Der Pilzsucher
Pilzbefall im Weinbau ist für die Winzerinnen und Winzer eine große Herausforderung. Sie müssen die befallenen Reben bei der Traubenlese aufwändig aussortieren. Außerdem leidet sowohl die Qualität des Weins als auch der wirtschaftliche Ertrag. Nun haben Forscherinnen und Forscher am DLR-Institut für Technische Physik in Lampoldshausen ein Detektionssystem namens vinoLAS entwickelt, das den Pilzbefall frühzeitig erkennen kann.
In den letzten Jahren haben die Auswirkungen des Klimawandels spürbar zugenommen. Nicht nur verursacht er extreme Witterungssituationen; der zunehmende sommerliche Starkregen begünstigt den Befall von Schadpilzen in Weinbergen. Das erzeugt große wirtschaftliche Schäden, weshalb die Winzerinnen und Winzer in der Vergangenheit große Mengen von Pflanzenschutzmitteln einsetzten, um die Pilze zu bekämpfen. Meist handelt es sich um den sogenannten Falschen Mehltau. Befällt er den Weinstock, hängen statt grünen, prallen Früchten erbsengroße, eingetrocknete Beeren an den Reben. „Erkennt man den Pilzbefall frühzeitig, können gezielt Gegenmaßnahmen ergriffen und die Ausbreitung lokal begrenzt werden. Das senkt den Einsatz und die Kosten von Pflanzenschutzmitteln, schont die Umwelt und steigert nicht zuletzt die Qualität des Weins“, erklärt der Projektleiter von vinoLAS, Dr. Christoph Kölbl, und ergänzt: „Mit unserem Detektionssystem wollen wir Pilzbefall frühzeitig, berührungslos und vor allem auch großflächig an der Laubwand von Weinreben erkennen und charakterisieren.“
Pilzbefall anhand Lichtspektren erkennen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen dafür das Verfahren der Fluoreszenzdetektion. Dabei sendet ein speziell optimiertes Lasersystem Strahlen aus, deren Wellenlängen sowohl im ultravioletten als auch im sichtbaren Spektralbereich liegen. Treffen diese auf die Reben, werden sowohl die Moleküle der Pflanzen als auch die der Pilze angeregt und strahlen sogenanntes Fluoreszenzlicht zurück. Dieses Fluoreszenzlicht ist für das menschliche Auge unsichtbar. Das vinoLAS-System besitzt zwei spezielle Spektrometer, die extra konstruiert wurden, um das Fluoreszenzlicht zu erfassen.
Mit ihnen können die Forschenden das Lichtspektrum analysieren. Unterschiede in den Spektren deuten darauf hin, dass Pflanzen oder Pflanzenteile von einem Pilz befallen sind. Zunächst testeten die Forschenden ihr System im Labor an Topfreben der Sorten Müller-Thurgau und Riesling, die sie mit Falschem Mehltau infizierten. Anhand der Lichtspektren konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Pilzbefall an den Pflanzen erkennen und über mehrere Wochen hinweg die Veränderungen in der Pflanzenstruktur verfolgen. Die Versuche zeigten, dass das System den Pilzbefall spätestens acht Tage, nachdem die Pflanze in Kontakt mit dem Erreger gekommen war, entdeckte.
Aktuell arbeiten die Forscherinnen und Forscher daran, diesen Zeitraum zu verkürzen, um eine noch zuverlässigere Früherkennung zu ermöglichen. Dank seiner aktiven Laserbeleuchtung kann vinoLAS wetter- und tageslichtunabhängig eingesetzt werden, beispielsweise auch nach Einsetzen der Dämmerung.
Monitoring großer Anbauflächen im Weinberg
Aktuell erprobt das vinoLAS-Team das Monitoringsystem in einem Test-Weinberg in der Nähe von Heilbronn. Dabei haben sie die Anforderungen der Winzerinnen und Winzer immer im Blick. Sowohl diese als auch Industriepartner haben schon ihr Interesse bekundet, obwohl noch Entwicklungsarbeit notwendig ist, denn: Ein vergleichbares System gibt es bislang noch nicht. „Unsere Arbeit ist praxisnah und liefert einen wichtigen Beitrag zur integrierten Landwirtschaft und damit auch zum Umweltschutz. Durch die Nähe des DLR Lampoldshausen zum Weinanbaugebiet Württemberg können zukünftig verstärkt auch regionale Winzer und Genossenschaften von dem Monitoringsystem profitieren“, sagt Christoph Kölbl.
Zunächst möchte das DLR-Team das System an einem Weinberg-Schmalspurtraktor installieren. So können zukünftig weinbauliche Arbeiten und Pilzbefall-Monitoring parallel erfolgen. Bei der Fahrt entlang der Laubwände misst das System berührungslos und systematisch große Anbauflächen. Die Winzerinnen und Winzer erhalten sofort die aktuellen Daten und können einen Befall direkt erkennen. Dementsprechend können sie die befallenen Stellen frühestmöglich zurückschneiden oder mit Pflanzenschutz gezielt und dosiert behandeln. „Für den Einsatz in Steilhängen ist eine spätere Anwendung mit einer Drohne denkbar. Das bodengebundene System deckt aber den allergrößten Bedarf ab“, sagt Christoph Kölbl, der in der Abteilung Atmosphärische Propagation und Wirkung des DLR-Instituts für Technische Physik arbeitet. Für ihn ist das Projekt eine Herzensangelegenheit. Er stammt ursprünglich aus dem Allgäu mit viel Viehwirtschaft und ist von den Heilbronner Weinbergen begeistert: „Ich fand es schon immer total spannend, nach alternativen Anwendungen zu suchen, und so kamen wir von den Forschungsarbeiten an Bakterien auf das Thema Pilzbefall im Weinberg. Wichtig ist mir, dass wir bei unseren Projekten von Anfang an auch den Transfer von der Forschung in die Praxis im Blick haben.“
Das DLR-Team arbeitet an der Vermarktungsstrategie
In Zukunft werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weitere Messkampagnen in den Weinbergen „unter realen Feldbedingungen“ durchführen. Das vinoLAS-System soll an anderen Rebsorten getestet und die Analysemodelle sollen verbessert werden. Außerdem steht das Team in engem Austausch sowohl mit Entwicklerfirmen für Sensorsysteme im Agrarbereich, Unternehmen, die sich auf die digitale Modellierung von Daten für die Landwirtschaft spezialisiert haben, und Firmen, deren Schwerpunkt im Bereich der Spritz- und Sprühapplikationen oder der Herstellung von Pflanzenschutzmitteln liegt, als auch mit Winzerinnen und Winzern sowie Genossenschaften. Deren positive Resonanz stimmt Kölbl und sein Team zuversichtlich, dass vinoLAS schon bald auf dem einen oder anderen Weinberg im Einsatz sein wird.
Ein Beitrag von Verena Müller aus dem DLRmagazin 172