Bild: R. Hurt/Caltech-JPL
 

Was sind Gravitationswellen?

Du willst wissen, was Gravitationswellen sind? Na gut! Um das zu erklären, brauchen wir erstmal eine schwere Kugel. Ach, da liegt ja eine! Puh, die ist aber wirklich sehr schwer! Hilf doch mal eben mit und wirf die Kugel da drüben auf die Matratze! Danke! Upps! Hast du das auch gerade gesehen: Die Kugel dellt die Matratze ziemlich ein – womit wir schon mitten im Thema wären ;-) Bild: R. Hurt/Caltech-JPL
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Angefangen hat diese Geschichte vor über 100 Jahren: 1915 vollendete Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie. Er revolutionierte damit unsere Vorstellungen von Raum und Zeit. Das mit der Zeit ist hier erst einmal egal – das haben wir auf dieser Seite ausführlich beschrieben. Konzentrieren wir uns auf das Thema Raum: Eine von Einsteins Annahmen besagt, dass große Masseansammlungen wie etwa Sterne mit ihrer Anziehungskraft den Raum krümmen. Der Raum – das Weltall – ist demzufolge also nichts Statisches, kein leeres „Etwas“, das immer gleich bleiben würde, wie man bis dahin dachte. Sondern der Raum würde durch Masse verformt, verzerrt!

Massereiche Objekte (hier künstlerische Darstellung) krümmen den Raum um sie herum – wie eine Kugel eine Matratze eindellt. Bild: LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory)

Alles unglaublich und schwer vorstellbar! Deshalb „übersetzen“ wir das hier mal in ein ganz einfaches Bild: Stell dir vor, wie eine schwere Kugel – sie stellt den Stern dar – auf einer weichen Matratze liegt. Die Kugel verformt dabei die Matratze und sorgt für eine Delle. So verzerren auch massereiche Sterne den Raum um sie herum. Doch was passiert, wenn ein besonders massereicher Stern explodiert? Oder wenn zwei Schwarze Löcher, die noch viel mehr Masse haben, aufeinander zurasen, sich umkreisen und dann verschmelzen? Nun, wenn sich so extrem massereiche Objekte schnell bewegen, dann ist das so, als ob du die Kugel nicht sanft auf die Matratze legst, sondern mit aller Wucht auf sie wirfst oder auf der Oberfläche wild herumrollst. Und das verformt dann die Matratze bis zum Rand hin. Hättest du da irgendwo zwei Punkte mit Nadeln markiert und würdest du andauernd den Abstand zwischen diesen beiden Nadeln messen – du würdest merken, dass sich der Abstand je nach Verformung der Matratze ganz leicht ändert.

Die Matratze ist in unserem stark vereinfachten Beispiel das Weltall, der Raum. Und Einstein sagte vor über 100 Jahren voraus: Der Raum wird durch Gravitationswellen verzerrt. Allerdings glaubte er nicht, dass man diese Wellen jemals nachweisen könnte – viel zu schwach sei das, was davon bei uns auf der Erde – also am Matratzenrand bei deinen Nadeln – ankommt. Das war aber auch schon der einzige Punkt, an dem sich Einstein irrte. Denn am 11. Februar 2016 verkündete ein internationales Wissenschaftsteam die Sensation: Mit einer enorm komplizierten Messanlage war es erstmals gelungen, die von Einstein vorausgesagten Gravitationswellen nachzuweisen!

Die LIGO-Anlage. Die Abkürzung steht für „Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory“. Mithilfe von Laserstrahlen, die durch kilometerlange Röhren geleitet werden, lässt sich die Verzerrung des Raumes zwischen zwei Messpunkten ermitteln. Bild: LIGO
Die LIGO-Anlage. Die Abkürzung steht für „Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory“. Mithilfe von Laserstrahlen, die durch kilometerlange Röhren geleitet werden, lässt sich die Verzerrung des Raumes zwischen zwei Messpunkten ermitteln. Bild: LIGO

Die eigentliche Messung gelang schon am 14. September 2015: Da registrierten die Messgeräte in den USA eine minimale Verzerrung des Raumes. Die Messgeräte – bei deiner Matratzen-Messung war das der Abstand zwischen den beiden Nadeln – bestehen aus kilometerlangen Vakuumröhren, durch die ein Laserstrahl geleitet wird. Er misst die Entfernung zwischen zwei Punkten – und zwar auf den Bruchteil eines Atoms genau! Eigentlich lief die Anlage damals noch im Testbetrieb und man prüfte die Daten erst sehr sorgfältig, bis man sicher war, dass kein Messfehler vorlag.

Auslöser der Verzerrung, die am 14. September 2015 gemessen wurde, war der Zusammenstoß von zwei Schwarzen Löchern. Das passierte sehr weit weg – 1,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt! Zur Erinnerung: Ein Lichtjahr ist die Entfernung, die Licht mit 300.000 Kilometern pro Sekunde in einem Jahr zurücklegt (das sind rund 10 Billionen Kilometer). Auch Gravitationswellen setzen sich mit Lichtgeschwindigkeit fort. Es dauerte also 1,3 Milliarden Jahre, bis die dadurch ausgelöste Gravitationswelle die Erde erreichte.

LISA soll Gravitationswellen nachweisen. Bild: ESA

Dieser gewaltige „Crash“ sorgte für eine Verzerrung des Raumes – genau wie von Einstein vorhergesagt. Einsteins Theorie war damit bewiesen! Doch wie geht es weiter? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagten auf ihrer Pressekonferenz: „Das war erst der Anfang!“ Denn nachdem man nun weiß, dass man mit solchen Methoden tatsächlich Gravitationswellen nachweisen kann, verfügt die Astronomie damit über ganz neue Möglichkeiten. Bisher konnte man das Universum beobachten, also „sehen“. Mit der sogenannten Radioastronomie kann man auch ins All „hören“. Jetzt kann man das Universum sogar „fühlen“. Na ja – fast ;-) Auf jeden Fall lassen sich Schwarze Löcher und viele andere Phänomene künftig viel besser untersuchen. Man plant daher Messungen mit noch genaueren Instrumenten. Dazu zählt auch das Projekt LISA der Europäischen Weltraum-Organisation ESA, bei dem man mithilfe eines Satelliten (später auch mit mehreren Satelliten) die Gravitationswellen messen will.