Medizinforschung mit „dickem Kopf“

Auf der ISS herrscht andauernd Schwerelosigkeit, weil sie sich im freien Fall befindet. Doch wozu braucht man überhaupt einen Ort, an dem man lange schwerelos ist? Ein Beispiel ist die medizinische Forschung. In Schwerelosigkeit ändern sich nämlich viele Abläufe in unserem Körper. Das sieht man den Astronautinnen und Astronauten sogar an: Ihre Gesichter sind dann etwas aufgedunsen. Man nennt das „puffy face“. Das liegt am Blutkreislauf. Unser Herz ist daran gewöhnt gegen die Schwerkraft zu arbeiten: Es pumpt andauernd Blut nach oben. Also: Die Schwerkraft zieht nach unten, das Herz pumpt nach oben – und das gleicht sich aus, sodass alles in unserem Körper schön gleichmäßig verteilt ist. In Schwerelosigkeit fehlt nun diese Kraft, die alles nach unten zieht. Das Herz arbeitet aber zunächst normal weiter. Dadurch wird jetzt zu viel Blut in den Kopf gepumpt: Das Gesicht schwillt an. Nach einiger Zeit passt sich das Herz-Kreislaufsystem an die neue Umgebung an und die Astronautinnen und Astronauten sehen wieder normal aus.

Der „dicke Kopf“ ist nicht die einzige Veränderung des Körpers unter Langzeit-Schwerelosigkeit. Auch andere Abläufe in unserem Organismus ändern sich – etwa an den Muskeln: Weil wir auf der Erde immer gegen die Schwerkraft arbeiten müssen, trainieren wir ganz automatisch unsere Muskulatur. Bei den Astronautinnen und Astronauten spielt die Schwerkraft aber keine Rolle mehr. Die Muskeln werden daher weniger beansprucht und dadurch immer schwächer – wie bei Menschen, die lange krank im Bett liegen müssen. Darum müssen Astronautinnen und Astronauten auf der Raumstation täglich mehrere Stunden trainieren. Sie schnallen sich dabei auf Laufbändern fest, um nicht wegzuschweben, oder sie treten auf einem Fahrrad-Ergometer in die Pedalen. Auch auf die Knochen hat die Schwerelosigkeit Auswirkungen: Sie werden ebenfalls schwächer – so ähnlich wie bei älteren Menschen, die unter einer Krankheit namens Osteoporose leiden. Hinzu kommen Gleichgewichtsstörungen und andere Symptome, die Krankheiten ähneln, die wir auf der Erde kennen. Nach der Rückkehr zur Erde normalisiert sich das alles wieder. Medizinerinnen und Mediziner werten später all die Daten aus und ziehen so Rückschlüsse auf die Prozesse im Körper. Insgesamt ist das vereinfacht gesagt so, als ob man die Entstehung einer Krankheit und auch die Genesung in allen Einzelheiten genau verfolgen kann – und das ist natürlich auch für die medizinische Forschung auf der Erde hilfreich.