Artikel aus dem DLRmagazin 175: Der DLR Projektträger bereitet den Weg für internationale Atmosphärenforschung

Fliegende Labore

Im Projekt IAGOS sammeln Passagierflugzeuge Daten zur Zusammensetzung der Atmosphäre.
Über diese Düse gelangt Luft in das Flugzeug. Messinstrumente unterhalb des Cockpits analysieren die Zusammensetzung.
Credit:

Deutsche Lufthansa

Die Vereinten Nationen bereiten sich auf die Weltklimakonferenz (COP 29) diesen November vor, um den Klimaschutz voranzubringen. Eine gute Datengrundlage ist Voraussetzung dafür, den Klimawandel zu verstehen und Lösungsansätze zu entwickeln. Die Forschungsinfrastruktur IAGOS liefert Daten zur Zusammensetzung der Atmosphäre in 12.000 Meter Höhe. Das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre trägt mit Messungen von Stickoxiden dazu bei. Der DLR Projektträger hat IAGOS mit zum Fliegen gebracht.

Passagierflugzeuge wie der Airbus A330 fliegen auf globalen Reiserouten in der oberen Troposphäre und der unteren Stratosphäre. Dieser Höhenbereich unserer Atmosphäre ist für Forschende besonders wichtig, denn die Konzentrationen von Stickoxiden, Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan und Ozon sowie sogenannte Aerosolpartikel dort sind als Ursache für den Klimawandel relevant. Lange gab es kein klares Bild der Zusammensetzung der Atmosphäre und ihrer Veränderung in dieser Höhe. Hier setzt die Forschungsinfrastruktur IAGOS (In-service Aircraft for a Global Observing System) an. Zehn Airbus-A330-Maschinen sind aktuell mit Messinstrumenten ausgestattet, die bei jedem Flug Daten sammeln. Mit ihnen lassen sich globale Klimaveränderungen besser abschätzen.

Der DLR Projektträger betreute das Projekt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bis zum Beginn des operativen Betriebs im Jahr 2022. Aus dem Verbund mit vielen Stakeholdern aus Wissenschaft und Wirtschaft entstand eine kosteneffiziente Methode, die Luft in der Flugreisehöhe kontinuierlich zu beobachten und ihre Bestandteile zu messen. Der Aufbau und Betrieb eines Forschungsflugzeugs wären im Gegensatz dazu deutlich teurer. Die Messdaten über die Zusammensetzung dieser Luft stehen der globalen Wissenschaftscommunity kostenlos und langfristig zur Verfügung.

Passagiermaschinen im Auftrag der Wissenschaft

IAGOS umfasst zwei unterschiedliche Ansätze. Im Rahmen von IAGOS-Core werden über viele Wochen mit zehn Linienflugzeugen Messungen durchgeführt. Diese Instrumentenpakete sind in speziellen Gestellen unterhalb der Flugzeug-Cockpits untergebracht. Sie analysieren die Luft, speichern die Daten und senden sie an die IAGOS- und die Copernicus-Datenbank. Damit stehen die Informationen den Forschenden nur wenige Stunden nach der Landung eines Flugzeugs zur Verfügung. Mit IAGOS entsteht eine lange Beobachtungsreihe zur Zusammensetzung der Atmosphäre.

Blick in den IAGOS-CARIBIC-Container mit den Messkomponenten
Für dieses Projekt wurde ein großer Luftfracht-Container im Laderaum eines Passagierflugzeugs mit Messinstrumenten bestückt.
Credit:

KIT/F. Obersteiner

Im Rahmen von IAGOS-CARIBIC wird ein großer Luftfracht-Container im Laderaum eines Passagierflugzeugs mit Messinstrumenten bestückt. Zurzeit wird ein A350 der Lufthansa für eine neue Generation des Messcontainers umgerüstet. Dieser ist mit deutlich mehr und präziseren Messinstrumenten ausgestattet, die unser Bild der Atmosphäre in Zukunft weiter schärfen werden.

Wichtige Ergänzung zu satellitengestützten Messungen

„Die Daten, die von den IAGOS-Fliegern gesammelt werden, sind für die Klimaforschung essenziell, da in dieser Höhenregion keine direkten Messdaten aus anderen Routinemessungen vorliegen. Gerade über die Atmosphäre oberhalb der Ozeane wissen wir viele Dinge nicht, da hier Messungen nur eingeschränkt möglich sind. Auch Satelliten liefern hier keine ausreichend detaillierte höhenaufgelöste Messung der Zusammensetzung der Atmosphäre“, sagt Dr. Jochen Elberskirch, Projektmanager beim DLR Projektträger. „In den 1990er Jahren gab es bereits erste flugzeuggestützte Messungen. Zusammen mit den aktuellen IAGOS-Daten sind sie die Grundlage für mehr als 400 wissenschaftliche Artikel, unter anderem auch in den Fachmagazinen Nature und Science. Die Daten bringen die Forschung maßgeblich voran.“

IAGOS-Flüge (1. November 2012–30. Juni 2022)
In zehn Jahren IAGOS wurden Atmosphärendaten mit knapp 26.000 Messflügen erhoben. Besonders wichtig für das Projekt sind die China Airlines und die Hawaiian Airlines, die mit ihren Flügen die Atmosphäre über dem Pazifik untersuchen. So entsteht ein umfassendes Bild der globalen Atmosphäre.
Credit:

IAGOS-AISBL

Internationale Forschungskooperation

Das internationale Forschungsprojekt ist nur möglich, weil viele Forschungseinrichtungen, Fluglinien und der Flugzeugbauer Airbus miteinander kooperieren. In Deutschland koordiniert das Forschungszentrum Jülich die Flotte der zehn Passagierflugzeuge. Das Karlsruher Institut für Technologie betreut das Projekt rund um den Messcontainer. Das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre trägt mit der Messung von Stickoxiden zu IAGOS-CARIBIC bei. Eine wichtige Quelle für diese Spurengase, die zum Klimawandel beitragen, ist der Flugverkehr. Neben den acht IAGOS-Mitgliedseinrichtungen sind weitere sechs Forschungseinrichtungen aus insgesamt fünf Ländern beteiligt – sowie acht Airlines, die einen Teil der Kosten tragen, indem sie die Messinstrumente an Bord ihrer Flugzeuge mitnehmen.

Der Projektträger sorgte für die Aufbaufinanzierung

Das BMBF hat mithilfe der strategischen Beratung durch den DLR Projektträger entschieden, die IAGOS-Infrastruktur finanziell zu unterstützen. Seit 2012 koordiniert der DLR Projektträger die Aufbaufinanzierung und hat mit insgesamt 18,5 Millionen Euro vom BMBF eine beispielhafte Forschungsinfrastruktur ins Leben gerufen. Inzwischen fliegen die IAGOS-Labore regelmäßig auf globalen Reiserouten. Jetzt werden kontinuierlich Daten gesammelt und zum Beispiel in Klimamodelle eingespeist. Damit hilft IAGOS, das globale Klima und seine Veränderungen besser zu verstehen. Seit Juli 2022 liegt die Koordination für das Projekt nun bei der Non-Profit-Organisation IAGOS-AISBL.

Das IAGOS-CORE-System
Im Rahmen von IAGOS-Core werden über viele Wochen mit zehn Linienflugzeugen Messungen durchgeführt.

Ein Beitrag von Lovis Krüger und Britta Paul aus dem DLRmagazin 175

Weiterführende Links

Kontakt

Redaktion DLRmagazin

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Kommunikation
Linder Höhe, 51147 Köln