Das Kameraexperiment JANUS
Das „Auge“ der Mission JUICE ist das Kamerasystem JANUS. Es wird vor allem hochaufgelöste Multispektralaufnahmen von den großen Monden des Jupiter liefern. Die Kamera wurde von der ESA im Februar 2013 als eines von elf wissenschaftlichen Experimenten für die Mission ausgewählt. JANUS ist eine Abkürzung der lateinischen Umschreibung „Jovis, Amorum ac Natorum Undique Scrutator“, was übersetzt in etwa bedeutet „Allumfassende Erforschung von ihm, Jupiter, und seiner Liebschaften und Nachkommen“. Die vier großen Monde Jupiters sind nach Protagonisten in den „Liebesabenteuern“ des Göttervaters Zeus benannt, der Entsprechung von Jupiter in der hellenischen Mythologie: Io, Europa, Ganymed und Callisto.
Das Experiment wurde unter italienischer Leitung in internationaler Zusammenarbeit entwickelt und gebaut, unter anderem mit Beiträgen aus Großbritannien (Centre of Electronic Imaging, Open University, Milton Keynes), Spanien (Instituto di Astrofísica de Andalucía, Granada) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das JANUS-Team wird angeführt vom ‚Principal Investigator‘ (PI) Prof. Pasquale Palumbo von der Panthenope-Universität in Neapel und Instituto Nazionale di Astrofisica in Rom. Co-PI (und Nachfolger des emeritierten Prof. Ralf Jaumann) ist Dr. Thomas Roatsch vom DLR-Institut für Planetenforschung. Industrieller Hauptauftragnehmer für JANUS war die italienische Leonardo-Gruppe. Der Bau des Teleskops und der Zusammenbau mit den am DLR entwickelten Komponenten erfolgte in deren Werk in Campi Bisenzio nahe Florenz.
Am DLR-Standort Berlin-Adlershof entstanden im DLR-Institut für Planetenforschung das Fokalplattenmodul (FPM), das den lichtempfindlichen Sensor von JANUS trägt, sowie die sogenannte Proximity-Electronics (PEU) und die Main-Electronics Unit (MEU) inklusive der Onboard-Software. Das DLR ist auch für die wissenschaftliche Planung der Eismondbeobachtungen und für die Umsetzung des Bodensegments des Instruments verantwortlich.
Wissenschaftliche Ziele von JANUS
Die Erfassung der oben benannten Monde in mittleren bis hohen, im Falle Ganymeds sogar in der sehr hohen Auflösung von nur wenigen Metern, ist die Hauptaufgabe des Kamerasystems. Mit den multispektralen Bilddaten sollen die geologischen Prozesse in Raum und Zeit entschlüsselt werden, die zu den heute sichtbaren Oberflächenstrukturen geführt haben. Daraus werden auch Rückschlüsse gezogen werden können, ob und – falls ja – in welchem Zustand Ozeane mit womöglich mächtigen Wasserschichten unter den minus 140 Grad kalten Krusten der Eismonde existieren. Ferner wird die vielseitig verwendbare Kamera auch die obersten Wolkenschichten Jupiters erkunden, die dünnen Ringe des Planeten und einige der kleinen, irregulär geformten Monde. Die Bilddaten können sogar bei der Interpretation der physikalischen Eigenschaften von Jupiters Magnetfeld und der hauchdünnen Atmosphären der Monde (Exosphäre) helfen.
Das Hauptaugenmerk liegt auf einer möglichst umfangreichen Kartierung der drei großen Eismonde Europa, Ganymed und Callisto. Dazu werden zum einen die 35 Nahvorbeiflüge in den Jahren 2031 bis 2034 dienen. Vorbeiflüge bedeuten, dass jeweils nur eine, von Sonnenlicht beschienene Hemisphäre oder, je nach zeitlichem Verlauf, nur geringfügig mehr Fläche eines Mondes mit Bilddaten abgedeckt werden können. Um dennoch eine globale Abdeckung in unterschiedlichen Bildauflösungen zu erzielen, ist die Mission so geplant, dass bei allen Monden mehrere Vorbeiflüge stattfinden: Die meisten davon, nämlich 21, an Callisto, und zwölf an Ganymed. Europa ist in dieser Missionsphase der aus technischer Sicht schwierigste der drei Eismonde, da in Jupiternähe dessen Strahlungsumfeld am stärksten ist und wegen des Schutzes von Sonde und Experimenten nur zwei Nahvorbeiflüge geplant sind. Io wird aus diesem Grund von JUICE überhaupt nicht angeflogen.
ESAs JUICE und NASAs Europa Clipper als Tandem
Den geringeren Datenumfang bei Europa wird jedoch mit der nahezu zeitgleich verlaufenden NASA-Mission Europa Clipper kompensiert. Der Clipper wird zwischen 2031 und 2034 weite Schleifen um Jupiter ziehen und dabei mehrere Dutzend schnelle Vorbeiflüge am kleinsten der drei Eismonde absolvieren. JUICE wird nach der Phase der Monde-Vorbeiflüge in einen Orbit um Ganymed gelenkt, so dass der größte Jupitermond dann global aus unterschiedlichen Umlaufbahnen kartiert werden kann. Dabei wird dem JANUS-Wissenschaftsteam zugutekommen, dass sie bis zur Ganymed-Missionsphase von JUICE ab 2034 erst in einen hohen Orbit (5.000 Kilometer) und dann 2035 in einen niedrigen Orbit (500 Kilometer) die interessantesten Formationen identifizieren kann. JANUS kann dann für gezielte Aufnahmen in der höchstmöglichen Auflösung von unter drei Metern pro Bildpunkt programmiert werden.
Das Erbe der Galileo-Mission
Aufnahmen der NASA-Raumsonde Galileo zwischen 1996 und 2003 von den Eismonden haben gezeigt, wie vielfältig die aus dem Inneren angetriebenen geologischen und tektonischen Prozesse sind. Diese haben auf allen drei planetaren Körpern unterschiedlichste Landschaften entstehen lassen. Im Falle von Europa ist es zudem gut vorstellbar, dass die Oberfläche noch heute durch Wasser überprägt und neugestaltet wird, das durch aufbrechende Risse an die Oberfläche gepresst wird und dort zu Eis erstarrt. Auf Europa sind fast keine Einschlagskrater zu sehen. Dies zeigt, dass die Oberfläche geologisch betrachtet sehr jung ist. Galileos Kamerasystem hat dort auch farbige Ablagerungen als Salze identifizieren können. Diese Flächen werden auch mit JANUS multispektral durch zwölf Filter in sensitiven Wellenlängen untersucht.
Galileo konnte trotz mehrfach verlängerter Missionsdauer nicht mehr Bilddaten von diesen hochinteressanten Gebieten liefern – die Hauptantenne der Sonde war nicht funktionsfähig, und es konnten nur kleine Datenpakete mit einer Nebenantenne übertragen.
Deshalb kommt dem Kamerasystem JANUS eine überragende Bedeutung zu: Dessen Aufnahmen werden die Eismonde in viel größerer Detailgenauigkeit zeigen. An manchen Stellen werden Strukturen von weniger als drei Meter Größe aufgelöst werden können. Die sich ergänzenden Bilddatensätze von JUICE und Europa Clipper werden auf Jahrzehnte den Standard bilden. Sie werden helfen, fundamentale Fragen zu beantworten: zur Chronologie und geologischen Geschichte, zum Eisvulkanismus (Kryovulkanismus), zur Tektonik in spröden, mindestens minus 140 Grad Celsius kaltem Eis und auch zu den subkrustalen Ozeanen und deren „Bewohnbarkeit“ für einfache Lebensformen zu beantworten.
JANUS – ideale Kamera für die Jupitermonde
JANUS ist für Aufnahmen in den Wellenlängen des sichtbaren Lichts (beginnend bei 350 Mikrometern) bis ins nahe Infrarot (1.050 Mikrometer) konzipiert. Das Sichtfeld beträgt 1,3 Grad – mit JANUS kann aus einem Kilometer Entfernung ein Tennisball aufgelöst werden. Erzielt wird eine räumliche Auflösung von bis zu 2,4 Metern pro Bildpunkt im engsten Orbit um Ganymed, und etwa 10 Kilometer pro Bildpunkt bei Jupiter.
Ein charakteristisches Element von JANUS ist sein Rad mit 13 Filtern in verschiedenen Farben, die vor das Teleskop gedreht werden können. Mit jedem Filter kann JANUS unterschiedliche Konzentrationen chemischer Elemente erkennen: zum Beispiel rot für Methan und gelb für Natrium, oder im nahen Infrarot gesteinsbildende Minerale und Salze auf den Monden. JANUS ist extrem formstabil: Um die JANUS-Optik starr und in seiner geometrischen Ausrichtung absolut präzise zu halten und damit – trotz Vibrationen beim Start und plötzlicher Temperaturänderungen – qualitativ hochwertige Bilder zu garantieren, wurde für JANUS ein spezielles mechanisches und thermisches Design entwickelt. Verformungen sind auf eine Dicke von unter einem Zehntel eines Haares begrenzt.
Die JANUS-Kamera besteht aus drei räumlich voneinander getrennten Einheiten: dem Optikkopf einschließlich eines Teleskops, dem Filterrad und der Fokalebene mit dem Sensor für die Aufnahmen. Hinzu kommen Proximity- und Hauptelektronik einschließlich Kamerasteuerung, Datenmanagement, Bilddaten-Kompression und Stromversorgung. Das katadioptrische Teleskop – eine Optik, die sowohl lichtbrechende Linsen als auch reflektierende Spiegel besitzt – hat eine hervorragende optische Qualität und ist mit einer Rahmung gekoppelt. Dahinter ist ein Flächensensor mit 2.000 mal 1.504 Pixeln in der Brennebene angebracht.
ESA-Mission mit starker deutscher Beteiligung
JUICE ist die größte und umfangreichste ESA-Mission zur Erforschung der Planeten des Sonnensystems. Neben der ESA haben auch die NASA und die japanische Weltraumorganisation JAXA zur Mission beigetragen. Die ESA übernimmt die Finanzierung für die Satellitenplattform, den Start mit der Ariane-5-ECA-Rakete sowie den Betrieb der Sonde. Die Finanzierung für die wissenschaftlichen Nutzlasten für JUICE werden zum größten Teil von den nationalen Raumfahrtagenturen und den beteiligten Instituten selbst getragen. Neben den Experimenten JANUS, SWI und GALA fördert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit dem Teilchenspektrometer Particle Environment Package (PEP), dem Jupiter-Magnetometer (J-MAG), dem Radar-Instrument Radar for Icy Moons Exploration (RIME) und einem Instrument zur Radiosondierung der Jupiteratmosphäre (3GM) weitere deutsche wissenschaftliche Beiträge aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm.