Was geht mit 5G?
Augmented Reality, vernetzte Fahrzeuge, Telemedizin, Smarthome – alles Begriffe, die mit dem Mobilfunkstandard 5G verbunden werden. Diese fünfte Generation des Mobilfunks ermöglicht eine bis zu zehnmal schnellere Datenübertragung als LTE (4G) und damit Kommunikation in Echtzeit. Das interessiert die Forscherinnen und Forscher des DLR. Sie entwickeln Technologien für eine vernetzte Mobilität – das können intelligente grüne Wellen sein, Rettungsdrohnen oder automatisierte gesteuerte Züge. Doch bevor neue Technologien in die Anwendung kommen, müssen sie umfassend getestet werden. Dazu diente das Projekt 5G-Reallabor in der Mobilitätsregion Braunschweig-Wolfsburg, das vom DLR geleitet wurde.
Konkret erprobten die Forschenden drei Anwendungsfälle: die Verbesserung der Rettungsmobilität auf der Straße, den Einsatz einer Rettungsdrohne und eine automatisierte Zugsteuerung. In allen Anwendungsfällen wurden die Kommunikationssignale über 5G übertragen. Die geringe Latenz der Datenübertragung und die Möglichkeit, große Mengen an Informationen zu übertragen – beides Vorteile der 5G-Technologie – waren wichtige Voraussetzungen für die Szenarien. Der Vorteil eines solchen Reallabors ist, dass die Technologien direkt in der Stadt und mithilfe des öffentlichen 5G-Netzes erprobt werden können.
Grüne Welle für Rettungskräfte
Im Teilprojekt Rettungsmobilität stattete das DLR-Team verschiedene Ampeln an Kreuzungen in Braunschweig und in Wolfsburg mit einem Empfangs- und Sendemodul aus. Nähern sich Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, können sich die Fahrzeuge automatisiert bei den Ampeln anmelden und diese schalten auf Grün, sobald ein Fahrzeug die Ampel erreicht. Sten Ruppe vom Institut für Verkehrssystemtechnik, der diesen Anwendungsfall im Projekt koordiniert, erläutert: „Die Rettungskräfte können dadurch sicher über die Kreuzung fahren. Das ist besonders wichtig im städtischen Verkehr, denn es erhöht die Sicherheit für alle Beteiligten. Außerdem können die Rettungskräfte durch die intelligente grüne Welle den Verkehr geschickt überholen und sie erreichen schneller ihren Einsatzort.“ Während des Projekts 5G-Reallabor testeten die Forschenden das System im realen Verkehr. Die Tests zeigten, dass eine solche Technologie funktioniert. „Die Mitarbeitenden der Feuerwehren unterstützen unsere Forschung, denn sie erleben im Alltag, wie groß das Risiko im Verkehr für sie selbst und andere oft ist“, ergänzt Ruppe.
Das Projekt 5G-Reallabor in Kürze
Partnerorganisationen:
DLR (Institut für Verkehrssystemtechnik, Institut für Flugführung sowie Institut für Flugsystemtechnik), TU Braunschweig, Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen, Institut für Automation und Kommunikation, Physikalisch-Technische Bundesanstalt sowie circa 36 Unterauftragnehmer
Förderung:
5G-Innovationsprogramm des BMDV, 12 Millionen Euro, Laufzeit Ende 2019 bis Mitte 2023
Website:
Momentan arbeiten die Forscherinnen und Forscher daran, die Technologie so weiterzuentwickeln, dass auch andere Fahrzeuge sowie Personen zu Fuß oder auf dem Rad per App über einen Feuerwehreinsatz auf der Strecke informiert werden. Auch zukünftige automatisierte Fahrzeuge denken die Forschenden mit: Diese würden dann automatisch eine Rettungsgasse bilden, sobald sie über einen Einsatz informiert werden. Auch diese Anwendung wird zusammen mit der TU Braunschweig im Projekt erprobt. Sten Ruppe erklärt: „Im Projektverlauf haben wir in der Simulation und im Labor für die Rettungsmobilität getestet, welche Vorteile 5G im Vergleich zu anderen Funktechnologien für den Anwendungsfall bietet und ob ein automatisiertes Fahrzeug auf Basis der Nachrichten eine Rettungsgasse bilden kann.“
Züge im Störfall aus der Ferne steuern
Anders als beim Mobilfunkstandard LTE, oder 4G, können über 5G große Datenmengen schnell übertragen werden. Dieses Potenzial nutzten die DLR-Forscherinnen und -Forscher für ein Testszenario mit einem automatisierten und unbemannten Zug im Erzgebirge. Gesteuert wurde der Zug von einem Leitstand am DLR in Braunschweig – aus 340 Kilometer Entfernung. Hier saß ein ausgebildeter Zugführer. Niels Brandenburger, der diesen Anwendungsfall am Institut für Verkehrssystemtechnik maßgeblich koordinierte, sagt: „Eine solche Fernsteuerung ist für den automatisierten Zugbetrieb dann wichtig, wenn wir Zugriff auf gestörte Fahrzeuge erlangen wollen, um diese zu entstören oder zu bewegen. Unser Test hat gezeigt, dass die Technologie funktioniert. Das ist ein Meilenstein für den modernen Bahnbetrieb.“
Über das 5G-Netz wurden in Echtzeit Kamerabilder, Fahrbefehle und Diagnosemeldungen übertragen. Niels Brandenburger untersuchte mit seinem Team die menschliche Leistungsfähigkeit aus der arbeitspsychologischen Perspektive: „Der Zugführer steuert den Zug vor allem über die Videobilder fern, die in Braunschweig eingespielt werden. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir große Datenmengen zuverlässig übertragen können. Wir haben in mehreren Studien untersucht, bei welcher Videoqualität der Triebfahrzeugführer im Leitstand den Zug zuverlässig steuern kann“, so Brandenburger. Erste Ergebnisse dieser Studienreihe weisen auf den negativen Einfluss einer einbrechenden Bitrate sowie variierende Latenzen –besonders über 200 Millisekunden – hin. Die 5G-Kommunikationstechnologie übertraf die Anforderungen an die Geschwindigkeit der Datenübertragung im Test jedoch sogar.
