Wir haben hier etwas ganz Besonderes für dich. Hast du schon mal ein Gespräch mit einem Teleskop geführt? Nein? Kein Problem! Wir haben das für dich übernommen und sind zum James-Webb-Teleskop geflogen, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Und falls du jetzt meinst, dass ein Interview mit einem Gegenstand doch gar nicht möglich ist: Na klar ist das möglich – zumindest in Gedanken! ;-) Viel Spaß beim Lesen!
Frage: Stell dich unseren Leserinnen und Lesern doch bitte kurz vor. Wer und was bist du?
Antwort: Ich bin das Weltraumteleskop James Webb und ich befinde mich hier draußen 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt am sogenannten Lagrange-Punkt L2. Geplant wurde ich bereits 1996, und zwar in einer Kooperation der amerikanischen Weltraumorganisation NASA, der europäischen ESA und der CSA aus Kanada. Am 25. Dezember 2021 ging es dann für mich ab in den Weltraum. So ein aufregender Tag! Ich erinnere mich noch immer daran, wie ich endlich zum ersten Mal die Schwerelosigkeit gespürt habe! Manche Menschen meinen sogar, ich wäre der wissenschaftliche Nachfolger des Hubble-Teleskops. Ich hoffe, ich kann den großen Erwartungen auch in Zukunft weiterhin gerecht werden.
Frage: Warum bist du eigentlich so weit von der Erde weg?
Antwort: Dazu muss ich erstmal erklären, was der Lagrange-Punkt L2 ist: Von hier aus gesehen befinden sich Erde, Mond und Sonne in derselben Richtung. Das hat einen großen Vorteil: Denn so kann ich allen drei Himmelskörpern gleichzeitig meinen Rücken zukehren und dadurch ganz ungestört in der anderen Richtung ins Universum schauen. Mein „Rücken“ ist dabei eine aus mehreren Schichten bestehende Schutzfolie, die keine Strahlung durchlässt. Dadurch werden meine wissenschaftlichen Instrumente perfekt geschützt: Ich soll ja nicht die Strahlung der Sonne untersuchen, sondern die Strahlung anderer Sterne einfangen. Ich bin aber nicht direkt am Lagrange-Punkt L2 stationiert. Sondern ich umkreise diesen Ort in einem Orbit von 250.000 bis 832.000 Kilometern. Dadurch bekomme ich immer genug Sonnenlicht ab, sodass meine Stromversorgung mit Solarenergie und auch meine thermische Stabilität gewährleistet bleiben. In meinem speziellen Orbit sind ununterbrochene Beobachtungszeiten rund um die Uhr möglich, damit ich zum Beispiel weit in unsere Milchstraße und noch tiefer ins All blicken kann. Allerdings kann man von der Erde aus in dieser Distanz nur über das Deep Space Network mit mir kommunizieren.
Frage: Fühlst du dich so weit draußen nicht etwas alleine?
Antwort: Ach nein, hier draußen kreisen ja auch noch einige andere Satelliten um den Lagrange-Punkt. Zum Beispiel meine liebe Kollegin, die ESA-Raumsonde Gaia: Sie beobachtet von hier aus mehrere Milliarden Sterne und misst dabei sehr exakt, wie weit sie von uns weg sind.
Frage: Ist dir nicht kalt?
Antwort: Weißt du, ich spüre eigentlich keine Kälte, weil ich speziell für diese extremen Minustemperaturen konstruiert wurde. Das ist auch ziemlich praktisch, denn die eisige Kälte des Weltraums ist sogar eine der Voraussetzungen für meine Arbeit.
Frage: Für deine Arbeit? Tatsächlich? Was ist denn deine Arbeit?
Antwort: Oh, ich habe viele verschiedene Aufgaben! Unter anderem sehe ich das Universum ganz anders als die Menschen, da ich Infrarotstrahlung wahrnehmen kann. Das ist so etwas wie die Wärmestrahlung von fernen Sternen – und damit ich die ungestört aufnehmen kann, muss es in meiner Umgebung kalt sein. So kann ich zum Beispiel viel tiefer in Sternenhaufen und Galaxien blicken als andere Weltraumteleskope. Ich bin auch in der Lage Schwarze Löcher zu entdecken, die eigentlich im Inneren der Galaxien hinter all den Sternen versteckt sind. Allerdings sehe ich das alles nur so, wie es vor Millionen oder sogar Milliarden Jahren war.
Frage: Das heißt, du fängst Licht von Galaxien ein, das lange unterwegs war. Also siehst du die Galaxien gar nicht so, wie sie jetzt sind. Findest du das nicht schade?
Antwort: Einerseits ja, andererseits bin ich dadurch so etwas wie eine Zeitmaschine, die weit in die Frühzeit des Universums schaut – und das ist ziemlich cool. Die Daten, die ich sammle, stammen aus unterschiedlichen „Epochen“ des Universums. Sie helfen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der Erde, die Geschichte unseres Universums zu verstehen und nachzuvollziehen – und möglicherweise daraus auch etwas über die Zukunft abzuleiten.
Frage: Du suchst ja auch nach Lebenszeichen von Außerirdischen. Hast du schon welche gefunden?
Antwort: Nein, aber ich habe bereits die Atmosphären von verschiedenen Planeten analysiert, die um andere Sterne kreisen. Da habe ich einen erdähnlichen Planeten samt eigener Atmosphäre gefunden, auf dem es Anzeichen von Wasserdampf gibt. Und das ist echt spannend, weil die Menschen schon lange nach einer sogenannten „zweiten Erde“ suchen. Einige dieser Exoplaneten sind sogar in der „habitablen Zone“ – zu Deutsch in der „bewohnbaren Zone“. Das bedeutet, dass diese Exoplaneten in genau dem richtigen Abstand zu ihrem Stern sind, sodass es auf ihnen flüssiges Wasser geben kann und außerirdisches Leben entstehen könnte. Ob das irgendwo im Weltall auch passiert ist, wissen wir noch nicht. Aber ich arbeite daran, es herauszufinden.
DLR_next: Spannend! Dann wollen wir dich nicht länger von der Arbeit abhalten. Danke für das Gespräch!
Antwort: Es war mir ein Vergnügen!