Die großen Jupitermonde (Galileische Monde)
Derzeit sind 92 Monde bekannt, die Jupiter umrunden. Die vier größten – Io, Europa, Ganymed und Callisto – wurden 1610 von Galileo Galilei entdeckt, als er das erste Fernrohr in der Geschichte der Astronomie kurz hintereinander auf den Mond, die Venus und den Planeten Jupiter richtete. Sie werden ihm zu Ehren „Galileische“ Monde genannt. Galilei erkannte, dass es Trabanten gibt, die, wie der Mond der Erde, um einen anderen Planeten des Sonnensystems kreisen. Dies bestärkte ihn in der Ansicht, dass die zuvor von Nikolaus Kopernikus veröffentlichte Behauptung korrekt ist, der zur Folge nicht die Erde im Zentrum des damals bekannten näheren Universums stünde, sondern die Sonne.
Daten zu den Galileischen Jupitermonden
Io | Europa | Ganymed | Callisto | |
---|---|---|---|---|
Masse (in Kilogramm) | 8,94 x 1.022 | 4,88 x 1.022 | 14,82 x 1.022 | 10,76 x 1.022 |
Radius (in Kilometern) | 1.821,6 | 1.560,8 | 2.631,2 | 2.410,3 |
Dichte (in Kilogramm pro Kubikmeter) | 3.528 | 3.013 | 1.942 | 1.834 |
Orbitalperiode (in Tagen) | 1,76 | 3,55 | 7,16 | 16,69 |
durchschnittliche Entfernung zu Jupiter (in Kilometern) | 421.000 | 670.900 | 1.070.660 | 1.883.000 |
Io – hohe vulkanische Aktivität, keine Eiskruste
Der Jupiter am nächsten gelegene Galileische Mond: Sein Volumen, seine Größe und Dichte sind dem Erdmond ähnlich. Io umläuft Jupiter in einem Abstand von 442.000 Kilometer, das ist weniger als sechs Jupiterradien. Infolge Jupiters´ enormer Anziehungskraft entsteht durch Gezeitenwirkung Reibungswärme im Inneren von Io. Sie ist um ein Vielfaches stärker als die Wirkung „unseres“ Mondes auf die Wassermassen der Erde. Aufgrund der schwerkraftbedingten Wechselwirkung mit Jupiter sowie den Monden Europa und Ganymed, der sogenannten Laplace-Resonanz (während Ganymed Jupiter umkreist, umrundet Europa den Planeten zweimal und Io viermal), wird Io auf eine leicht elliptische Bahn gezwungen. Die Resonanz und der leicht elliptische Orbit verstärken die Gezeitenwirkung, ein Effekt, der über lange astronomische Zeiträume aufrecht erhalten bleibt. Die Folge sind Gesteinsschmelzen im Inneren eine sehr intensive vulkanische Aktivität an der Oberfläche. Io besitzt im Gegensatz zu seinen drei äußeren Nachbarn keine Eiskruste.
Während der Voyager-Vorbeiflüge 1979 und der Beobachtungen durch die Galileo- und Cassini-Sonden wurden auf Io über ein Dutzend aktive Vulkane und über einhundert vulkanische Förderzentren registriert. Vulkanischen Ursprungs sind wahrscheinlich auch einige bis zu 17 Kilometer hohe Berge sowie vulkanisch geschichtete Strukturen bis zu Höhen von 1,7 Kilometern. Io ist deshalb ein Körper, dessen Oberfläche durch die vulkanische Aktivität ständig erneuert wird. Aktive Vulkane schleudern bis zu 1.300 Grad Celsius heiße Lava mehrere hundert Kilometer hoch. Diese fällt dann großflächig auf Io zurück.
Durch die Bewegung des Mondes im starken Magnetfeld Jupiters entstehen elektrische Ströme, die große Mengen der vulkanischen Auswurfprodukte ionisieren, also ein Elektron aus der Hülle eines Atoms oder Moleküls herauslösen. Diese elektrisch geladenen Eruptionsprodukte werden zum Teil ans All abgegeben, aber auch von der Magnetosphäre Jupiters aufgenommen. Ein Teil davon wird auf der „Heckseite“ des Nachbarmondes Europa abgelagert, die auffallend dunkler ist als seine „Bugseite“. Beide Monde, wie auch die beiden größten Galileischen Monde, Ganymed und Callisto, umrunden Jupiter in einer „gebundenen Rotation“, drehen sich also während eines Umlaufs einmal um die eigene Achse, was zur Folge hat, dass jeweils eine Seite der Monde nach vorne, nach hinten, zum Jupiter und in Richtung des Weltalls weist.
Io spielt bei der JUICE-Mission zwar nicht die Hauptrolle, der Mond wird aber aus der Distanz ebenfalls mit Kamera und Spektrometern in verschiedenen Wellenlängen beobachtet. Dabei sollen neue Erkenntnisse zur Beschaffenheit der Oberfläche und der Art des Vulkanismus gewonnen und untersucht werden, welche Wechselwirkungen zwischen der vulkanischen Aktivität auf Io und der Plasmaumgebung von Jupiter bestehen.
Europa – vielversprechendes Ziel auf der Suche nachaußerirdischem Leben
Der zweite Galileische Mond und etwas kleiner als der Erdmond. Europas Oberfläche weist kaum Einschlagskrater auf und ist deshalb geologisch gesehen sehr jung. Die obersten Schichten bestehen vor allem aus Wassereis, das Gesteins- und Mineralfragmente und möglicherweise auch Salze enthält. Die Höhenunterschiede auf Europa sind gering. Dennoch zeigt die Eiskruste bemerkenswerte Strukturen: Am markantesten sind langgezogene Bergrücken, die sich zum Teil fast über ganze Hemisphären erstrecken. Die häufigsten auf Europa vorkommenden Bergrücken sind die sogenannten Doppelrücken, die aus zwei parallelen Graten von mehreren hundert Metern Höhe bestehen, zwischen denen ein zentrales Tal verläuft.
Außerdem sind Gebiete verbreitet, in denen sich einige Kilometer große Bruchstücke der Ebenen durch tektonische Kräfte mit Bergrücken auf vermutlich beweglichem Untergrund gegeneinander verschoben haben. Sie sind in eine raue, hügelige Umgebung eingebettet und werden als chaotische Gebiete bezeichnet. Sie erinnern an irdische Eisberge, die auseinandergebrochen, etwas gedriftet und im Meer festgefroren sind. Die wenigen Einschlagskrater auf Europa sind verhältnismäßig flach und kommen nur bis zu einem Durchmesser von 45 Kilometern vor.
Die Wechselwirkung von in Wasser gelösten, messbar elektrisch leitenden Salzen mit dem äußeren Magnetfeld Jupiters ist ein deutlicher Hinweis auf einen Ozean unter der minus 140 Grad kalten Kruste. Mit einer Tiefe von bis zu 170 Kilometern dürfte er die Wassermenge der irdischen Meere deutlich übertreffen. Wasser dieses potentiell existierenden Ozeans könnten in dem wie bei Io durch Gezeitenkräfte und Resonanzeffekte erhitzten Gesteinsmantel zirkulieren, dabei Minerale aus dem Gestein lösen, was zu einem vielleicht ähnlich salzigen Ozean wie auf der Erde führt. Aus diesem Grund ist Europa ein bevorzugtes Ziel bei der Suche nach potenziellen Lebensräumen von Organismen außerhalb der Erde.
Die Mission JUICE wird Europa aus der Distanz und vor allem bei zwei nahen Vorbeiflügen, bei denen die Raumsonde sich auf bis zu 400 Kilometer der Oberfläche annähern wird, genauestens untersuchen. Dabei werden unter anderem mit dem Kamerasystem JANUS, an dessen Entwicklung das DLR großen Anteil hat, Aufnahmen von großen Gebieten in hoher Auflösung entstehen, wie sie die bisherigen Missionen nicht liefern konnte.
Da der Ozean nur wenige Kilometer unter der Oberfläche vermutet wird und an manchen Stellen – den linear verlaufenden tektonischen Bruchstrukturen oder an Flächen mit besonders glatter Oberfläche – vielleicht sogar in noch geringerer Tiefe von unten an das Eis grenzt, werden die Bilder und Messungen von JUICE auf Spuren von Kryovulkanismus Untersucht. Dabei handelt es sich um vulkanische Phänomene, bei denen Eis und Wasser anstelle von geschmolzenem Gestein aus dem Inneren des Mondes auf der Oberfläche austritt und darauf abgelagert wird. Mit dem Subsurface Radar Sounder RIME wäre es bei einer Eisdicke von einigen Kilometern mit JUICE sogar möglich, die Ozean-Eis Grenze auf Europa abzubilden.
