Von Babylon zu Breitband
Viele halten eine sofortige und uneingeschränkte Kommunikation für selbstverständlich, aber die Art der Kommunikation ändert sich ständig, im Laufe der Zeit und auf der ganzen Welt. Das Frankfurter Museum für Kommunikation zeigt Besucherinnen und Besuchern, wie Kommunikation Technik und Gesellschaft miteinander verbindet und dass die Menschheit seit Jahrtausenden immer wieder vor denselben Herausforderungen steht.
Die Geschichte der Kommunikation handelt davon, wer sprechen darf, was diese Person sagen darf und wer zuhören darf. Es ist die Geschichte neuer Technologien und neuer Nutzender – von dem Codex Hammurabi bis zu Gutenbergs Druckerpresse, von Marconis Radio bis zum Telekommunikationssatelliten Telstar 1. Es ist auch die Geschichte zunehmender Effizienz und Geschwindigkeit – und unseres Versuchs, mit weniger mehr zu sagen und dies schneller als je zuvor. Ideen wurden zu 1.700 Hieroglyphen, diese zu zwei Dutzend Buchstaben und jene wiederum zu Bytes und Radiowellen. Jede neue Technologie erfordert neue Fähigkeiten, die ihre Wirksamkeit steigert, von Hard Skills wie Alphabetisierung und digitaler Kompetenz bis hin zu Soft Skills wie poetischer Sprache oder Überzeugungskunst.
Die Exponate im Frankfurter Museum für Kommunikation sind nicht nur Zeugnisse davon, wie Zeitgenossen miteinander kommunizierten. Der Frankfurter Brieffund – eine Sammlung lokaler Briefe aus dem 16. Jahrhundert – ist ein Fenster zur Vergangenheit, Akte der Kommunikation über die Zeit hinweg. Während wir die Art und Weise, wie wir uns ein Bild von uns selbst machen und es der Außenwelt präsentieren, als ein Phänomen moderner sozialer Medien betrachten, zeigen diese Briefe, zusammen mit Liebesbriefen von Goethe und Kafka sowie Telegrammen von Titanic-Passagieren, die ebenfalls im Museum ausgestellt sind, dass das Ringen um die Kontrolle darüber, wie die Welt uns, unsere Gedanken, Gefühle, Ängste und Wünsche wahrnimmt, nicht so neu ist, wie es uns scheint.
Märkte und Monopole
Eine weitverbreitete Angst im Zusammenhang mit sozialen Medien ist die vor dem Monopol – dass eine kleine Anzahl von Unternehmen zu viel Kontrolle über die Infrastruktur erlangen könnte, die wir zur Kommunikation nutzen. Aber auch das ist alles andere als ein neues Phänomen. In den frühen 1900er Jahren hatte das Vereinigte Königreich ein faktisches Monopol auf Unterseekabel, die zur Kommunikation über den Atlantik verwendet wurden, während die Deutsche Bundespost bis 1990 ein Monopol auf Haustelefone in (West-)Deutschland besaß.
Das Museum macht deutlich, dass die neuen Kommunikationstechnologien sowohl das Beste als auch das Schlechteste in uns zu verstärken scheinen. Der einzige Trend scheint darin zu bestehen, dass die Technologien in unserem Alltag an Bedeutung gewinnen. Je mehr die Kommunikation zensiert wird, desto mehr Menschen rebellieren; je stärker ein Monopol wird, desto mehr Menschen verlegen sich auf Piraterie. Die Deutschen umgingen das Monopol der Bundespost auf Telefonapparate, indem sie illegale ausländische Modelle kauften und ins Land schmuggelten, während die Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion ihre Freiheit auf ihren „Knochen“ demonstrierten, indem sie Schallplatten mit verbotenen Volksliedern und Hits von Elvis Presley auf gebrauchte medizinische Röntgenfilme ritzten. Die Aufnahmen kann man sich im Museum anhören.
Vertrauen und Geschäfte
Wie eine Elvis-Platte in einem sowjetischen Untergrund-Musikclub scheinen auch wir in der Wiederholung stecken geblieben zu sein. Das Internet mag der aktuelle Höhepunkt unseres Bedürfnisses sein, mehr und schneller zu kommunizieren, aber es bringt auch uralte Herausforderungen und Bedenken in Bezug auf Vertrauen, Privatsphäre, Freiheit, Sicherheit, Kontrolle und Monopole mit ins digitale Zeitalter. Auch Datenschutz und Fake News sind keine neuen Probleme: Volkszählungsdaten über „Rassen“ wurden vom nationalsozialistischen Regime in Deutschland gesammelt und verwendet, und Sendungen, die den nicht ganz wahrheitsgemäßen Erfolg der jüngsten Kriegsanstrengungen verkündeten, sind so alt wie das Radio selbst.
Die Geschichte geht weiter
Dabei ist das Museum selbst eine beeindruckende Leistung der Kommunikation. Hier wird Geschichte durch eine Kombination aus zweisprachigen schriftlichen Inhalten, Bildern, Modellen, akustischen Beispielen, Demonstrationen, Antiquitäten, Anekdoten und Spielen lebendig. Es bietet Aktivitäten für Kinder und Erwachsene. Die freundlichen und sachkundigen Mitarbeitenden stehen für Führungen zur Verfügung, doch es steht den Gästen frei, sich auf eigene Faust durch das Haus zu bewegen. Denjenigen, die sich für einen eigenen Rundgang entscheiden, würde es allerdings helfen, wenn die chronologische Reihenfolge der Exponate im Museum klarer angegeben wäre.
Den Abschluss bildet eine Dauerausstellung mit 21 Videobotschaften von Expertinnen und Experten zu verschiedenen Themen: Werden wir in Zukunft unsere Privatsphäre kaufen müssen? Wie werden wir in 30 Jahren kommunizieren? Wie sieht die Zukunft der Mensch-Maschine-Interaktion aus? Werden Virtual-Reality-Arbeitsplätze im Zeitalter der zunehmenden Fernarbeit alltäglich werden? Die wunderbaren und besorgniserregenden Möglichkeiten für die Zukunft regen auf dem Heimweg zum Nachdenken an.
Genau wie der Frankfurter Brieffund werden diese Videobotschaften vielleicht in Jahrhunderten ihren Weg zurück ins Museum finden. Zukünftige Besucherinnen und Besucher werden dann lernen, wie wir im 21. Jahrhundert kommuniziert haben, und mehr erfahren über unsere Hoffnungen und Ängste. Vielleicht werden sie sogar innehalten und darüber nachdenken, ob sie selbst immer noch vor den Herausforderungen stehen, die wir von Babylon bis zum Breitband meistern mussten.
Museum für Kommunikation Frankfurt
Adresse:
Schaumainkai 53,
60596 Frankfurt am Main
Telefon:
069 6060-0
Preise:
Erwachsene: 6 €
Ermäßigter Eintritt: 4 €
Kinder, Jugendliche: 1,50 €
Kinder bis 5 Jahre: frei
Öffnungszeiten:
Di. bis So. 11-18 Uhr
Mi. 10-20 Uhr
mfk-frankfurt.de
Ein Beitrag von Joshua Tapley aus dem DLRmagazin 171