Artikel aus dem DLRmagazin 176: Wie Raketen wiederverwendbar werden

Von der Erde ins All – und wieder zurück

Collage Rückkehrtechnologien
Das DLR forscht schon seit Jahren an verschiedenen Ansätzen, wie Raketen nach ihrem Flug wieder auf der Erde landen können.

Bis auf die Trägerrakete von SpaceX, die inzwischen regelmäßig in den Weltraum fliegt, sind Raketen in der Regel Einwegprodukte. Aber das soll sich bald ändern: Dr. Martin Sippel leitet die Abteilung Systemanalyse Raumtransport des DLR-Instituts für Raumfahrtsysteme in Bremen. Er forscht schon seit Jahren an verschiedenen Ansätzen, wie Raketen nach ihrem Flug wieder auf der Erde landen können. Wie diese Technologien funktionieren und wann erste Prototypen starten könnten, erzählt er in diesem Interview.

Die Falcon 9 ist bislang die einzige wiederverwendbare Rakete. Wie macht SpaceX das?

SpaceX ist nicht das erste Unternehmen, das Raumfahrzeuge wiederverwendbar gemacht hat. Es gab ja schon das Space-Shuttle-Programm der NASA, in dem das Space Shuttle im horizontalen Landeanflug nach Cape Canaveral in Florida oder nach Kalifornien zurückkam. SpaceX verwendet für bestimmte Missionen die sogenannte raketengetriebene Rückkehr zum Startplatz (siehe Infokasten „Senkrechte Landung“), bei der die wiederverwendbare Stufe mithilfe ihrer eigenen Triebwerke kontrolliert zur Erde zurückfliegt. Das Besondere: Sowohl beim Eintritt in die Atmosphäre als auch bei der Landung werden die Triebwerke erneut gezündet.

Warum wurde das Space-Shuttle-Programm denn eingestellt?

Das Space Shuttle war mehr als 30 Jahre von 1981 bis 2011 aktiv. Der Hauptgrund, den Betrieb auslaufen zu lassen, lag in der damaligen Einschätzung der NASA, dass die Sicherheit der Astronauten an Bord beim Wiedereintritt geringer sei als bei einer Kapsel. Die Erfahrungen aus dem Absturz des Orbiters Columbia spielten dabei eine wichtige Rolle. Die Wartungskosten des Shuttles waren außerdem hoch. Dies hatte allerdings weniger mit der Wiederverwendbarkeit zu tun als mit der Organisationsstruktur im Kennedy-Space-Center der NASA. Außerdem waren die Anforderungen an das Space Shuttle, das wochenlang mit Menschen im Weltraum bleiben konnte, natürlich vollständig andere als bei einer unbemannten Raketenstufe, die nach wenigen Minuten zurück zur Erde kommt.

Das Space Shuttle landete wie ein normales Flugzeug, die Raketen von SpaceX kommen nahezu senkrecht zur Erde zurück. Worin unterscheiden sich diese Technologien?

Zuerst einmal gibt es einen sichtbaren Unterschied: Bei einer vertikalen Landung ähnelt die wiederverwendbare Variante äußerlich einer herkömmlichen Rakete, die nur um kleine Steuerflächen und Landebeine erweitert wird. Eine horizontale Landung (siehe Infokasten „Horizontale Landung“) erfordert im Gegensatz dazu ausreichend große Flügel, aerodynamische Steuerflächen, ein Fahrwerk sowie gegebenenfalls Flugzeugtriebwerke. Zusätzlich müssen die Flügel mit einem Thermalschutzsystem ausgestattet werden, damit sich diese beim gleitenden Wiedereintritt in die Atmosphäre nicht zu sehr erhitzen. Bei der vertikal landenden Rakete werden die Belastungen des Wiedereintritts durch das Zünden der Triebwerke abgemildert.

Ist eine der Technologien besser als die andere?

Wie so oft gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort. Durch die erneuten Zündungen der Triebwerke bei Wiedereintritt in die Atmosphäre braucht die vertikal aufsetzende Rakete deutlich mehr Treibstoff. Im Gegensatz dazu benötigt ein geflügeltes System keinen Treibstoff, weil die Verzögerungen allein durch die aerodynamischen Kräfte bewirkt werden. Allerdings ist eine solche Konfiguration aufgrund der Flügel in ihrem Grundzustand schon schwerer. Ein geflügeltes System ist durch Klappen und Thermalschutz komplexer und teurer. Umgekehrt erfordern vertikal landende Systeme Raketentriebwerke, die mehrfach im Flug wieder gezündet werden können und außerdem in einem breiten Bereich drosselbar sein müssen. Letzteres ist für die vertikale Landung notwendig, um ein sanftes Aufsetzen zu gewährleisten.

