Stoff für die nachhaltige Raumfahrt
Sie sind erst seit ein paar Monaten am Markt. Aber hinter ihrem jungen Unternehmen steht ein ganzes Jahrzehnt erfolgreiche Forschung im DLR: Dr. Lukas Werling und Felix Lauck wollen mit ihrem Start-up InSpacePropulsion Technologies die Antriebe für Raumfahrzeuge nachhaltiger machen, die Kosten senken und giftige Treibstoffe ersetzen. Wenn alles läuft wie geplant, wird ein von ihnen entwickeltes Antriebssystem im nächsten Jahr im All erprobt.
Von der Raumfahrt begeistert waren Felix Lauck und Lukas Werling eigentlich schon immer: Es begann mit Spielzeug-Raumschiffen, mit Groschenheften über Weltraumhelden und mit Sternegucken im Astronomieverein. „Ende der 1990er hat dort jemand vom DLR einen Vortrag über die Ariane 5 gehalten. Seitdem weiß ich, dass Raketentriebwerke sehr anspruchsvoll sind“, sagt Felix Lauck. „Wirklich alles, was ich als Kind gebaut habe, hatte irgendwie mit Raumfahrt zu tun“, erinnert sich Lukas Werling. Und jetzt, mit Mitte 30? Sie sind ihren Interessen treu geblieben und haben ihr eigenes Unternehmen gegründet: InSpacePropulsion Technologies.
Traditionell wird für Raumfahrzeuge der Treibstoff Hydrazin verwendet, eine chemische Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff. Hydrazin ist leistungsfähig und zuverlässig, aber sehr giftig. Wer mit Hydrazin arbeitet, trägt einen Vollschutzanzug mit eigener Luftversorgung. Das macht das Betanken nicht nur teuer, sondern auch kompliziert.
Felix Lauck und Lukas Werling forschen im DLR-Institut für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen seit 2016 gemeinsam an Alternativen zum Hydrazin. Die neuen Treibstoffe sollten ungiftig sein, leichter zu handhaben und einfacher zu testen. In der Raumfahrtbranche spricht man hier von „grünen Treibstoffen“. Lukas Werling hat die HyNOxTechnologie entwickelt. HyNOx besteht aus Lachgas und Ethan. HyNOx wurde tausendfach an den DLR-Prüfständen in Lampoldshausen getestet und verbessert. „Der Treibstoff eignet sich besonders für kleinere Raumfahrzeuge, zum Beispiel CubeSats“, erklärt Lukas Werling. Die Kleinsatelliten haben oft nur die Größe eines Schuhkartons.
In der Doktorarbeit von Felix Lauck geht es um HIP_11, einen zweiten neuen Treibstoff neben HyNOx. HIP_11 wurde vom DLR patentiert und passt zu größeren Raumfahrzeugen wie Kapseln oder Landern. Bei HIP_11 reagieren Wasserstoffperoxid und flüssiges Salz miteinander. HIP_11 zündet, sobald die Stoffe miteinander in Kontakt kommen. Diese Eigenschaft heißt „hypergol“. Auch Hydrazin reagiert mit bestimmen Stoffen hypergol. Der Name HIP_11 steht für „Hypergolic Ionic Liquid Propellant developed at M11“. „Meine Doktorarbeit ist fast abgeschlossen und demnächst wird HIP_11 wirklich ins All fliegen. Das ist etwas Besonderes“, sagt Felix Lauck.
Missionsstart mit australischer Universität
Der Weg ins All ist eine Hürde, die InSpacePropulsion Technologies noch nehmen muss. „Die meisten Kunden verlangen eine In-Orbit-Demonstration“, sagt Lukas Werling. Die Fähigkeiten müssen schon erfolgreich im All gezeigt worden sein. Hier ergab sich ein Kontakt zu einer australischen Universität, die Missionen mit einem CubeSat plant. Man kam ins Geschäft. InSpacePropulsion Technologies liefert nicht nur die Treibstoffe, sondern das komplette Portfolio: HyNOx, die passenden Triebwerke aus dem 3D-Drucker, Tanks, Elektronik, Ventile, Schnittstellen. Schon im nächsten Jahr könnte der CubeSat starten. Beim Kleinsatelliten-Nutzlastwettbewerb der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR hat InSpacePropulsion Technologies außerdem einen Mitflug auf einem Kleinsatelliten gewonnen.
Von der Forschung zur Anwendung
Wie wurden die beiden Wissenschaftler zu Unternehmern? „Im New-Space-Bereich, also bei der Kommerzialisierung der Raumfahrt, tut sich gerade sehr viel. Unsere grünen Treibstoffe können dabei eine wichtige Rolle spielen und wir bieten gleichzeitig die passenden Triebwerke an“, erklärt Lukas Werling. „Nach Jahren mit Forschung und Entwicklung will man die Technologie auch fliegen sehen.“
Der Transfer von der Forschung in die Anwendung ist ein zentrales Element des DLR. Ausgründungen wie InSpacePropulsion Technologies zeigen dies eindrucksvoll.
Forschende, die ihre Ideen kommerzialisieren wollen, werden im DLR gefördert. Die DLR_Startup Factory unterstützt sie im gesamten Gründungsprozess. Das DLR bringt als Forschungseinrichtung selbst keine Produkte auf den Markt, sondern entwickelt Technologien bis zu einem gewissen Reifegrad – im Prinzip so weit, dass zum Beispiel ein Industrieunternehmen die Technologie übernehmen kann. Oder Mitarbeitende gründen selbst ein Unternehmen. So war es auch bei InSpacePropulsion Technologies. „Der Transfer von der Forschung in die Anwendung ist ein zentrales Element des DLR. Ausgründungen wie InSpacePropulsion Technologies zeigen dies eindrucksvoll“, unterstreicht Prof. Karsten Lemmer, DLR-Vorstandsmitglied und verantwortlich für Innovation, Transfer und wissenschaftliche Infrastrukturen. Es sei wichtig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine spätere industrielle Nutzung ihrer Forschung von Anfang an mitdenken. Dass es sich lohnt, zeigen die Zahlen: „Unsere Ausgründungen sind erfolgreich: Rund 90 Prozent von ihnen behaupten sich langfristig am Markt, was ein sehr hoher Anteil ist“, sagt Karsten Lemmer.
Plötzlich Unternehmer
Lukas Werling und Felix Lauck haben mit Unterstützung aus dem DLR und dem Helmholtz-Enterprise-Programm Marktpotenziale analysiert, ihre Geschäftsidee geschärft und den Gründungsprozess durchlaufen. Sie präsentieren auf Messen und pitchen bei potenziellen Kunden. „Wir sind dankbar für die Starthilfe, die wir aus dem Institut für Raumfahrtantriebe und aus anderen Bereichen bekommen haben“, sagen die Gründer, die gerade ganz schön viel zu tun haben.
Ein Beitrag von Katja Lenz aus dem DLRmagazin 175