Gegenläufiger Rotor soll Luftfahrtantriebe noch effizienter machen
- Tests für lärm- und krafstoffärmere Triebwerke erfolgreich abgeschlossen.
- Zusammenarbeit mehrerer DLR-Institute für klimafreundlichere Luftfahrtantriebe.
- Einsatz multidisziplinärer Messtechniken.
- Schwerpunkt: Luftfahrtforschung
Geringerer Verbrauch, weniger Schadstoffausstoß! – Dies sind stets die Anforderungen an jede neue Generation von Luftfahrtantrieben. An den Prüfständen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln wurden nun die neuesten Tests an „Gegenläufigen Rotoren“ erfolgreich abgeschlossen. Dieses Konzept hat das Potential, den hohen Anforderungen gerecht zu werden.
Es gibt viele Ansatzpunkte, um den Kraftstoffverbrauch und somit die Emissionen von Flugzeugen zu senken. Neben der Aerodynamik der Tragflächen und der Flugzeugzelle, ist das Triebwerk ein naheliegender, aber auch ein sehr komplexer Ansatzpunkt.
Neben der Verbrennung sind besonders die Fan- und Verdichterschaufeln von Interesse. Sie sorgen für die Kompression der Umgebungsluft und erzeugen dadurch den Schub, der das Flugzeug antreibt. Verschiedene Rotormodelle und Konzepte bieten unterschiedliche Vor- und Nachteile. So haben generell offene Rotoren (Propeller) einen geringeren Kraftstoffverbrauch als die mit einem Gehäuse ummantelten Rotoren. Allerdings sind offene Rotoren auch deutlich lauter als sogenannte Mantelstromtriebwerke. Aus der Kombination der beiden Konzepte ist der gegenläufige ummantelte Propfan (CRISP) entstanden, der bei ähnlichem Lärmniveau eine leichte Effizienzsteigerung gegenüber dem konventionellen Turbofan verspricht.
Optimierte Geometrie
Um einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erreichen, sollte die Geometrie der Rotorschaufeln optimiert und anschließend getestet werden. Hier setzt das aktuell am DLR-Institut für Antriebstechnik durchgeführte Projekt CRISPmulti an.
Der neue, am Mehrstufen-Zweiwellen-Axialverdichter-Prüfstand (M2VP) installierte Versuchsaufbau, bot die Möglichkeit gegenläufig drehende Rotorschaufeln unter realistischen Bedingungen zu untersuchen. Bei dem Projekt wurden Rotorschaufeln getestet, die in Leichtbauweise aus Kohlenfaserverbundwerkstoff (CFK) gefertigt wurden. Um diese, mithilfe von Computermodellen entworfenen Rotorblätter herstellen zu können, wurden neuartige Fertigungsverfahren im DLR-Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie entwickelt.
Untersuchung der Strömung
Um die Effizienz von modernen Triebwerken zukünftig zu steigern, muss das Bypassverhältnis (Nebenstromverhältnis, d. h. wieviel Luftstrom wird außen am Triebwerk vorbei geleitet und wieviel läuft durch das Triebwerk) eines Triebwerks weiter erhöht werden. Das Design zukünftiger Flugzeuggenerationen wird sich demzufolge verändern müssen, da sich Triebwerke mit einem größeren Außendurchmesser nicht länger unter dem Tragflügel eines herkömmlichen Verkehrsflugzeugs integrieren lassen. Größer werdende Triebwerksgondeln steigern zudem signifikant den Reibungswiderstand, so dass sich in diesem Zusammenhang natürliche Grenzen ergeben. Eine vielversprechende Verbesserungsoption besteht in der Anbringung nahe am Rumpf, beziehungsweise im Rumpf selbst. Dadurch könnten der Gesamtwiderstand und die benötigte Leistung für den Verdichter verringert werden. Auch die Lärmbelastung könnte durch akustische Abschattungseffekte reduziert werden.
Einen wesentlichen Nachteil einer solchen Triebwerksintegration stellt die inhomogene Zuströmung (Einlaufstörung) in das Triebwerk dar. Die daraus folgenden negativen Effekte auf den CRISPmulti-Fan wurden im Rahmen des Projekts AGATA3S mit Einsatz multidisziplinärer Messtechnik untersucht. Zuvor haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom DLR-Institut für Aeroelastik numerische Testreihen durchgeführt.
Für die Experimente wurden realistische Testfälle durch das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik aus numerischen Flugzeugsimulationen abgeleitet und mittels einer neu entwickelten Versuchstechnik am Prüfstand nachgebildet. Die einströmende Luft und die Aerodynamik des Fans wurden mittels aerodynamischer Sonden, Hitzdrahtmesstechnik und Particle Image Velocimetry hochauflösend vermessen. Die Belastung und das Schwingungsverhalten der Schaufeln wurden mittels Dehnmessstreifen, berührungsloser Schaufelschwingungsmessung und Image Pattern Correlation Technique analysiert. Das vom Fan erzeugte Schallfeld wurde durch eine Anordnung verschiedener Mikrofone im Einlauf und Austritt des Fans detailliert erfasst.
Auch die weitere Messtechnik ist nicht „von der Stange“. Die Abteilung „Triebwerksmesstechnik“ des Instituts für Antriebstechnik sorgte mit optischen Methoden dafür, dass bei den Tests eine solide Datenbasis entsteht.
Auswertung der Messergebnisse
Die Messergebnisse spielen eine entscheidende Rolle, um die Projektziele der Projekte CRISPmulti und AGATA zu erreichen. Eine umfangreiche experimentelle Datenbasis wurde für die Validierung der numerischen Methoden generiert, die zurzeit ausgewertet wird. Die Auswirkung der Einlaufstörung auf den Fan wird dabei anhand der gewonnenen Daten detailliert analysiert. Sowohl die aerodynamischen Phänomene, als auch die mechanischen und aeroelastischen Eigenschaften der Schaufeln können anhand der Messdaten bewertet werden.
„Die bisherigen Ergebnisse zeigen ein sehr robustes aerodynamisches Verhalten des gegenläufigen Fans gegenüber der erzeugten Einlaufstörung. Aufgrund der bisherigen Auswertung der strukturmechanischen Messergebnisse zeigt sich, dass die Schaufeln ein ruhiges Betriebsverhalten aufweisen.“ sagt die Projektleiterin Dr. Timea Lengyel-Kampmann, vom DLR-Institut für Antriebstechnik.
Mithilfe der gewonnenen Messergebnisse verfügt die Wissenschaft nun über genauere Kennzahlen, die in die Planung zukünftiger Flugzeug- und Triebwerkskonzepte einfließen. Zuverlässige Daten zu Faktoren wie Druckverhältnisse, Strömungsfeld, Deformation von Rotorschaufeln und Störungen durch unterschiedliche Strömungen der Luft zwischen Rotor und Gehäuse sind die Basis für eine schnellere und kosteneffizientere Entwicklung durch Computermodelle.