Auch die Landung spielt bei den Unterschieden eine große Rolle: Für die vertikale Landung auf dem Meer muss eine Plattform in 500 bis 1.500 Kilometer Entfernung zur Küste platziert werden. Der Aufwand ist geringer, wenn die Rakete zurück zur Raketenbasis fliegt. Das wiederum bedeutet aber einen noch höheren Bedarf an Treibstoff, sodass dies nur für Missionen mit geringen Anforderungen und vergleichsweise kleinen Nutzlasten geeignet ist. Während mit Flugzeugtriebwerken ausgerüstete geflügelte Systeme autonom zum Startplatz zurückfliegen können, erfordert das Einfangen mithilfe des vom DLR entwickelten „In-Air Capturing“ ein speziell ausgestattetes Schleppflugzeug, das vorab in der Einfangzone platziert wird. Die wiederverwendbare Rakete wird dadurch allerdings sehr effizient.

Wir forschen im DLR an beiden Ansätzen der Wiederverwendung. Dabei gibt es zwei herausstechende Projekte: ReFEx und CALLISTO. In beiden geht es darum, mithilfe von Flugdemonstratoren die Hauptschwierigkeiten der jeweiligen Technologien zu untersuchen.

Dr. Martin Sippel, Leiter der Abteilung Systemanalyse Raumtransport des DLR-Instituts für Raumfahrtsysteme
Dr. Martin Sippel
Leiter der Abteilung Systemanalyse Raumtransport des DLR-Instituts für Raumfahrtsysteme

In welche Richtungen forscht das DLR aktuell?

Wir forschen hier im DLR an beiden Ansätzen der Wiederverwendung. Dabei gibt es zwei herausstechende Projekte: ReFEx (Reusability Flight Experiment) und CALLISTO (Cooperative Action Leading to Launcher Innovation in Stage Toss back Operations). In beiden geht es darum, mithilfe von Flugdemonstratoren die Hauptschwierigkeiten der jeweiligen Technologien zu untersuchen. Flugdemonstratoren sind kleine Prototypen von Flugmaschinen, die mit vergleichsweise geringem Aufwand unter realen Bedingungen testen, ob sich neue Technologien bewähren und wie sie sich auf das Gesamtsystem auswirken. Bei ReFEx wird ein geflügelter Gleiter mithilfe einer Höhenforschungsrakete in die obereAtmosphäre auf mehr als fünffache Schallgeschwindigkeit befördert. Anschließend fliegt der Demonstrator den typischen Wiedereintritt eines geflügelten Systems nach. Unser Hauptaugenmerk liegt dabei auf Aspekten der Gesamtintegration und auf dem kontrollierten aerodynamischen Flug vom höheren Überschall bis hinunter zum Unterschall.

Der CALLISTO-Demonstrator
Der CALLISTO-Demonstrator ist elf Meter hoch und soll selbstständig starten und wieder landen können.

Eine schwierige Aufgabe, die in dieser Form von Europa bisher noch nie durchgeführt wurde. Aktuell beginnt die finale Integration aller Systeme. Ergänzend dazu demonstriert CALLISTO die vertikale Landung. Wir arbeiten hier mit der französischen Raumfahrtagentur CNES und der japanischen JAXA zusammen. Der CALLISTO-Demonstrator ist elf Meter hoch und soll selbstständig starten und wieder landen können. Entsprechend ist er mit Steuerflächen und ausklappbaren Landebeinen ausgestattet. Für CALLISTO sind mehrere Versuche mit zunehmender Schwierigkeit geplant. Während die ersten Flüge lediglich einige Meter vom Boden abheben, soll der finale Demonstrationsflug bis auf über zehn Kilometer Höhe reichen. Alle Flüge werden mit demselben Demonstrator durchgeführt. So ist CALLISTO bereits eine kleine wiederverwendbare Rakete. Aktuell wird die Hardware gebaut und getestet.

Ihre persönliche Meinung: Wie werden sich die Rückkehrtechnologien zukünftig entwickeln?

Das ist genau die spannende Frage und die tatsächlich gebauten Trägerraketen, die auf neuester Forschung basieren, werden letztlich die Antwort geben. Als Tendenz zeichnet sich ab, dass versucht wird, die Vorteile der unterschiedlichen Rückkehrverfahren zusammenzubringen. Man kann zum Beispiel durch kleine Flügel oder Finnen an der Raketenstufe die aerodynamischen Kräfte nutzen, um die Lasten beim Wiedereintritt auch ohne Antrieb deutlich zu reduzieren. Dann wird der Antrieb nur noch für das Aufsetzen benötigt, da diese Flügel für eine horizontale Landung zu klein sind.

Horizontale und vertikale Landung

Ein Beitrag von Nele Vormschlag aus dem DLRmagazin 176

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