Artikel aus dem DLRmagazin 176: Jamming und Spoofing – wenn Stör- und Tauchsignale die Navigation beeinträchtigen

Nicht stören!

Das Schiff Baltic Taucher II
Das DLR testet neu entwickelte Empfangssysteme und Verfahren zur Störunterdrückung unter realen Bedingungen beispielsweise mithilfe der Baltic Taucher in der Ostsee.

Immer wieder hören wir Meldungen darüber, dass die Satellitennavigation von Luft- und Schiffsverkehr gezielt gestört wird. Insbesondere in der Nähe verschiedener Krisenregionen kommt es zunehmend zu solchen Vorfällen, die schlimmstenfalls bordeigene Navigationsgeräte lahmlegen können. Mit gefälschten Signalen lassen sich Schiffe und Flugzeuge sogar auf Abwege bringen. Das DLR untersucht schon seit vielen Jahren dieses sogenannte Jamming und Spoofing. Was es mit diesen Störungen auf sich hat und welche Gegenmaßnahmen es gibt, erläutert dieser Artikel.

Es ist ein ruhiger Morgen auf der Ostsee. Ein Schiff fährt in Richtung Hiddensee und nähert sich dabei von achtern einem ankernden Schiff. Plötzlich ertönen an Bord mehrere Warnsignale, die darauf aufmerksam machen, dass etwas Ungewöhnliches passiert. Die Navigationsgeräte zeigen zeitweise keine oder eine falsche Position. Jetzt steht der Schiffsführer vor einer schwierigen Aufgabe, denn er muss in kürzester Zeit die Gefahr einschätzen können und die richtigen Entscheidungen treffen …

Was ist was? Jamming und Spoofing

Installation einer Galant- Antenne auf einem Schiff
Die Antennen des Galant-Systems sind so geformt, dass sie Störsignale räumlich ausblenden können.

Dieses Schiff wurde Opfer eines kombinierten Jamming- und Spoofing-Angriffs. Beim Jamming werden die Signale der globalen Satellitennavigationssysteme (englisch: Global Navigation Satellite Systems, GNSS) von einem Störsignal überlagert. Das führt dazu, dass ein handelsüblicher Navigationsempfänger sie nicht mehr empfangen und keine Position ermitteln kann. Technisch sind solche Störungen einfach zu realisieren. Da Navigationssatelliten mehr als 20.000 Kilometer von der Erde entfernt sind, sind GNSS-Signale recht schwach. Für kleine, tragbare Jammer ist es daher leicht, diese Signale im Umkreis von einigen Kilometern zu blockieren. Obwohl Vertrieb und Nutzung solcher Geräte verboten sind, werden sie regelmäßig von Polizei und Zoll beschlagnahmt. Bei großflächigen Störungen kommen allerdings leistungsstarke Anlagen zum Einsatz, die nicht einfach im Handel erhältlich sind und mutmaßlich von staatlichen Akteuren eingesetzt werden. Anders als beim Jamming werden beim Spoofing Täuschsignale abgestrahlt, die für den Empfänger wie echte Satellitensignale aussehen, aber zu einer falschen Positions- und Zeitbestimmung führen. Ein solcher Angriff ist technisch deutlich anspruchsvoller.

Weder Jamming noch Spoofing sind neue Phänomene. Vor allem Jamming lässt sich seit geraumer Zeit im Umfeld von Krisenregionen beobachten. Aktuell registrieren die Expertinnen und Expertinnen starke Beeinträchtigungen des GNSS-Empfangs im Ostseeraum. Die Intensität von Spoofing-Zwischenfällen nimmt besonders im östlichen Mittelmeerraum zu.

Robuste Empfänger

Sendeantenne auf Helgoland
Die Sendeantenne strahlt die R-Mode-Signale in den Nord- und Ostseeraum.

Am DLR werden GNSS-Empfänger entwickelt, die Jamming und Spoofing erkennen und unterdrücken können. Sie besitzen digital steuerbare Antennen. So können sie die Einfallsrichtung des Signals präzise erkennen, Störer unterdrücken und die Echtheit von Signalen verifizieren. Solche robusten Empfänger können sowohl verschiedene Verkehrsträger als auch Referenzbodenstationen absichern und widerstandsfähiger machen. Im Technologietransferprojekt InVo entwickeln die Forschenden ein Gerät, das konventionellen GNSS-Empfängern vorgeschaltet werden kann, um diese Fähigkeit in bestehenden Systemen nachzurüsten. Dieses System steht kurz vor der Produktreife.

Multisensorik

Anwendungen, bei denen im Ernstfall wertvolle Güter oder gar Menschenleben von der korrekten Positionsinformation abhängen, erfordern eine besondere Zuverlässigkeit der Navigationssysteme. Dies ist beispielsweise bei automatischen Landungen von Flugzeugen unter Schlechtwetterbedingungen oder dem autonomen Fahren der Fall. Um die nötige Zuverlässigkeit zu erreichen, werden Messdaten verschiedener Sensoren wie Trägheitssensoren oder Kameras gemeinsam mit GNSS-Daten ausgewertet und verknüpft. Durch solche Multi-Sensor-Lösungen werden die Vorteile verschiedenartiger Sensoren vereint, die Nachteile einzelner Sensoren unterdrückt und Sicherheit durch Redundanz geschaffen. Die Forschenden berücksichtigen dazu die Fehlereigenschaften der Sensoren im Datenfusionsprozess, um möglichst zuverlässige Positionsinformationen abzuleiten. Neuartige im DLR entwickelte Sensoren auf Basis der Quantentechnologie werden dabei ebenso berücksichtigt wie klassische Sensoren.

Forschung zu Land, auf dem Wasser und in der Luft

Das DLR-Institut für Kommunikation und Navigation in Oberpfaffenhofen und Neustrelitz beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Jamming und Spoofing. Beide Arten von Störsignalen können entdeckt werden. Dazu analysieren die DLR-Forschenden die empfangenen Signale im Detail und setzen spezielle Empfangssysteme ein, die es erlauben, die Einfallsrichtung von Störungen zu detektieren.

Drohne im Einsatz
Drohnen stützen sich zur Positionierung häufig auf GNSS. Auch sie sind daher von den Störungen durch Jamming und Spoofing betroffen.

Die Forschenden waren diesen Störungen in den letzten Jahren bereits rund um die Erde auf der Spur, zum Beispiel auf einem weltweit verkehrenden Handelsschiff, mit einem DLR-Forschungsflugzeug im östlichen Mittelmeer und zuletzt auch an Bord von Schiffen auf der Ostsee, um reale Jamming- und Spoofing-Attacken zu detektieren.

Ist die Störung einmal entdeckt, kann sie analysiert werden. Dabei interessiert die DLR-Forschenden insbesondere, welche Systeme und Sendefrequenzen betroffen sind und welche Struktur die Störsignale haben. Ziel ihrer Arbeit ist es, wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Das sind beispielweise stör- und täuschsichere GNSS-Empfänger (siehe Infokasten „Robuste Empfänger“) oder Back-up-Systeme für Positionierung, Navigation und Timing für die Luft- und Schifffahrt (siehe Infokasten „Alternative Navigationssysteme“). Diese Systeme können im Krisenfall als Rückfalloption dienen.

Alternative Navigationssysteme für Schiffe und Flugzeuge

Das DLR-Forschungsflugzeug Falcon
Mit der Dassault Falcon 20E-5 wurde zukünftiger digitaler, terrestrischer Flugfunk erprobt.