Drohne bereitet Rettungskräfte auf ihren Einsatz vor
Das DLR-Team untersuchte auch den Einsatz einer Rettungsdrohne in enger Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Braunschweig. Diese sendete einen Video-Livestream über 5G an die Einsatzkräfte, deutlich bevor sie den Einsatzort erreichten. Die Drohne wurde von einem Leitstand am DLR in Braunschweig aus gesteuert und flog automatisch Wegpunkte ab. Sie war mit einer hochauflösenden Kamera sowie einer Wärmebildkamera ausgestattet und sendete kontinuierlich Videomaterial vom Einsatzort auf das Tablet des Einsatzleiters. Andreas Volkert, der im Institut für Flugführung arbeitet, erläutert: „Spannend war eine simulierte Wasserrettung am Allersee in Wolfsburg. Dort probte die Berufsfeuerwehr Wolfsburg mit ihrer Taucherstaffel für einen Einsatz und wir unterstützten sie mit unserer Drohne. Diese flog in einer Höhe von 30 Meter über dem Wasser und lieferte gestochen scharfes Videomaterial. Dadurch konnten die Einsatzkräfte die Person in Seenot viel schneller entdecken, als es von Land oder von einem Boot aus möglich gewesen wäre. Selbst als sich der ‚Badegast‘, also in unserem Fall der Taucher, in etwa drei Meter Tiefe auf dem Grund des Sees befand, konnten die Rettungskräfte ihn auf den Videos noch gut erkennen.“ Der Einsatzleiter steuerte die Kameraausrichtung während des Einsatzes über eine App. Dadurch konnte er näher heranzoomen oder andere Bildausschnitte wählen. Zudem half eine künstliche Intelligenz bei der Analyse des Bildmaterials und kennzeichnete zum Beispiel Gefahrengutschilder an Fahrzeugen. Mithilfe des Systems können die Rettungskräfte die Einsatzlage schon vor ihrem Eintreffen analysieren und wichtige Entscheidungen sehr früh treffen. Diese Minuten können im Ernstfall entscheidend sein. Aktuell prüfen die DLR-Forschenden gemeinsam mit der Feuerwehr, wie sich ein solches System in die Praxis übertragen lässt, welches Betreibermodell geeignet ist und welche weiteren Anwendungsfälle durch die Drohne abgedeckt werden können.
Mobilitätsregion ermöglicht praxisnahe Forschung
Damit ein solches Reallabor funktioniert, ist die politisch-regionale Unterstützung unverzichtbar. Während der Laufzeit unterstützten die Städte Braunschweig und Wolfsburg die Forschenden und gewährten ihnen Zugang zu ihrer Verkehrsinfrastruktur. Das 5G-Reallabor profitierte von einer engen Verzahnung mit den bereits in der Region bestehenden Testfeldern wie dem Testfeld Niedersachsen und dem Testfeld Digitale Mobilität. Daten, die in diesen Testfeldern erhoben wurden, wurden im Rahmen des Projekts genutzt. Andersherum stellten die Forschenden die Daten aus dem 5G-Reallabor auch den Testfeldern zur Verfügung. Das waren beispielsweise präzise Karten der Teststrecke für die Rettungsmobilität. Die Städte Braunschweig und Wolfsburg stellten weitere Kartendaten, zum Beispiel zur Bebauung, bereit. Sascha Knake-Langhorst vom Institut für Verkehrssystemtechnik erklärt: „Solche statischen Daten sowie dynamische Daten, wie der Schaltzustand der Lichtsignalanlagen, werden auf einer für das Projekt aufgebauten Softwareplattform abgelegt und zwischen den unterschiedlichen Anwendungsfällen geteilt.“ Die Softwareplattform bildet die Klammer um die oben beschriebenen Anwendungsfälle im 5G-Reallabor. So nutzte die Rettungsdrohne Daten, die im Anwendungsfall Rettungsmobilität zum Schaltzustand der Lichtsignalanlagen eingespielt wurden. Weiterhin sind auch Baustellendaten der Städte dort hinterlegt, die sowohl von Rettungsdrohnen zur Flugplanung als auch für die Verbesserung der Rettungsmobilität zur Planung der Fahrtstrecke genutzt werden können. Nach Ende der Förderung wollen die Beteiligten das Netzwerk in der Region und die aufgebauten technischen Systeme erhalten, um das Reallabor weiterzuführen. Dies bietet die einmalige Chance, das Wissen zu erhalten und weitere 5G-Anwendungsfälle zu erforschen.
Ein Beitrag von Anna Schieben aus dem DLRmagazin 173