Wenn die Uhr an Bord langsamer geht …
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NASA
Es klingt unglaublich, ist aber eine Tatsache: An Bord von schnell fliegenden Raumfahrzeugen vergeht die Zeit langsamer als auf der Erde. Das bedeutet: Eine Uhr, die man an Bord eines Raumschiffs mit ins All nimmt, zeigt nach der Landung eine andere Zeit an als eine baugleiche Uhr, die man zur Kontrolle am Boden gelassen hat. Das macht bei einem Flug von einigen Tagen oder Wochen zwar nur Bruchteile von Bruchteilen einer Sekunde aus, aber die Differenz ist messbar. Genau das haben deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits vor vielen Jahren bei einer Mission mit einem Space Shuttle überprüft. Und mithilfe von besonders genauen Atomuhren konnten sie es beweisen. Die Mission hieß D-1 und fand im Jahre 1985 statt und das Uhren-Experiment trug den Namen „Navex“.
Nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir reden hier nicht davon, dass lediglich die Uhren langsamer gehen, wenn sich ein Raumschiff sehr schnell fortbewegt. Sie sind auch nicht kaputt oder so etwas. Vielmehr geht wirklich die Zeit selbst langsamer. Wie es zu diesem verrückten Effekt kommt? Wir haben das an anderer Stelle mal ganz ausführlich zu erklären versucht.
Wie auch immer: Herausgefunden hatte das schon vor rund 100 Jahren der berühmte Physiker Albert Einstein – lange bevor es Raumschiffe gab und man das beweisen konnte. Seine Relativitätstheorie besagt unter anderem, dass die Zeit keine konstante – also immer gleiche – Größe ist, sondern dass sie schneller oder langsamer vergeht. Und zwar unter anderem abhängig davon, mit welcher Geschwindigkeit man sich durch den Raum bewegt. Je schneller sich ein Flugobjekt bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit an Bord. Die Insassen des Raumschiffs merken davon nichts – für sie ist eine Stunde immer noch eine Stunde und ein Tag ein Tag. Doch wenn sie mit einem utopischen Raumschiff, das viel schneller als alle heutigen Raketen fliegen könnte, beispielsweise ein Jahr unterwegs wären, so würden sie nach der Landung feststellen, dass auf der Erde inzwischen mehrere Jahre vergangen wären …
Tatsächlich ist dieses kleine Beispiel eines utopischen Raumschiffs ziemlich übertrieben. In Wirklichkeit ist der Effekt minimal. Dass ein Astronaut nach dem Flug ins All jünger als sein eigener Sohn wäre, wird also wohl nur in Science-Fiction-Filmen vorkommen. Bei den heutigen Geschwindigkeiten – die Internationale Raumstation ISS ist knapp 28.000 Kilometer pro Stunde schnell – beträgt die Zeitdifferenz weniger als einen Wimpernschlag. Doch man kann sagen: Astronautinnen und Astronauten sind nach dem Flug ins All einen Sekundenbruchteil jünger, als wenn sie nicht geflogen wären.
Bei den noch weiter von der Erde entfernten Satelliten kommt übrigens noch ein umgekehrter – aber ebenso verrückt klingender – Effekt zum Tragen: Je weiter man von der Erde entfernt ist, desto schneller vergeht die Zeit. Denn große Massen – wie eben unser Planet – verlangsamen wiederum den Fluss der Zeit, sodass die Uhren mit zunehmendem Abstand von der Erde schneller ticken. Auf einem Berg vergeht die Zeit schneller als im Tal – wenn auch wieder nur ganz minimal. Man muss also streng genommen beide Effekte gegeneinander verrechnen, je nach Geschwindigkeit und Entfernung zur Erde. Zwei Beispiele: Die ISS fliegt mit einer Bahnhöhe von rund 400 Kilometer noch recht niedrig. Sie befindet sich also relativ dicht an der Masse der Erde. Und sie ist mit fast 28.000 Kilometern pro Stunden ziemlich schnell unterwegs. Beides zusammen führt dazu, dass die Zeit gedehnt und verlangsamt wird. Manche Satelliten fliegen dagegen mehr als 20.000 Kilometer hoch über der Erde. Und sie sind dabei auch langsamer als die ISS. Das hat zur Folge, dass der andere Effekt überwiegt und die Zeit an Bord beschleunigt wird.
So absurd sich das alles auch anhört: Für Raumfahrt-Fachleute ist es längst nichts Besonderes mehr. Würde man diese Effekte nicht beachten, würde kein Navigationssatellit die richtige Position angeben und das „Navi“ im Auto würde uns weit am Ziel vorbeiführen. Denn die kleinen Navigationsgeräte in unseren Autos funktionieren nur, weil man die Zeitabweichung der Satelliten-Uhren ganz genau berechnet.