Ganymed – einziger Mond mit eigenem Magnetfeld
Der dritte Galileische Mond ist mit einem Durchmesser von 5.265 Kilometern der größte Mond unseres Sonnensystems. Ganymed hat eine niedrigere Dichte als Europa und Io. Das ist einer von mehreren Hinweisen, dass der Mond zu einem großen Teil aus Wassereis und vielleicht auch Wasser besteht, welches mehr als die Hälfte seines Volumens ausmacht. Nahe Vorbeiflüge der Galileo-Sonde bestätigten einen stark differenzierten Schalenaufbau mit einem Kern aus Eisen oder Eisensulfid, einem Gesteinsmantel und einer Eiskruste als Grenzschicht zum Weltall. Zusätzlich konnte ein Magnetfeld nachgewiesen werden, das im Kern erzeugt wird. Damit ist Ganymed der einzige Mond im Sonnensystem mit einem eigenen Magnetfeld.
Auf der Oberfläche befinden sich dunkle, kraterreiche und deshalb sehr alte Gebiete. Sie nehmen etwa ein Drittel der Oberfläche ein. Dort gibt es zahlreiche gewundene, parallel und konzentrisch verlaufende Furchen, die einige Kilometer breit sein können. Dabei handelt es sich um Überreste alter, stark abgetragener großer Ringbecken. Sie sind in der Frühzeit des Mondes durch Einschläge großer Kometen oder Asteroiden entstanden.
Zwischen den dunklen Gebieten befinden sich helle, markant durch parallel verlaufende Furchen gekennzeichnete Gebiete. Sie bedecken etwa zwei Drittel der Oberfläche und sind durch gezeitenbedingte tektonische Dehnungskräfte entstanden. Die Oberfläche der hellen Gebiete besteht überwiegend aus relativ reinem Wassereis. Die im Vergleich mit den dunklen Gebieten geringere Kraterdichte deutet auf ihr jüngeres Alter hin, das trotzdem mehrere Milliarden Jahre betragen dürfte. Die Kraterformen auf Ganymed unterscheiden sich wesentlich von Kratern auf den Oberflächen der erdähnlichen Körper mit Gesteinskruste: Schüsselförmige Krater sind am häufigsten, während Zentralberge seltener auftreten. Insgesamt sind die Krater auf Ganymed wesentlich flacher als die Mondkrater. Eine Sonderform: helle, fast kreisrunde und sehr flache Gebilde, Palimpseste genannt. Die flachere Ausbildung der Krater auf Ganymed ist auf die höhere Mobilität des Eises im Vergleich zu spröderem Gestein zurückzuführen – über längere Zeiträume ebnet sich das Profil der Krater allmählich ein.
Einige der Beobachtungen und Messungen früherer Raumsonden sowie Modellrechnungen lassen vermuten, dass auch Ganymed einen subkrustalen Ozean mit einem enormem Wasservolumen hat. Wie bei Europa scheinen in den Daten elektrisch leitende, bewegliche Ionen herauslesbar sein, die für Wechselwirkungen zwischen dem Magnetfeld Jupiters und dem sich durch dieses Magnetfeld bewegende Magnetfeld Ganymeds sorgen. Allerdings dürfte der Ozean unter Ganymeds Oberfläche in sehr viel größerer Tiefe vorhanden sein, Schätzungen gehen von etwa 70 bis zu fast 200 Kilometer Tiefe aus.
Eines der Hauptziele der JUICE-Mission ist es, im letzten Missionsabschnitt diesen Ozean durch die Beobachtungen aus einer engen Umlaufbahn um Ganymed nachzuweisen. Dabei spielt das Experiment GALA, das vom DLR beigestellt wird, eine bedeutende Rolle. Das Ganymed Laser Altimeter wird mit seinen hochgenauen topographischen Messungen zeigen, ob sich die Kruste beim Umlauf um Jupiter periodisch um bis zu sechs Meter hebt und senkt oder nur um weniger als einen Meter: Ersteres wäre eine Bestätigung für den Ozean in Ganymed, letzteres ein negativer Befund. Im Verbund mit anderen Instrumenten, insbesondere dem Gravity Experiment 3GM und dem Magnetometer J-MAG, wird es möglich sein, die Mächtigkeit der Eiskruste, die Tiefe und fundamentale Eigenschaften des Ozeans wie Dichte und Salzgehalt zu bestimmen.