Als Back-up zu globalen Satellitennavigationssystemen (GNSS) entwickelt das DLR zusammen mit internationalen Beteiligten aus behördlichen Einrichtungen, Forschung und Industrie das System R-Mode und betreibt in der Ostsee ein entsprechendes Testfeld. R-Mode ist als ein maritimes Alternativsystem für GNSS konzipiert, das bei Ausfällen oder lokalen Störungen Navigationsinformationen liefert. R-Mode kann aber auch dazu genutzt werden, Situationen zu erkennen, in denen GNSS eine falsche Position liefern. Ein Vorteil gegenüber anderen GNSS-Alternativen ist, dass die Forschenden auf bestehende maritime Infrastruktur zurückgreifen. Sie nutzen sowohl vorhandene GNSS-Referenzstationen als auch Basisstationen, die auf dem in der Schifffahrt eingesetzten Funksystem AIS (Automatisches Identifikationssystem) beruhen. Diese modifizierten sie so, dass sie zusätzliche Signale abstrahlen, die von entsprechend ausgestatteten Empfängern verwendet werden können. Seit 2022 steht das R-Mode-Versuchsfeld Interessierten für ihre Erprobungen bereit.

Für die Luftfahrt führt das DLR-Institut für Kommunikation und Navigation derzeit die internationale Standardisierungsgruppe des L-band Digital Aeronautical Communications System (LDACS). Es ist der kommende Standard für den digitalen, terrestrischen Flugfunk, denn aktuell wird ein Großteil des Luftverkehrsmanagements noch über analogen Sprechfunk abgewickelt. Für LDACS haben die Forschenden auch Lösungen entwickelt und in Flugversuchen, beispielsweise mit dem DLR-Forschungsflugzeug Falcon, erprobt. Diese werden es ermöglichen auf Basis dieser Funksignale zu navigieren. Dieses als LDACS-NAV bezeichnete Verfahren wird derzeit gemeinsam mit der Industrie im Rahmen des europäischen SESAR-Programms (Single European Sky ATM Research Programme) in Richtung Produktreife vorangetrieben und soll künftig als Back-up-System für die Navigation in der Luftfahrt dienen.

Simulation von Stör- und Täuschversuchen zu Forschungszwecken

Bevor diese Technologien zur Anwendung kommen, müssen sie umfassend getestet werden. Das geschieht beispielsweise am nationalen Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme, einem Forschungsflughafen des DLR bei Cochstedt, Magdeburg. Hier können die DLR-Forschenden in einem kontrollierten Rahmen GNSS-Stör- und -Täuschungsversuche durchführen. 2023 erprobten sie erfolgreich ein im DLR entwickeltes cyber-sicheres GNSS-basiertes Landesystem und zeigten, dass es immun gegen gezielte Störversuche war. Darüber hinaus untersuchen sie vor allem Drohnen, denn auch diese können von Jamming und Spoofing betroffen sein.

Systemtest in Cochstedt
Im Projekt CySNAB wird das Konzept eines cybersicheren automatisierten Landesystems (GBAS) entwickelt. In Cochstedt wurde das Gesamtsystem getestet. Anlagen im Bus sandten Störsignale – die störsicheren Antennen im Flugzeug und im Bodensegment ließen das Flugzeug trotzdem sicher landen.

Vor der Küste der Halbinsel Darß in der Ostsee betreibt das Institut in Kooperation mit der Bundesnetzagentur das erste maritime Testgebiet zur Untersuchung der Auswirkungen von Jamming- und Spoofing-Attacken. Darüber hinaus ist das DLR in verschiedenen Gremien vertreten. Dort werden technische Abstimmungen sowie Arbeiten zur Standardisierung von Systemen durchgeführt. Mit beteiligt daran sind die Deutsche Flugsicherung, die Europäische Luftfahrtorganisation Eurocontrol, die European Organization for Civil Aviation Equipment (EUROCAE), die International Association of Marine Aids to Navigation and Lighthouse Authorities (IALA), die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) sowie zahlreiche weitere Betroffene.

Installation einer GNSS-Antenne
Für das Projekt MOSAiC installierten Forschende eine GNSS-Antenne auf einem Forschungsschiff für Messungen im Nordpolarmeer.

