11. Oktober 2023 | Mission Mars Express

Flug durch das „Labyrinth der Nacht“

Das Grabenbruchsystem Noctis Labyrinthus
Die Region befindet sich zwischen dem westlichen Ende der Valles Marineris und dem sich östlich anschließenden Tharsis-Hochland.
Credit:

ESA/DLR/FU Berlin

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  • Bei „Noctis Labyrinthus“ handelt es sich um ein weitläufiges Grabenbruchsystem in der Nähe des Mars-Äquators.
  • Charakteristisch für diese Region ist ein System aus Tafelbergen mit ebener Hochfläche und tiefen Tälern mit steilen Wänden.
  • Das Video zeigt einen virtuellen Flug über den östlichen Teil dieses „Irrgartens“ aus acht Einzelbeobachtungen der HRSC-Kamera des DLR.
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Mars, Planetenforschung, Mission Mars Express

„Noctis Labyrinthus“ – das Labyrinth der Nacht – ist ein weitläufiges Grabenbruchsystem sechs Grad südlich des Mars-Äquators, das den Übergang zwischen den großen Tharsis Vulkanen im Westen und dem 4.000 Kilometer langen Talsystem der Valles Marineris im Osten markiert. Aus acht Einzelbeobachtungen der hochauflösenden Stereokamera (HRSC) des DLR an Bord der ESA-Mission Mars Express wurde nun ein Film erstellt, der den Betrachtenden mitnimmt zu einem virtuellen Flug über den östlichen Teil dieses „Irrgartens“.

Animation: Virtueller Flug durch Noctis Labyrinthus (engl.)
Grundlage dieser Animation ist ein digitales Geländemodell auf Basis von Daten der HRSC-Kamera des DLR.
Credit:

ESA/DLR/FU Berlin

Das zugrunde liegende Bildmosaik wurde mit Topographie-Informationen aus einem digitalen Geländemodell kombiniert, das mit diesem Datensatz der DLR-Stereokamera HRSC berechnet wurde. Jede Sekunde des Films besteht aus 50 Einzelbildern, die nach einem vordefinierten Kamerapfad durch diese Szenerie errechnet wurden. Für diese Animation wurde eine vertikale Überhöhung im Maßstab 1,5 verwendet: Tausend Höhenmeter in der Realität sind im Video also 1.500 Höhenmeter – dadurch erscheinen die Bergflanken etwas steiler als in der Realität. Der Dunst im Hintergrund, in einer Entfernung von 150 bis 200 Kilometern, wurde hinzugefügt, um die Grenzen des Geländemodells zu verbergen. Dadurch wirkt diese an sich schon faszinierende Landschaft noch einmal spektakulärer.

Der Vorspann, ein Blick auf die Äquatorregion des Mars mit dem sich östlich an Noctis Labyrinthus anschließenden Grabenbruch der Valles Marineris, wurde unter Verwendung des globalen Mars-Farbmosaiks zum 20. Jahrestag des Starts von Mars Express („20th Anniversary Special“) mit einer dreifachen vertikalen Überhöhung dargestellt.

Entstehung durch tektonische Spannungen

Die Region Noctis Labyrinthus befindet sich zwischen dem westlichen Ende der Valles Marineris, dem „Grand Canyon des Mars“, und dem sich östlich anschließenden Tharsis-Hochland. Das spinnennetzartige „Labyrinth“ ist fast 2.000 Kilometer lang und durch ein System von Tafelbergen mit ebener Hochfläche und dazwischen liegenden tiefen Tälern mit steilen Wänden gekennzeichnet. Diese sind durch tektonische Störungen entstanden. Viele weisen das klassische Erscheinungsbild eines tektonischen Grabens auf: Durch Dehnung, vermutlich infolge der Aufwölbung der Tharsis-Region, haben sich Teile der Kruste im Verhältnis zu den Blöcken auf beiden Seiten abgesenkt. Die Verwerfungen neigen sich in der Regel von beiden Seiten zum Zentrum des Grabens hin. Ursache hierfür ist der intensive Vulkanismus in der Tharsis-Region, der mit einer Aufwölbung eines Gebiets von der Größe Europas verbunden war. Tektonische Spannungen hatten eine Ausdünnung und Dehnung der Kruste zur Folge. Das Ergebnis sind die heute sichtbaren Gräben und dazwischen liegende Insel- oder Tafelberge.

Große Plateaus, aufgebaut aus erstarrter dünnflüssiger, basaltischer Lava, dominieren auf dem ursprünglichen Oberflächenniveau des Marshochlands die Region. Sie sind während des Marszeitalters des Hesperian entstanden, einer Periode starker vulkanischer Aktivitäten vor etwa 3,8 bis drei oder sogar zwei Milliarden Jahren vor unserer Zeit. Die sich kreuzenden Canyons und Täler sind bis zu 30 Kilometer breit und bis zu sechs Kilometer tief. Auf der Erde, aber auch auf keinem anderen Planeten oder Mond des Sonnensystems, gibt es eine vergleichbare Landschaft. An vielen Stellen haben sich gewaltige Erdrutsche ereignet, deren Geröll und Staubmassen die steilen Talhänge und die Talsohlen bedecken.

Anzeichen für Wasser-Vorkommen in der Vergangenheit

Ein Team um die amerikanische Wissenschaftlerin Catherine Weitz hat 2009 gezeigt, dass an den Gesteinsschichten der steilen Abhänge lokal variabel auftretende Mineralsalze wie Gips (Kalziumsulfat) oder Kieserit (Magnesiumsulfat), aber auch hydratisierte Silikate und Tonminerale vorhanden sind. Solche Minerale deuten allesamt auf einen Ursprung in einer wässrigen Umgebung hin. Wahrscheinlich hat Noctis Labyrinthus nach der tektonischen Entstehungsphase eine komplexe hydrologische Vergangenheit, die auch hinsichtlich der Frage nach möglicherweise einst auf dem Mars vorhandenem Leben bedeutend sein könnte.

An anderen Stellen sind lange, weit vernetzte lineare Strukturen an den Talhängen zu finden. Dabei handelt es sich um Sand- und Staubablagerungen die vom Wind zu großen Rippelfeldern geformt wurden, deren Kämme Abstände zwischen 150 und 400 Metern aufweisen. Solche Sandrücken sind immer senkrecht zum Wind ausgerichtet und werden häufig auf großen Sandkörpern und Dünenoberflächen gebildet. Die fast senkrechte Ausrichtung der Kämme an vielen Hängen deutet somit darauf hin, dass Sand dort hangparallel transportiert wurde während auf den Talböden oder an flacheren Hängen der Wind das feinkörnige Material aus verschiedenen Richtungen entlang der Täler und auch bergauf verfrachtet hat.

HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird. Die systematische Auswertung der Kameradaten fand am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof statt. Die Arbeitsgruppe Planetenforschung und Fernerkundung der Freien Universität Berlin hat die Daten zu den hier gezeigten Bildprodukten verarbeitet.

Verwandte Links

Das HRSC-Experiment auf Mars Express

Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Thomas Roatsch vom DLR-Institut für Planetenforschung besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und zehn Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

Diese Bilder in hoher Auflösung und weitere Bilder der HRSC finden Sie in der Mars Express-Bildergalerie auf flickr.

Kontakt

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Redakteur
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln
Tel: +49 2203 601-3717

Ulrich Köhler

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Dr. Daniela Tirsch

Principal Investigator HRSC
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin

Dr. Thomas Roatsch

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung
Rutherfordstraße 2, 12489 Berlin