Bild 1 und in der perspektivischen Ansicht, Bild 4). Der größere misst etwa 75 Kilometer, der kleinere etwa 35 Kilometer im Durchmesser, ist also etwas größer als das 25 Kilometer messende Nördlinger Ries, ein Einschlagskrater auf der Erde, in Deutschland an der Grenze von Württemberg zu Bayern.

Weiter nördlich befindet sich ein Feld mit zahlreichen Tafelbergen, die aus der sonst flachen Ebene herausragen, wobei die größeren Tafelberge bis zu drei Kilometer Durchmesser haben und als Überreste einer ehemaligen, jetzt erodierten Hochlandebene interpretiert werden. In der oberen rechten Ecke der Bilder ist schließlich ein Teil einer „verflüssigten“ Auswurfdecke zu erkennen. Sie ist das Ergebnis eines Einschlags in eine Oberfläche, die Wasser oder Eis im Untergrund enthielt. Nach dem vorherrschenden Modell der Marsgeschichte wurde das Bodeneis durch die hohe Energie geschmolzen. Beim Einschlag gelangten hunderttausende Tonnen des Gemischs aus Wasser, Gestein und Schutt an die Oberfläche und bildeten diese für den Mars charakteristischen, lobenförmigen und an mobilisierten Matsch erinnernden Auswurfdecken von Einschlagskratern.

Bildverarbeitung

Die Bilder wurden von der HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 18. Februar 2023 während Mars-Express-Orbits 24.164 aufgenommen. Die Bodenauflösung beträgt etwa 18 Meter pro Pixel. Das Bild ist auf 339 Grad Ost und 25 Grad Nord zentriert. Das Farbbild wurde aus den Daten des Nadirkanals, des senkrecht zur Marsoberfläche ausgerichteten Sichtfelds, und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die schrägen perspektivischen Ansichten wurden aus dem digitalen Geländemodell, dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot/Blau- oder Rot/Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die farbkodierte topografische Ansicht basiert auf einem digitalen Geländemodell (DGM) der Region, aus dem sich die Topografie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Mars-Äquipotentialfläche (Areoid).

HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird. Die systematische Auswertung der Kameradaten fand am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof statt. Die Arbeitsgruppe Planetenforschung und Fernerkundung der Freien Universität Berlin hat die Daten zu den hier gezeigten Bildprodukten verarbeitet.

Verwandte Links

Das HRSC-Experiment auf Mars Express

Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Thomas Roatsch vom DLR-Institut für Planetenforschung besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und zehn Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

Diese Bilder in hoher Auflösung und weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.

Kontakt

Elke Heinemann

Leitung Digitale Kommunikation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-1852

Dr. Daniela Tirsch

Principal Investigator HRSC
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Dr. Thomas Roatsch

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin