Artikel aus dem DLRmagazin 176: DLR-Technologien für Sicherheit und Verteidigung

Sicher ist sicher

LaBoT – Laserbodenstation Trauen
Bei LaBoT handelt es sich um eine weitgehend automatisierte Bodenstation zur optischen Kommunikation mit Satelliten am DLR Standort Trauen.

Das DLR entwickelt Technologien für Luftfahrt, Raumfahrt, Energie und Verkehr. Außerdem ist es in der Sicherheits- und Verteidigungsforschung aktiv. Es geht darum, die Infrastruktur im All zu schützen, Schäden an Fluggeräten zu erkennen und bei Katastrophen zu helfen – und das sind nur drei Beispiele von vielen.

Dr. Alexander Köhler schaut auf seinen Monitor: Er sieht geschwungene Linien, gelbe, grüne, orangefarbene, rote, einige spitzer oder höher aufragend als die anderen. „Die roten Linien sind die Galileo-Satelliten“, erklärt Köhler. Er sitzt im mobilen Container der Laserbodenstation (LaBoT), umgeben von Bildschirmen, die Zahlenreihen, Kamerabilder und eben die bunten Linien zeigen. Jede Linie ist ein Satellit, der am Horizont auftaucht. Die LaBoT hat den gesamten Himmel im Blick und erkennt an diesem Nachmittag mehr als 30 Satelliten. In der Kuppel neben dem Container kann ein Spiegelteleskop den Satelliten folgen und Daten empfangen oder senden. Laserkommunikation mit Satelliten unter realen Bedingungen ist ein Forschungsschwerpunkt im Responsive Space Cluster Competence Center (RSC³), dem Kompetenzzentrum für reaktionsschnelle Satellitenverbringung, am DLR-Standort Trauen.

Die Laserbodenstation LaBoT in Trauen mit geöffneter Kuppel
Im Innern ist das Spiegelteleskop zu erkennen. Es kann Satelliten auf ihren Bahnen exakt verfolgen.

Das Ziel von RSC³ ist es, die technologischen Grundlagen zu schaffen für zukünftige Weltrauminfrastrukturen, um sie resilienter zu machen gegen Ausfall.

Dr. Andreas Ohndorf, Leiter Kompetenzzentrum für reaktionsschnelle Satellitenverbringung
Die Laserbodenstation LaBoT kann Satelliten auf ihren Bahnen exakt verfolgen
Die rote Linie ist ein Galileo-Satellit.

Das globale Galileo-System wird für Verkehrsinformationen und das Flottenmanagement, in der Landwirtschaft, Industrie und Energiewirtschaft oder von Behörden genutzt. Köhler öffnet per ausklick die Kuppel der LaBoT, zwei Klappen bewegen sich seitlich, das Teleskop richtet sich aus. Sonst ist nichts zu sehen. Der Laser bleibt im Nahinfrarotbereich und ist damit für das menschliche Auge unsichtbar.

Die vom RSC³ betriebene LaBoT gehört zu einem europaweiten Netzwerk von Laserbodenstationen. Dieses dient der Erforschung zukünftiger resilienter optischer Kommunikationstechnologien. Im nationalen Kompetenzzentrum des DLR geht es vor allem um die Themen Sicherheit, Bewältigung von Krisen und Schutz kritischer Infrastruktur im All.

Und Trauen – wo ist das nochmal? Das Örtchen in der Lüneburger Heide liegt zwischen Hamburg und Hannover. Der DLR-Standort gehört zu Faßberg, wo die Luftwaffe der Bundeswehr vertreten ist. Die Umgebung ist ländlich, größere Städte Fehlanzeige. Wer will hier arbeiten? Bei einem Blick auf das Gelände ist leicht zu verstehen, warum man in der Gegend öfter „Hightech in der Heide“ hört. Dr. Andreas Ohndorf, kommissarischer Einrichtungsleiter von RSC³, sagt: „Innerhalb von drei Jahren konnten wir 30 Mitarbeitende gewinnen. Wir planen weitere 20 bis 30 in den kommenden Jahren einzustellen.“

Sicherheits- und Verteidigungsforschung im DLR

Das DLR steht für Forschung und Technologieentwicklung in der Luft- und Raumfahrt, in Energie und Verkehr, aber auch in der zivilen Sicherheits- und in der Verteidigungsforschung. Aktuelle Projekte befassen sich unter anderem mit der Luftverteidigung, der Positionsbestimmung orbitaler Objekte, den Fähigkeiten von Kleinsatelliten, einer hochfliegenden Plattform, Hubschraubereinsätzen in der maritimen Notfallvorsorge, der Ortung von Gefahrstoffen oder der Quantensensorik in der maritimen Aufklärung. Allgemeine Schwerpunkte in diesem Forschungsbereich sind maritime Sicherheit, wehrtechnische Forschung sowie zivile Sicherheitsforschung und Dual Use. 29 von 54 DLR-Instituten und -Einrichtungen leisten Beiträge für den Bereich Sicherheitsforschung.

Resiliente Weltraumsysteme entwickeln

Das Ziel von RSC³ ist es, die technologischen Grundlagen zu schaffen für zukünftige Weltrauminfrastrukturen, um sie resilienter zu machen gegen Ausfall“, sagt Andreas Ohndorf. Resilient bedeutet unter anderem widerstandsfähig gegen Belastungen, wehrhaft gegen Bedrohungen, schnell einsatzbereit und nachhaltig. Weltraumsysteme zählen zu den kritischen Infrastrukturen (KRITIS), sie müssen deshalb geschützt werden. Das gilt für die zivilen Anwendungen und ebenso für militärische. Auch das wird im RSC³ berücksichtigt. „Wir antizipieren innovative und disruptive Technologien der Zukunft und entwickeln Antworten für Frieden und Krise sowie zur Landes- und Bündnisverteidigung“, ergänzt Wolfgang Jung, Leiter Technologie und Abteilungsleiter Technologiedemonstration im RSC³.

Zur Not bringt man Strom und Wasser mit. Dann läuft der Einsatz komplett unabhängig von einer Infrastruktur vor Ort.

Nora Riedel, Wissenschaftlerin am RSC³
Nora Riedel
Die Wissenschaftlerin arbeitet am RSC³

Raketenstart an jedem Ort

Wenige Schritte vom LaBoT entfernt befindet sich ein Standardcontainer, der auf Lkw, Schiffe oder Züge geladen werden kann. Unscheinbar von außen, nur der „MoHyPer“-Schriftzug und die Logos von DLR und RSC³ fallen etwas auf. MoHyPer heißt Mobile Hydrogen Peroxide Transport and Storage Container, er wurde im RSC³ entwickelt. Innen ist der Container mit blankem Edelstahl ausgekleidet, dazu sind verschiedene Zylinder, Rohre und Regler vorhanden. MoHyPer kann 1.100 Liter hochkonzentriertes Wasserstoffperoxid lagern. Das ist ein Treibstoff für Raketen- und Satellitenantriebe. Wo auch immer der Container steht – alles, was er zusätzlich braucht, sind ein Strom- und ein Wasseranschluss. Oder auch nicht: „Zur Not bringt man Strom und Wasser mit“, sagt Nora Riedel, die am MoHyPer arbeitet. „Dann läuft der Einsatz komplett unabhängig von einer Infrastruktur vor Ort.“ Aus dem Container kann problemlos eine Raketenoberstufe betankt werden, die zum Beispiel einen Kleinsatelliten in den Orbit transportiert. Kleinsatelliten wiegen 500 Kilogramm oder weniger, manche sind nur so groß wie ein Schuhkarton. Nora Riedel schreibt gerade ihre Doktorarbeit am DLR in Trauen, es geht passenderweise um die Zersetzung von Wasserstoffperoxid.

Lageregelungsstand des RSTEC
Im Lageregelungsstand des RSTEC in Trauen kann getestet werden, wie sich Satelliten im Orbit verhalten.

Ein Projekt, das vom RSC³ geleitet wird, ist REACTS (Responsive European Architecture for Space). 39 europäische Institutionen und Unternehmen aus 13 Ländern wollen ein reaktionsfähiges Netzwerk aufbauen. Das Ziel: innerhalb von 72 Stunden Satelliten in erdnahen Umlaufbahnen (Low Earth Orbit) zu platzieren. So sollen Lücken geschlossen werden, wenn nach einem Ausfall etwa die Satellitenkommunikation gestört ist. Drei Tage sind eine sehr kurze Zeit, um einen Satelliten zu starten und in Betrieb zu nehmen. Üblicherweise werden Satellitenmissionen über Jahre geplant.

Rütteltest für Satelliten

In einer grauen Schnellbauhalle verbirgt sich das RSTEC, das „Responsive Space Technology Evaluation Center“. Es gehört zur Abteilung Weltraumsegment des RSC³. Hier werden Kleinsatelliten weiterentwickelt und getestet, bis klar ist, dass sie den Start überstehen und im All funktionieren. Hannes Brandt zieht sich um, bevor er die Reinraumlabore betritt: Kittel, Hose, Haube, Handschuhe, Schuhüberzug. Kein Staubkorn soll dazwischenkommen, wenn er einen Satelliten in den Lageregelungsstand spannt. Die Konstruktion mit drei Rotationsachsen zeigt, ob und wie sich der Satellit im Orbit zurechtfinden würde. Hannes Brandt kann ein Magnetfeld oder eine künstliche Sonne zuschalten und Beschleunigungen simulieren.

In einem anderen Reinraum prüfen die Forschenden, ob Satelliten Temperaturschwankungen und Vakuum aushalten. Unter welchen Bedingungen und wie lange können Satelliten startklar aufbewahrt werden? Um diese Frage zu beantworten, gibt es im RSTEC den glockenförmigen Transport- und Lagerungsbehälter TULBE. „Wenn ein Satellit innerhalb von wenigen Tagen funktionsfähig im All sein soll, muss er bereits mit Betriebsstoffen und Antriebssystem am Startplatz lagern, um schnell reaktiviert werden zu können“, sagt Wolfgang Jung. „Zum Planen, Zusammenbauen und Testen ist dann keine Zeit mehr.“

Versuchsaufbau an der Air-Brake
Mit dem Gerät können Belastungen ausgelöst und analysiert werden.

Das RSTEC und seine Möglichkeiten werden nicht nur vom DLR, sondern auch von anderen Forschungsinstituten und der Industrie genutzt. Die Vernetzung nach außen und die Zusammenarbeit seien wesentlich für den Erfolg von RSC³, sagt Wolfgang Jung. „So leisten wir unseren technologischen Beitrag für eine höhere Sicherheit und Resilienz der zukünftigen Weltraum-Infrastruktur.“ Unterstützt wurden LaBoT, MoHyPer und RSTEC durch EFRE-Fördermittel (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) des Landes Niedersachsen.

Sicherheit in der Luftfahrt

Von Trauen aus knapp 100 Kilometer weiter südlich: Szenenwechsel von der Raumfahrt zur Luftfahrt – aber auch hier ist die Sicherheit im Fokus. In einem Foyer des DLR-Instituts für Systemleichtbau in Braunschweig stehen unter anderem ein kreisrunder Tank, verschiedene Schutzhelme, ein Teil eines Passagierflugzeugs – und die Air-Brake, eine Bremsklappe aus einem Kampfflugzeug. „Wir zeigen hier, was mit Verbundwerkstoffen alles möglich ist“, sagt Dr. Robert Kaps. Alle ausgestellten Produkte haben ein charakteristisches schwarzes Muster: Einzelne Bündel von bis zu 24.000 Filamenten – also feinsten Kohlenstoff-Fäden – werden geflochten oder einzeln abgelegt, mit Harz getränkt, erhitzt und ausgehärtet. „Unser Institut entwickelt und erprobt neue Leichtbautechnologien, die Ressourcen schonen und klimafreundliche Systemlösungen ermöglichen“, ergänzt Robert Kaps.

Lageraum des Zentrums für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI)
Im Lageraum laufen alle Informationen zusammen. Hier werden aus Erdbeobachtungsdaten und weiteren Geodaten Lagebilder erstellt.
Credit:

DLR/ZKI

Bremsklappen an Flugzeugen sind in der Regel aus Metall. Sie verringern die Geschwindigkeit eines Fluggeräts, wenn sie ausgefahren werden. „Die Struktur muss hohe Belastungen aushalten. Das funktioniert gut mit den besonderen Eigenschaften von Verbundwerkstoffen. Gleichzeitig können diese durch Funktionsintegration und die Reduktion von Teilezahlen die Produktion vereinfachen und Kosten senken“, sagt Kaps. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben für die Air-Brake zwei Schalenelemente entworfen und zusammengeklebt. Einiges an Entwicklungsleistung war notwendig, um die Elemente zu verbessern, zu testen und weiter zu optimieren. Mehr als 30 Sensoren stecken in der Unterseite und den Lasteinleitungsbeschlägen zur Strukturüberwachung. Diese auch „Brackets“ genannten Beschläge, die an ein Knochenskelett erinnern, verteilen die Last in die Klappe beim Öffnen gegen den Winddruck. „Im Flugzeugbau gibt es gerade viele neue Herausforderungen“, sagt Robert Kaps. „Das DLR kann mit seiner Expertise wesentlich zur Lösungsfindung beitragen.“

Technologien gemeinsam schützen

Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla

Die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla gibt einen Einblick in die Sicherheits- und Verteidigungsforschung am DLR.

Frau Kaysser-Pyzalla, welche Bedeutung hat die Sicherheits- und Verteidigungsforschung im DLR?

Für das DLR bilden die zivile Sicherheits- und die wehrtechnische Verteidigungsforschung einen weiteren Fokus, entsprechend unserem gesellschaftlichen Auftrag. Die geopolitischen Entwicklungen seit 2014 haben eine für Europa einmalige und einschneidende Wende eingeleitet. Durch unsere Kompetenzen und die Beherrschung von Schlüsseltechnologien können wir einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit der Gesellschaft und ihrer Infrastrukturen leisten. Die institutionelle Finanzierung unserer zivilen Sicherheits- und Verteidigungsforschung erfolgt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und das Bundesministerium der Verteidigung. Weitere Mittel erhalten wir durch Sonderfinanzierungen sowie durch Kooperationen mit Behörden und öffentlichen Einrichtungen, Organisationen und der Wirtschaft. Über unser Büro in Brüssel konnten wir auch Mittel des European Defence Fund akquirieren.

Seit wann ist das DLR in der Sicherheits- und Verteidigungsforschung aktiv?

Die Sicherheits- und Verteidigungsforschung gibt es im DLR schon seit mehr als 30 Jahren. Aber lange Zeit stand sie nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Es hat auch ehrlich gesagt früher nicht so viele Leute interessiert. Gestern wie heute forschen und kooperieren wir im Interesse der Sicherheit Deutschlands und seiner Bündnispartner.

Was kann das DLR anbieten?

Durch das Verknüpfen unserer Expertise in der Luft- und Raumfahrt mit unseren Kompetenzen in Energie und Verkehr sowie Digitalisierung können wir zum einen das volle Potenzial für die Sicherheits- und Verteidigungsforschung im DLR entfalten. Zunächst ein Beispiel aus der zivilen Sicherheitsforschung: Wir haben während des Hochwassers im Frühsommer die Katastrophengebiete in Bayern überflogen und Echtzeitlagebilder erstellt. Mit diesen können Rettungskräfte unter anderem befahrbare Wege finden. Zum anderen forschen wir für den Schutz von Häfen im Bereich der maritimen Sicherheit. In der Raumfahrt geht es ebenfalls um den Schutz von kritischen Infrastrukturen, gerade auch bei der Sicherheit von Satelliten.

Wie sehen die Kooperationen aus, welche gibt es?

Aufgabe des DLR ist es, Unterstützung zu leisten, zu beraten und mit Wissen und Technologien zur Sicherheit Deutschlands beizutragen – wie auch Innovationen und Entwicklungen voranzutreiben, diese schnell in Anwendungen und Fähigkeiten zu bringen. Gemeinsame Übungen mit Behörden, Polizei und Feuerwehr gehören für uns zum Tagesgeschäft, wie auch strategische Kooperationen mit dem World Food Programme (WFP) und der Bundespolizei. Auch leisten Mitarbeitende des DLR ihren Reservistendienst an verschiedenen Stellen und bringen sich mit ihren Kompetenzen ein. Außerdem führen wir gemeinsame Projekte durch, so mit I.S.A.R. Germany (International Search and Rescue Germany). Mit unseren Drohnen helfen wir bei der Kartierung von Katastrophengebieten und unterstützen damit die Rettungskräfte. Wir sind in der Lage, die für Kooperationen nötige Expertise in der kompletten Spannbreite des DLR bereitzustellen. Durch den intensiven Wissensaustausch mit Behörden, wie dem WFP und dem Technischen Hilfswerk, und öffentlichen Stakeholdern sowie einem gezielten Technologietransfer mit der Wirtschaft stellt sich das DLR seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Das verlangt aber auch, dass wir die Sicherheits- und Verteidigungsforschung mit der Industrie, der Politik und der Forschung neu, weiter und vor allem gemeinsam denken. Dazu gehören auch Maßnahmen, um unser Wissen und unsere Technologien gemeinsam zu schützen.

Den digitalen Zwilling immer dabei

Arbeit in zwei Welten
Dr. Robert Kaps (links) und Dr. Georgia Albuquerque arbeiten an der Air-Brake. Über Augmented-Reality-Brillen sehen sie nicht nur das Objekt vor sich, sondern auch den digitalen Zwilling mit seinen Analysewerkzeugen.

An der Air-Brake wird außerdem demonstriert, wie Flugzeuge gewartet werden können. Wenn ein Gegenstand auf die Außenhaut prallt, ist oft nicht sofort klar, wie schwerwiegend die Beschädigung ist. Deswegen bleibt das Flugzeug vorsichtshalber am Boden und Expertinnen und Experten müssen vor Ort eine Begutachtung durchführen. Das kann dauern, falls die Fachleute weit entfernt sind. Dr. Georgia Albuquerque vom DLR-Institut für Softwaretechnologie und Robert Kaps setzen Augmented-Reality (AR)-Brillen auf. Sie haben jetzt nicht nur die reale Air-Brake vor sich, sondern zusätzlich die darauf abgebildeten Informationen des virtuellen Zwillings und der Analysewerkzeuge. „Das Bauteil kann über einen digitalen Zwilling komplett dokumentiert werden. Wir sehen den aktuellen Schaden und alle früheren Schäden und können eine Bewertung vornehmen“, erklärt Georgia Albuquerque. Dazu reicht es aus, wenn einer von beiden an der Air-Brake steht. Eine dritte Person, beispielsweise eine Expertin beim Hersteller, kann sich über eine eigene AR-Brille zuschalten und hat dasselbe vor Augen. Grüne, gelbe oder rote Flächen geben Hinweise für die Schadensbewertung. Die Anwendungsstudie hat vielversprechende Ergebnisse geliefert und kann so auch zu einer Verschlankung der Logistik im Einsatz- und Schadensfall beitragen.

Schnelle Hilfe bei Katastrophen

Von Braunschweig geht es weiter Richtung Süden nach Oberpfaffenhofen – zum Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI). Wenn eine Katastrophe passiert – eine Überschwemmung, ein Erdbeben, eine Explosion – dann trägt das ZKI Erdbeobachtungsdaten und weitere Geodaten zusammen und erstellt daraus Lageinformationen. Sie bilden den Zustand vor, während oder nach der Katastrophe ab, damit Behörden und Hilfsorganisationen aktuelle Karten und Daten für ihre Einsätze haben. An planbaren Großereignissen ist das ZKI ebenfalls beteiligt. Dr. Monika Gähler leitet das ZKI, das zum Earth Observation Center des DLR gehört. „Satellitendaten bieten etwa bei Hochwasser einen großen Mehrwert. Wir können mit Radartechnologie durch Wolken schauen und die Hochwasserlage gut einschätzen“, sagt sie. Zusätzlich werden Luftbilder aufgenommen und wichtigen Akteuren zur Verfügung gestellt, wie im Frühsommer 2024, als Teile von Süddeutschland überschwemmt waren. Eine künstliche Intelligenz (KI) hat dabei geholfen, Schäden zu erkennen.

Ausschnitt des Donauhochwassers in Niederalteich
Das DLR-Forschungsflugzeug Dornier DO 228-212 war schon mehrfach bei Hochwassern im Einsatz, um hochauflösende Aufnahmen aus der Luft zu machen. Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Donauhochwassers in Niederalteich im Frühsommer 2024.
Credit:

DLR/Marc Puskeiler

Das ZKI entwickelt sich ständig weiter. Krisenrelevante Informationen werden mit den neuesten Sensoren und Methoden aus der Forschung sowie in Absprache mit Anwendern generiert. So findet ein enger Austausch statt, der für beide Seiten vorteilhaft ist.

In Trauen, Braunschweig und Oberpfaffenhofen zeigt sich: Die enge Verzahnung zwischen Forschung und Entwicklung bis hin zu operationellen Diensten erweist sich im DLR als eine große Stärke. Das gilt für alle Bereiche: Luftfahrt, Raumfahrt, Energie, Verkehr – und eben auch Sicherheit.

Innovationsschub für die Wehrtechnik

Generalleutnant Gert Nultsch
Credit:

Bundeswehr

Generalleutnant Gert Nultsch über das Innovationsmanagement der Bundeswehr und darüber, wie Forschungsinstitutionen dabei unterstützen können

Globale Trends, neue technologische Entwicklungen und ein sicherheitspolitisches Umfeld, das sich ändert – die Bundeswehr hat ein eigenes Innovationsmanagement, das dabei hilft, passende Antworten auf diese Veränderungen zu geben. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?

Wir bewegen uns in einem höchst dynamischen Umfeld, das ständigen Änderungen und neuen Risiken unterworfen ist. Kriege führen zu einem neuen Gefühl der Dringlichkeit innerhalb der Bundesregierung für die Bundeswehr. Es besteht eine klare Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Gleichzeitig hat die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie das Bedürfnis nach Planungssicherheit, um Investitionen zu tätigen. Wir brauchen deswegen ein kreatives, transparentes und verlässliches Innovationsmanagement, das die Bundeswehr zukunftsfest und zukunftsfähig macht. Konkret wurde im März dieses Jahres der Forschungs- und Innovationshub im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) eingerichtet. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Forschungs- und Innovationsdirektor, der den Innovationsgrad der Bundeswehr deutlich steigert – durch beschleunigte, innovative Beschaffung mit einem besseren Übergang von Forschung und Technologie zur Nutzung. Zusätzlich beziehen wir vorhandene Industriestrategien in unsere Überlegungen mit ein und setzen auf Reallabore oder die Neuerstellung einer Forschungs- und Innovationsstrategie.

Das DLR ist ein bedeutender Akteur – auch in der wehrtechnischen Forschung. Wie wichtig ist die Zusammenarbeit für die Bundeswehr?

Das DLR ist seit Jahren ein zuverlässiger und kompetenter Partner, sei es in der Beratung, beim Betrieb gemeinsamer Infrastrukturen und Einrichtungen oder in der wehrtechnischen Forschung, bei der auch andere vom BMVg anteilig grundfinanzierte Forschungszentren wie die Fraunhofer-Gesellschaft und das Deutsch-Französische Forschungsinstitut in Saint-Louis eine wichtige Rolle spielen. Mithilfe der Forschung können wir neue Technologien übergreifend analysieren und bewerten. Das trägt zur Innovationsfähigkeit der Streitkräfte bei. Das DLR schafft dabei Synergien zwischen der Sicherheits- und Verteidigungsforschung und den zivilen Forschungsbereichen Luftfahrt und Raumfahrt sowie Verkehr und Energie. Damit profitieren alle Bereiche von neuen technologischen Erkenntnissen und wissenschaftlicher Infrastruktur.

Was kann das DLR dazu beitragen, dass Bundeswehr und Bündnispartner auf die globale Dynamik in den technologischen Entwicklungen reagieren können?

In der gegenwärtigen Situation erscheinen uns vor allem drei Aspekte besonders wichtig, die wir mit dem DLR verbunden sehen: Zum Ersten liefert uns die Gesamtsystemkompetenz insbesondere im Bereich der Luft- und Raumfahrtforschung elementare Impulse für die Ressortforschung. Zum Zweiten benötigen wir einen Innovationsschub in Bereichen, die im Zuge der Zeitenwende wieder an Bedeutung gewonnen haben. Dabei bauen wir auf Erfahrungen und Kompetenzen des DLR. Drittens werden wir einige Technologien nur gemeinsam mit unseren Partnern in Europa oder der NATO zu Fähigkeiten entwickeln können. Die langjährigen Kooperationen und das etablierte Netzwerk des DLR in Wissenschaft, Forschung und Industrie, sowohl auf europäischer als auch auf transatlantischer Ebene, werden jetzt umso mehr gefragt sein.

Ein Beitrag von Katja Lenz aus dem DLRmagazin 176

Weiterführende Links

Kontakt

Redaktion DLRmagazin

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln