Die „Schlangengrube“ nordwestlich von Hellas
- Spuren von Vulkanismus, Tektonik, Eis und Wasser in dem von Kratern übersäten, alten Hochlandgebiet Mare Serpentis auf dem Mars.
- DLR-Stereokamera HRSC ist seit fast 19 Jahren und bald 24.000 Marsumrundungen im Einsatz.
- Schwerpunkte: Exploration, Planetenforschung, Mars
Unzählige Krater durch Asteroideneinschläge auf anderen Himmelskörpern liefern der Planetenforschung wertvolle Hinweise: Sie sind „Fenster“ in die geologische Vergangenheit, die viereinhalb Milliarden Jahre umfasst. Bilddaten der hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Mission Mars Express zeigen eine Region namens Mare Serpentis, die nordwestlich des riesigen, 2.300 Kilometer und mehr als acht Kilometer tiefen Hellas Planitia-Einschlagbeckens liegt. HRSC („High Resolution Stereo Camera“) ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und seit Januar 2004 Bilder der Marsoberfläche zur Erde schickt.
Die Region Mare Serpentis (lateinisch für „Meer der Schlangen“) wurde nach dem Sternbild Serpens nahe dem Himmelsäquator benannt. Die hier vorgestellte Landschaft umfasst ein Gebiet von 270 Kilometer mal 100 Kilometer und ist damit fast so groß wie das Bundesland Brandenburg. Hier sind Einschlagskrater unterschiedlichen Alters zufällig verteilt. Dabei weisen die jüngeren Krater auf dem Bild noch markante, konturierte Ränder auf. Hingegen sind die Ränder und das Innere der älteren Krater schon viel stärker erodiert und fast eingeebnet.
Der 22 Kilometer große Krater oben links in der Draufsicht (Südwesten) mit dem flachen Boden ist von einer ausgeprägten Auswurfschicht mit vielen radial vom Kraterrand wegführenden Riefen umgeben. Im Vergleich zu den anderen großen Kratern scheint er wegen des deutlich schärfer konturierten Kraterrandes ein jüngerer Impaktkrater zu sein. Ein Teil des bei dem Einschlag herausgeschleuderten Materials landete in drei kleineren, älteren Kratern in unmittelbarer Nähe.
Darüber hinaus weist der Krater eine sogenannte konzentrische Füllung auf („concentric crater fill“ in Bild 3). Dies ist ein typisches Landschaftsmerkmal der mittleren Breiten des Mars (30 bis 60 Grad nördlich und südlich des Äquators) und beschreibt eine relativ gleichförmige, zum Teil geschichtete Füllung um eine gemeinsame Mitte. Sie entsteht, wenn mit Schutt bedeckte Gletscher langsam entlang der Kraterwand nach unten fließen und zentrumsnah auf dem Kraterboden zusammenlaufen. Das Wassereis in diesen Gletschern konnte mit Radardaten des US-amerikanischen Instruments SHARAD auf dem Mars Reconnaissance Orbiter nachgewiesen werden. Die darüberliegende Schicht aus Schutt und Staub bewahrt das Eis vor der Verdampfung im Zuge der Sonneneinstrahlung.
Die kleineren Krater am rechten (nördlichen) Bildrand zeigen ebenfalls eine eisreiche Kraterfüllung, allerdings nicht konzentrisch, sondern in einem gewundenen Muster („lobate crater fill“ in Bild 3). Die ausgeprägten Ränder weisen wiederum auf ein jüngeres Alter dieser Krater hin.
Kleine Täler und Reste von Einschlagskratern
Im unteren linken Teil des Bildes sind einige kleine Täler zu erkennen („small valleys“ in Bild 3), die in einen alten, von der Erosion schon fast vollständig ausradierten Einschlagskrater führen. Diese Täler sind Zeuge einer längst vergangenen Ära mit fließendem Wasser an der Oberfläche des Mars. Dass durch diese Täler tatsächlich Wasser und nicht irgendeine andere Flüssigkeit geflossen ist, haben mineralogische Untersuchungen bestätigt. Im oberen mittleren Teil des Bildes zeigt ein stark eingeebneter Einschlagskrater ebenfalls einige kleine, gewundene Täler, die in die verbliebene Senke des Kraters führen. Unterhalb davon befindet sich ein Krater mit einem Durchmesser von etwa 18 Kilometern, der deutlich sichtbare Nischen und Rinnen in der Wand aufweist („alcoves and channels in crater wall“ in Bild 3). Den Boden bedeckt auch hier eine gewundene, vermutlich eisreiche Füllung, allerdings offenbar in einem früheren Stadium.
Der größte Einschlagskrater auf dem Bild hat einen Durchmesser von 45 Kilometern („dark eroded impact crater“ in Bild 3). Seine Größe und sein stark erodierter Rand deuten auf ein hohes Alter hin, sein flacher Boden weist unregelmäßige Gruben und eine auffällige dunkle Farbe auf. Interessanterweise sind alle Krater auf der rechten Seite des Bildes von dieser dunklen Farbe geprägt, die durch grau-schwarzen, vom Wind transportierten Sand hervorgerufen wird, der in dünnen Schichten die Oberfläche bedeckt. In den kontrastverstärkten Bildern erscheint der Sand bläulich. Es wird vermutet, dass dieses Material seinen Ursprung direkt unterhalb der Krater hat und aus ablagerten Schichten alter vulkanischer Asche stammt. Diese Aschelagen wurden durch die großen Einschlagskrater angeschnitten, wodurch das feinkörnige Material freigesetzt und vom Wind verblasen werden konnte.
Spuren einer ehemals vulkanisch aktiven Region?
Im unteren rechten Teil des Bildes gibt ein weiterer, 35 Kilometer großer Einschlagskrater interessante Einblicke in den Untergrund („collapse feature“ in Bild 3). Hier öffnet sich eine etwa 20 Kilometer lange, 9 Kilometer breite und mehrere hundert Meter tiefe Grube und legt dabei verschiedene Schichten im Untergrund frei. Einige scheinen aus eckigen Gesteinsfragmenten in einer feinkörnigen Grundmasse zu bestehen. Die gekrümmte Form einer markanten Geländestufe im Inneren der Grube lässt auf eine Entstehung durch das Absacken der Schichten in einen darunter befindlichen Hohlraum schließen. Diese Art von Einstürzen ist auch aus vulkanisch aktiven Regionen bekannt, in denen sich alte Lavaröhren oder Magmakammern entleerten und in der Folge Hohlräume im Untergrund schufen, in welche die überdeckenden Gesteinsschichten später bei zu großer Auflast hineinstürzten. Ob diese Einsturzkessel ebenfalls vulkanischen Ursprungs sind, ist noch nicht endgültig erforscht. Die Region im und um das Mare Serpentis war jedenfalls in der Vergangenheit bekanntermaßen vulkanisch aktiv.
Bildverarbeitung
Die Bilder wurden von der HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 1. Mai 2022 während Mars Express Orbits 23157 aufgenommen. Die Bodenauflösung beträgt etwa 21 Meter pro Pixel und das Bild ist auf etwa 44 Grad Ost und 30 Grad Süd zentriert. Das Farbbild wurde aus den Daten des Nadirkanals, des senkrecht zur Marsoberfläche ausgerichteten Sichtfeldes, und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die schräge perspektivische Ansicht wurde aus dem digitalen Geländemodell, dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot/Blau- oder Rot/Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die farbkodierte topografische Ansicht basiert auf einem digitalen Geländemodell (DGM) der Region, aus dem sich die Topografie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DGM ist eine Marsäquipotentialfläche, das so genannte Areoid (vom Griechischen „Ares“ für den Mars), eine globale Kugelfläche identischer Anziehungskraft, die auf der Erde durch den Meeresspiegel verkörpert wird.
HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird. Die systematische Auswertung der Kameradaten fand am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof statt. Die Arbeitsgruppe Planetenforschung und Fernerkundung der Freien Universität Berlin hat die Daten zu den hier gezeigten Bildprodukten verarbeitet.
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Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Thomas Roatsch vom DLR-Institut für Planetenforschung besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und zehn Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.
Diese Bilder in hoher Auflösung und weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.