Callisto – Oberfläche fast im Urzustand
Der äußerste Galileische Mond hat einen Durchmesser von 4.819 Kilometern und ist damit nur wenig kleiner als der innerste Planet in unserem Sonnensystem, Merkur. Callisto besitzt die niedrigste mittlere Dichte der vier großen Jupitermonde. Dies deutet das darauf hin, dass auch Callisto große Mengen an Wassereis enthält.
Der gesamte planetare Körper scheint früh in seiner Entwicklung stehen geblieben zu sein, seine Bestandteile sich also nicht in Kern, Mantel und Kruste getrennt oder „differenziert“ zu haben. Auf der geologisch nur wenig entwickelten Oberfläche von Callisto gibt es viel mehr Krater als auf den anderen drei Galileischen Monden. So blieben einige große, sehr alte Einschlagsbecken erhalten, sogenannte Palimpseste. Häufig sind sie von mehreren konzentrischen und furchenförmigen Ringen umgeben. Valhalla ist mit einem Gesamtdurchmesser aller Ringe von 4.500 Kilometern das größte dieser Becken und mit dem South-Pole-Aitken-Becken auf dem Mond die größte Impaktstruktur im Sonnensystem.
An vielen Stellen auf der Oberfläche Callistos erkennt man eine dunkle, pulverartige Deckschicht. Sie entstand mit hoher Wahrscheinlichkeit durch einen Abtragungsprozess: Leichtflüchtigere Bestandteile der Eiskruste Callistos, zum Beispiel gefrorenes Kohlendioxid, gingen durch die Sonneneinstrahlung direkt vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand über und verschwanden im Weltall. So konnte sich ein dunklerer Rückstand aus anderen Bestandteilen wie Kohlenstoffverbindungen oder Silikaten auf der Oberfläche anreichern.
Bei Callisto handelt es sich heute um einen geologisch inaktiven Körper. Magnetfeldmessungen der Galileo-Sonde lassen jedoch die Interpretation zu, dass auch unter der Eiskruste der großen Eismonde Ganymed und Callisto Ozeane existieren könnten. Im Vergleich zu Europas Ozean lägen diese jedoch deutlich tiefer unterhalb einer Eisschicht von etwa 100 Kilometern.
Während der Orbitalphase im Jupitersystem wird JUICE 21 Mal in unterschiedlichen Entfernungen, aber immer recht nahe an Callisto vorbeifliegen. Das eröffnet gegenüber allen vorherigen Missionen um ein Vielfaches verbesserte Beobachtungsmöglichen. Die geringste Annäherung bei diesen Nahpassagen an Callisto wird 200 Kilometer betragen. Durch die Untersuchung von Callisto erhoffen sich die Wissenschaftsteams neue Erkenntnisse aus der Frühzeit des Jupitersystems: Welche Bedingungen herrschten dort und warum weisen Ganymed und Callisto trotz ihrer ähnlichen Größe und Zusammensetzung so unterschiedliche geologische und geophysikalische Entwicklungen auf?
ESA-Mission mit starker deutscher Beteiligung
JUICE ist die größte und umfangreichste ESA-Mission zur Erforschung der Planeten des Sonnensystems. Neben der ESA haben auch die NASA und die japanische Weltraumorganisation JAXA zur Mission beigetragen. Die ESA übernimmt die Finanzierung für die Satellitenplattform, den Start mit der Ariane-5-ECA-Rakete sowie den Betrieb der Sonde. Die Finanzierung für die wissenschaftlichen Nutzlasten für JUICE werden zum größten Teil von den nationalen Raumfahrtagenturen und den beteiligten Instituten selbst getragen. Neben den Experimenten JANUS, SWI und GALA fördert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit dem Teilchenspektrometer Particle Environment Package (PEP), dem Jupiter-Magnetometer (J-MAG), dem Radar-Instrument Radar for Icy Moons Exploration (RIME) und einem Instrument zur Radiosondierung der Jupiteratmosphäre (3GM) weitere deutsche wissenschaftliche Beiträge aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm.