Seit 20 Jahren im Einsatz: die Mars-Kamera des DLR
- Seit zwanzig Jahren liefert die HRSC-Stereokamera des DLR an Bord der Raumsonde Mars Express hochaufgelöste Bilder unseres Nachbarplaneten.
- Das erste Bild wurde am 10. Januar 2004 zur Erde gesendet.
- Inzwischen hat die Kamera eine Abdeckung der Marsoberfläche von über 85 Prozent erreicht.
- Das Bildmosaik der Region Noctis Labyrinthus besteht aus acht HRSC-Einzelbildern mit einer Auflösung von 12,5 Metern pro Pixel.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Mars, Planetenforschung, Mission Mars Express
Eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte, und eine langlebige dazu – seit inzwischen zwanzig Jahren versorgt die hochauflösende Stereokamera (HRSC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an Bord der europäischen Raumsonde Mars Express Wissenschaft und Öffentlichkeit mit hochaufgelösten, faszinierenden Bildern unseres Nachbarplaneten. Das erste Bild – eine Aufnahme der Region Hydraotes Chaos – wurde am 10. Januar 2004 zur Erde gesendet. Seitdem hat die HRSC den Mars global in hoher Auflösung, in Farbe und in 3D erfasst und auf diese Weise viele wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglicht: von der Entdeckung von Spuren, die Wasser und Eis im Lauf von Milliarden Jahren hinterlassen haben, bis hin zu der Entschlüsselung der Klimageschichte und der Beobachtung aktueller Landschaftsveränderungen durch Wind und Wetter. Eines der neuesten Motive ist ein Mosaik aus acht Einzelbildern der Region Noctis Labyrinthus zwischen den Valles Marineris und den Vulkanen des Tharsis-Hochlands. Im Oktober 2023 haben wir einen virtuellen Überflug über dieses Gebiet veröffentlicht.
Bildmosaik aus dem Labyrinth der Nacht
Die Region Noctis Labyrinthus (lateinisch für „Labyrinth der Nacht") befindet sich zwischen dem westlichen Rand der Valles Marineris und dem Tharsis-Hochland. Das Labyrinth hat eine Ausdehnung von 1.190 Kilometern, ist also fast so groß wie Deutschland. Charakteristisch für dieses Gebiet ist ein System von tiefen und steilwandigen Tälern, die durch Verschiebungen der Marskruste entstanden sind. Viele von ihnen weisen das Erscheinungsbild eines tektonischen Grabens auf: Durch Dehnung hat sich ein Teil der Kruste zwischen zwei stehengebliebenen Blöcken auf beiden Seiten abgesenkt. Im Bild gut zu erkennen sind Schluchten, die sich gegenseitig kreuzen, und Täler von bis zu 30 Kilometer Breite und bis zu sechs Kilometer Tiefe. Auf der Erde gibt es nichts Vergleichbares.
Ursächlich für die Gestaltung dieser Landschaft war der intensive Vulkanismus im Westen der Tharsis-Region, der mit einer Aufwölbung großflächiger Gebiete verbunden war. Dies führte zu tektonischen Spannungen. Deren Folge war die Dehnung und Ausdünnung der Kruste und die Bildung der Gräben. Große Plateaus, die das ursprüngliche Oberflächenniveau darstellen, dominieren die Region – eine einzigartige Landschaft in unserem Sonnensystem.
Das vorgestellte Bildmosaik besteht aus acht HRSC-Einzelbildern mit einer Auflösung von 12,5 Metern pro Pixel. Zusätzlich ist ein GIS-fähiges digitales Geländemodell Teil dieser Bildfolge. GIS steht für „Geographische Informationssysteme“, mit denen digitale räumliche Landschaftsdaten erfasst, bearbeitet und analysiert werden können. Das Anaglyphenbild – ein visuell dreidimensional erscheinendes Bild in Grauwerten – wurde hier nicht wie üblich aus den Stereokanälen der HRSC erzeugt. Stattdessen wurden das digitale Geländemodell und das Nadir-Mosaik, die senkrechte Draufsicht auf das Gebiet, verwendet, um „virtuell" ein Anaglyphenbild zu erzeugen. Das beschriftete Bild zeigt die Standorte interessanter geologischer Merkmale. Es enthält viele markante Details, die sich den Betrachtenden bei einem tiefen Zoom in das Bild erschließen.
Ein genauer Blick auf Noctis Labyrinthus: Die „Wahrheit“ liegt im Detail
Das vorgestellte Mosaik zeigt die vielfältigen Details und ihren geologischen Kontext im östlichen Teil der Region Noctis Labyrinthus. Das beschriftete Bild zeigt die Standorte interessanter geologischer Merkmale. Das Mosaik ist sehr groß und enthält viele Details, die man nur sehen kann, wenn man tief in das Bild hineinzoomt. An vielen Stellen sind gewaltige Erdrutsche zu erkennen, die die steilen Talhänge und die Talsohlen bedecken.
Spektrale Untersuchungen ergaben Schichten von hydratisierten Sulfaten und Tonmineralen an den steilen Hängen. Diese Minerale deuten auf ein wässriges Milieu in der Vergangenheit hin. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Felsen verwittert sind, als in Noctis Labyrinthus Wasser vorhanden war. Schmale, lineare Kanäle weisen ebenfalls auf das ehemalige Vorhandensein von Wasser in dem Gebiet hin. Die chaotisch zerbrochenen Gebiete könnten durch abschmelzendes Bodeneis und das Einbrechen der darüberliegenden Oberfläche entstanden sein.
Andernorts lassen sich an den Talhängen lange, weit verzweigte lineare Strukturen beobachten. Dabei handelt es sich um Sand- und Staubablagerungen, die vom Wind zu ausgedehnten Rippelfeldern geformt wurden, deren Kämme durch Abstände von 150 und 400 Meter voneinander getrennt sind. Diese Sandkämme sind senkrecht zur Windrichtung ausgerichtet und oft auf großen Sand- oder Dünenflächen entstanden. Die fast senkrechte Ausrichtung der Rippel an zahlreichen Hängen deutet darauf hin, dass der Sand parallel zum Hang transportiert wurde, während in den Talsohlen oder an flacheren Hängen der Wind das feinkörnige Material aus verschiedenen Richtungen entlang der Täler und auch bergauf transportierte.
„Marathon“ um den Mars
Mars Express ist die erste Planetenmission der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Ursprünglich sollte sie nur ein Marsjahr dauern, was zwei Erdenjahren entspricht. Aufgrund ihres wissenschaftlichen Erfolges und der Langlebigkeit der Instrumente wurde sie bereits siebenmal verlängert und dauert, nach heutigem Stand noch bis 2026. Insgesamt hat die Sonde etwa 1,2 Milliarden Kilometer um den Mars zurückgelegt – und zusätzlich noch fast 500 Millionen Kilometer Strecke von der Erde zum Mars. Ende Januar 2024 umrundet Mars Express zum 25.330sten Mal den Roten Planeten.
Gestartet im kasachischen Baikonur am 2. Juni 2003, erreichte sie ihr Ziel am ersten Weihnachtstag desselben Jahres. Das Einschwenken des Orbiters in die Umlaufbahn des äußeren Erdnachbarn funktionierte problemlos, allerdings gab es Probleme bei dem zuvor abgetrennten britischen Landemodul Beagle 2. Dieses erreichte zwar die Marsoberfläche, sendete aber von dort aus keine Daten. Alle sieben Experimente auf dem Orbiter jedoch – darunter die HRSC – funktionierten hingegen einwandfrei und tun es, von kleineren Einschränkungen abgesehen, bis heute.
Die vom DLR gemeinsam mit der deutschen Industrie entwickelte Hochleistungskamera HRSC verkörperte damals ein völlig neues, in der Kartierung der Planeten noch nie angewendetes Kamerakonzept: Durch eine einzige Optik – ein sogenanntes Apo-Tessar-Teleskop –nehmen neun quer zur Flugrichtung angeordnete Zeilensensoren durch die Vorwärtsbewegung des Orbiters denselben Bildstreifen der Marsoberfläche auf. Wie mit einem Scanner tastet sie nacheinander Zeile für Zeile ab. Dabei bildet jeder Sensor dasselbe Objekt auf der Oberfläche unter einem unterschiedlichen Blickwinkel ab: Vier Kanäle sind nach vorne gerichtet, vier nach hinten, und ein neunter Kanal – der Nadir – befindet sich in der Mitte und „schaut“ senkrecht nach unten.
Am Boden werden dann aus den vier Stereobildstreifen und dem Nadirkanal, der mit zehn bis zwölf Metern pro Bildpunkt die höchste Bildauflösung liefert, 3D-Modelle der Oberfläche berechnet. Die verbleibenden vier der neun Zeilensensoren sind mit speziellen Farbfiltern für die Aufnahme multispektraler Daten versehen. Das Herzstück der Kamera, die Fokalebene mit den neun Sensoren, ist eine DLR-Entwicklung.
Die Aufnahmen ergeben eine ständig wachsende Kollektion von spektakulären Ansichten der abwechslungsreichen Marslandschaft, von Bild- und Geländemodellmosaiken sowie Animationen, die aus den digitalen Landschaftsmodellen abgeleitet werden können. Inzwischen hat die Kamera eine Abdeckung der Marsoberfläche von über 85 Prozent mit einer hohen Auflösung (besser als 20 Meter pro Bildpunkt) erreicht. Weltweit arbeiten hunderte Planetenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit diesen Daten.
Bildverarbeitung
Das Noctis-Labyrinthus-Mosaik besteht aus acht HRSC-Bildern. Die Bodenauflösung beträgt etwa 12,5 Meter pro Pixel, und das Bild ist auf etwa 265 Grad Ost und 7 Grad Süd zentriert. Das Farbbild wurde aus den Daten des Nadirkanals und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die schräge perspektivische Ansicht wurde aus dem digitalen Geländemodell (DGM), dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot/Blau- oder Rot/Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus den Informationen des digitalen Geländemodells des Mosaiks abgeleitet. Die farbkodierte topografische Ansicht basiert auf einem DGM der Region, aus dem sich die Topografie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Marsäquipotentialfläche (Areoid).
Als Besonderheit hat das HRSC-Team an der Freien Universität Berlin zusätzlich zu den oben beschriebenen Bildern den Originaldatensatz des digitalen Geländemodells sowie der dazugehörigen Bildinformationen als georeferenzierte Mosaike zum Download verfügbar gemacht. Sie lassen sich in alle gängigen Geoinformationssysteme (zum Beispiel in die Open Source Software QGIS) laden und analysieren. Alle nötigen weiteren Informationen dazu finden sich ebenfalls auf der Webseite des Dokumentenservers. Bitte geben Sie bei Verwendung dieser Daten stets als Digital Object Identifier (DOI) „10.17169/refubium-41764“ mit an.
Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Diese Bilder in hoher Auflösung und weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.
Verwandte Links
Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Daniela Tirsch vom DLR-Institut für Planetenforschung besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und zehn Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.