Artikel aus DLRmagazin 171: Eine Kombination von Fernerkundungsdaten bringt neue Erkenntnisse zur Struktur von Wäldern

Tief in den Wald geschaut

Das Amazonas-Gebiet in den Augen von TanDEM-X
Aus den TanDEM-X-Messungen berechneten die DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler die Dichte dieses Waldgebiets über dem Amazonas. Die Karte hat eine Auflösung von 100 Metern.

Wälder sind gigantische Kohlenstoffspeicher: Die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlenstoffs ist in ihnen gespeichert. Außerdem steuern sie den Wasser- und Kohlendioxidtransport zwischen dem Boden und der Atmosphäre. Dementsprechend wichtig ist ihre Rolle bei der Eindämmung des Klimawandels. Doch die Veränderung von Temperatur und Niederschlag und die Verschärfung von Wetterextremen stellen eine große Gefahr für den Wald und seine Funktion dar. Deshalb ist es wichtig zu wissen, in welchem Zustand sich die Wälder der Erde befinden und wie sich ihre Struktur verändert. Um dies zu erforschen, kombinierten DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler Daten von Fernerkundungsmissionen. Aber das ist noch nicht alles: Eine zukünftige Satellitenmission könnte die Waldstruktur und deren Veränderung über die Zeit in bisher nicht dagewesener Qualität darstellen.

Die Struktur von Wäldern mit Satelliten zu vermessen, ist eine Herausforderung, denn sie bestehen aus komplexen 3D-Mustern. Diese sind das Ergebnis von natürlichen, klimatischen und anthropogenen Prozessen. Dementsprechend können die allermeisten Fernerkundungsdaten keine zuverlässigen Aussagen über wichtige Parameter wie Baumarten, Bestandshöhe oder Biomasse geben.

Zwillingssatelliten charakterisieren die Wälder der Welt

Die erste Mission, die Elemente der vertikalen Waldstruktur erfassen konnte, war die deutsche TanDEM-X-Mission. Sie besteht aus zwei in Formation fliegenden X-Band-SAR-Satelliten und kartiert seit 2010 die Erde. TanDEM-X nutzt interferometrische und tomografische SARMessungen („Synthetic Aperture Radar“, Radar mit synthetischer Apertur). Mit ihren Daten erhielten die Forscherinnen und Forscher erstmals einen Eindruck von dem Potenzial, das die 3D-Waldstruktur zur Charakterisierung des Waldes bietet.

Wenn Radarwellen, also Mikrowellen, in den Wald eindringen, kommt es zu einer komplexen Wechselwirkung. Deshalb entwickelten die DLR-Forscherinnen und -Forscher ein physikalisches Modell, das diese komplizierte Wechselwirkung berechenbar macht. Mithilfe des Modells können sie relevante Waldstrukturparameter aus den Radarmessungen bestimmen, selbst wenn diese nicht direkt gemessen werden können. Im Fall von TanDEM-X ist jedoch die Anzahl der Radarmessungen nicht ausreichend, da weniger Informationen vorliegen, als zur Bestimmung der Waldstrukturparameter des Modells nötig sind.

Um dieses Problem zu umgehen, nutzten die Forschenden die Messungen der GEDI-Mission. GEDI steht für Global Ecosystem Dynamics Investigation und ist eine Mission der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Sie besteht aus einem Wellenform-Lidar an Bord der Internationalen Raumstation ISS. GEDI ging Ende 2018 in Betrieb und lieferte bis heute mehr als zehn Milliarden Lidar-Wellenformen entlang seiner festgelegten Bodenspur (zwischen 51,6° N und 51,6° S). Kombiniert man die interferometrischen TanDEMX-Messungen mit GEDIs Lidar-Wellenformen, kann man großflächige, kontinuierliche Waldhöhen- und Walddichtekarten erstellen.

Auch wenn das Ergebnis der Kombination von TanDEM-X- und GEDI-Daten beeindruckend ist, handelt es sich um ein Demonstrationsprodukt, das das Potenzial interferometrischer und tomografischer SAR-Konfigurationen für die Kartierung der 3D-Waldstruktur lediglich andeutet. Weil die XBand-Messungen der TanDEM-Satelliten nicht unbegrenzt tief in das Blattwerk der Bäume vordringen können, ist die Bestimmung von Waldhöhen in dichten Waldbeständen oft ungenau. Darüber hinaus hat TanDEM-X nur eine begrenzte Aufnahmekapazität, weshalb mit den Daten der Zwillingssatelliten keine Zeitserien erstellt werden können. Erschwerend kommt hinzu, dass die begrenzte räumliche Abdeckung der GEDI-Daten Messungen nur an wenigen Punkten und zu unterschiedlichen Zeiten erlaubt. Dies alles schränkt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein, wenn sie die zeitliche Veränderung der Waldstruktur messen möchten.

Tandem-L könnte tief ins Innere von Wäldern blicken

Erst das geplante Satellitenduo Tandem-L könnte in der Lage sein, die räumliche und zeitliche Variation der 3D-Waldstruktur mit einer noch nie dagewesenen Genauigkeit und Auflösung zu messen. Tandem-L ist ein Vorschlag des DLR für eine Radarmission und wäre die weltweit erste Mission, die mit der innovativen Technik der Tomografie global 3D-Strukturmessungen von Wäldern durchführen kann. Grundlage der 3D-Abbildung der Waldstruktur ist die vom DLR entwickelte Technik der polarimetrischen SAR-Tomografie. Diese kann den Zustand des globalen Walds und seine Veränderung erfassen und dokumentieren. Auf Basis der rekonstruierten 3D-Waldstruktur können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann ökologische Wachstumsmodelle erstellen, die Aussagen über die Biomasse und Produktivität der Wälder erlauben. Darüber hinaus könnte Tandem-L moderne Aspekte der Waldökologie und Klimamodellierung – weit über Biomasse und Produktivität hinaus – direkt mit Fernerkundungsmessungen verbinden und dadurch die globale Wald- und Klimaforschung nachhaltig verändern.

Ein Beitrag von Dr. Konstantinos Papathanassiou aus dem DLRmagazin 171

Kontakte

Dr. Konstantinos Papathanassiou

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme
Radarkonzepte
Münchener Straße 20, 82234 Weßling

Julia Heil

Redaktion DLRmagazin
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation und Presse
Linder Höhe, 51147 Köln