Noch einmal zurück zu dem Schiff auf dem Weg nach Hiddensee: In diesem Fall war die Crew zum Glück vorbereitet, denn das Szenario war Teil eines Experiments des DLR, das die Auswirkungen von Jamming und Spoofing untersuchte. Die Daten aus den Versuchen nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um ihr selbst entwickeltes Antennensystem so zu verbessern, dass es unempfindlich gegen solche Attacken ist.

Gefahr gebannt?

Dr. Florian David
Leiter des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation

Dr. Florian David leitet das DLR-Institut für Kommunikation und Navigation. Dort wird intensiv an Störungen von Navigationssignalen und an entsprechenden Gegenmaßnahmen geforscht.

Wie gefährlich können Jamming und Spoofing sein?

Durch Jamming und Spoofing können Systeme und Anwendungen beeinträchtigt werden, die globale Satellitennavigationssysteme (GNSS) zur Positionsbestimmung nutzen. Dazu gehören neben vielen Anwendungen in Luftfahrt, Schifffahrt und Verkehr auch Bereiche wie Logistik, Landwirtschaft oder Tourismus. GNSS-Signale sind präzise Zeitsignale, die auch zur Synchronisierung von Systemen eingesetzt werden, zum Beispiel in Telekommunikations- und Stromnetzen oder im Finanzsystem. Auch hier sind grundsätzlich Angriffe denkbar und es könnten dadurch hohe wirtschaftliche Schäden entstehen. Gerade sicherheitskritische Systeme nutzen aber in der Regel mehrere Sensoren zur Positionsbestimmung, sodass bis heute noch keine gravierenden Schadensfälle bekannt sind. Aber natürlich sollten wir uns deshalb nicht zurücklehnen, sondern weiter an Gegenmaßnahmen arbeiten. Gerade mit Blick auf die zunehmende Automatisierung, beispielsweise im Mobilitätssektor, müssen wir auf Störungen vorbereitet sein und entsprechende Lösungen anbieten.

Welchen Beitrag kann das DLR hier leisten?

Wir beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit dieser Thematik und haben ein entsprechend großes Know-how im Bereich der Satellitennavigation. Das gilt für die Systeme selbst, aber auch für die Anwendungen in den Bereichen Luftfahrt, Verkehr und Schifffahrt. Außerdem stehen uns mit den Testfeldern in der Ostsee, dem Flughafen Cochstedt sowie unseren Forschungsflugzeugen und -booten hervorragende Infrastrukturen für Versuche und Tests zur Verfügung. Lösungen, die wir hier am Institut entwickelt haben, erreichen bereits einen hohen Reifegrad und können in den kommenden Jahren eingeführt werden. Gemeinsam mit vielen anderen arbeiten wir in zahlreichen Experten- und Standardisierungsgremien daran, solche Lösungen in den verschiedenen Anwendungsdomänen zu verankern und dortin der Praxis nutzbar zu machen.

Können wir uns auch künftig auf Satellitennavigation verlassen?

Aspekte der Resilienz und Zuverlässigkeit rücken heute wesentlich stärker in den Fokus. Redundanzen oder spezielle Schutzmaßnahmen spielen daher eine zunehmend wichtige Rolle bei der Entwicklung künftiger Systeme. Zudem greift es zu kurz, nur auf die Satellitennavigation allein zu schauen. Wir müssen die Navigation ganzheitlich betrachten und eine Vielzahl verfügbarer Sensoren so kombinieren, dass eine jederzeit verfügbare und verlässliche Positionierung möglich wird. Quantensensoren, wie sie heute bereits am DLR entwickelt werden, könnten dabei künftig eine wesentliche Rolle spielen. Wir arbeiten eng mit den entsprechenden Instituten zusammen, um diese Sensoren in unsere Lösungen zu integrieren. So können wir als DLR mit unserer Forschung dazu beitragen, dass auch in Zukunft eine leistungsfähige und sichere Navigation möglich ist.

Ein Artikel von Julia Heil aus dem DLRmagazin 176

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