Aganippe Fossa – wo Eis und Lava fließen
- Neue Bilddaten der deutschen Stereokamera HRSC an Bord der Mission Mars Express zeigen ein Gebiet in der Nachbarschaft des Vulkans Arsia Mons.
- Gründe für die Entstehung des „Grabens der Aganippe“ sind in der Fachwelt noch umstritten.
- HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird.
- Schwerpunkte: Raumfahrt, Planetenforschung, Mars
Die Entstehung des „Grabens der Aganippe“ auf dem Mars wird unter Planetenforschenden intensiv diskutiert. Die nach einer Quell-Nymphe in der griechischen Mythologie benannte Struktur gibt selbst heutigen Expertinnen und Experten Rätsel auf: Einige Theorien besagen, dass der Graben tektonischen Ursprungs sei. Andere behaupten, die Entstehung vulkanischer Gänge in einer späten Aktivitätsphase des nahen Olympus Mons habe zur Bildung der riesigen Gräben geführt.
Neue Bilddaten der hochauflösenden Stereokamera (HRSC) an Bord der ESA-Mission Mars Express zeigen den nördlichen Teil der Aganippe Fossa am Fuße des Vulkans Arsia Mons. HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird.
Die Aufnahmen zeigen eine Gegend auf der unteren Flanke des Arsia Mons mit einem Teil der großen Grabenstruktur Aganippe Fossa. Dunkle Staub- und Sandablagerungen erzeugen ein ungewöhnliches Streifenmuster auf der Oberfläche. In den ebenen Regionen des Bildes (nördlicher beziehungsweise rechter Abschnitt) sind bei näherer Betrachtung viele Lavaströme zu erkennen.
Gewaltige Vulkane mit Spuren von Eis
Arsia Mons ist ein riesiger Schildvulkan und der südlichste der drei Tharsis-Montes-Vulkane. Er hat einen Basisdurchmesser von 435 Kilometern und erhebt sich mehr als neun Kilometer über die umliegenden Ebenen. Sein Krater, der beim Einsturz der entleerten Magmakammer im Inneren des Vulkans entstanden ist, ist mit knapp 14.500 Quadratkilometer Fläche – das ist fast so groß wie das Bundesland Thüringen – der größte von allen Vulkanen auf dem Mars.
Darüber hinaus besitzt Arsia Mons eine sogenannte „Aureole“. Dabei handelt es sich um weitläufige Ablagerungen ehemaliger Gletscher, die einst den Fuß des Berges bedeckt haben und, wie bei Gletschern auf der Erde, unter dem Druck des Eigengewichts die Abhänge langsam herabgeflossen sind. Solche Spuren ehemaliger Vergletscherung in Form von Aureolen stellen ein gemeinsames Merkmal der Tharsis Montes dar. Am Arsia Mons bedeckt sie mehr als 100.000 Quadratkilometer und umfasst damit eine Fläche so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen. Die Aureole ist aber nur an der nordwestlichen Flanke des Vulkans ausgebildet. Gründe dafür könnten gravitative und klimatische Ursachen sein. Die Nordwestseite der Tharsis-Vulkane könnte bevorzugt sein, weil sie durch die Kombination von vulkanischen Aktivitäten und der Marsrotation eine höhere Wahrscheinlichkeit für Hangrutschungen aufweist. Die Rotation des Mars kann dazu führen, dass die vulkanischen Hänge asymmetrisch belastet werden, was Hangrutschungen und die Bildung von Aureolen begünstigt.
Außerdem könnten die vorherrschenden Windmuster auf dem Mars ebenfalls eine Rolle spielen, indem sie Erosionsmaterial und pyroklastische Ablagerungen (das Ergebnis explosionsartiger, sehr heißer Auswürfe aus geschmolzenem Gestein und heißen Gasen, die mit hoher Geschwindigkeit die Vulkanflanken hinabrasen) bevorzugt in nordwestliche Richtung transportieren und ablagern, was zur Entstehung der Aureolen führt. Auf dem Bild sind zwei charakteristische Hauptmerkmale der Aureole zu erkennen: ein hügeliges Terrain, das den zentralen Teil der Struktur bildet, und ein Gebiet mit erstarrten Fließstrukturen, das Teile des hügeligen Terrains verdeckt.
Wie sind die Aganippe Fossae entstanden?
Die Aganippe Fossa hat eine Länge von etwa 600 Kilometern, die begrenzenden Grabenwände liegen drei bis sieben Kilometer auseinander. Wie der „Graben der Aganippe“ entstanden ist, wird noch diskutiert: Einige Theorien besagen, dass der Graben tektonischen Ursprungs und durch eine vulkanisch verursachte Dehnung der Marskruste entstanden ist. Somit könnte es sich um ein isoliertes Mitglied der Thaumasia Fossae handeln, einer Gruppe von Grabenbrüchen weiter südlich in der Tharsisregion.
Es könnte aber auch die Entstehung von vulkanischen Gängen in einer späten Aktivitätsphase des Olympus Mons zu der Bildung der riesigen Gräben in der Region geführt haben.
Die Morphologie, also Aussehen und Form der Aganippe Fossa, lässt andererseits vermuten, dass diese langen Vertiefungen durch den Einsturz darunterliegender Lavaröhren entstanden sind. Solche kettenförmigen länglichen Einsturzstrukturen sind typisch für Vulkanregionen und entstehen, wenn die äußeren Schichten eines Lavastroms abkühlen. Sie erstarren, während der Lavastrom im Inneren durch diese „Isolationsschicht“ weiterströmt und schließlich abfließt, wodurch ein Hohlraum, eine Art Tunnel, entsteht. Im Laufe der Zeit stürzt die Decke dieses Tunnels ein, und der halbröhrenförmige Fließkanal bleibt übrig. Dieser Prozess tritt häufig bei basischen Lavaströmen mit niedrigem Siliziumanteil auf, die relativ dünnflüssig sind und weite Strecken fließen können.
Bildbearbeitung
Die Bilder wurden von der HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 13. Dezember 2023 während Mars Express Orbits 25189 aufgenommen. Die Bodenauflösung beträgt etwa 25 Meter pro Pixel und das Bild ist auf etwa 233 Grad Ost und 3 Grad Süd zentriert. Das Farbbild wurde aus den Daten des Nadirkanals, dem senkrecht zur Marsoberfläche ausgerichteten Sichtfeld, und den Farbkanälen der HRSC erstellt.
Die schräge perspektivische Ansicht wurde aus dem digitalen Geländemodell, dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot/Blau- oder Rot/Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck von der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die farbkodierte topografische Ansicht basiert auf einem digitalen Geländemodell (DGM) der Region, aus dem sich die Topografie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Marsäquipotentialfläche (Areoid).
Mapserver
Um die freigegebenen Rohbilder und DTMs der Region in GIS-fähigen Formaten herunterzuladen, folgen Sie diesem Link zum Mapserver.
Verwandte Links
Das HRSC-Experiment auf Mars Express
Die High Resolution Stereo Camera (HRSC) wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung von Principal Investigator (PI) Dr. Daniela Tirsch vom DLR-Institut für Planetenforschung besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 35 Institutionen und elf Ländern stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.