Artikel aus DLRmagazin 171: DLR_School_Labs im „Online-Modus“

Die Raumstation im Klassenzimmer

#ScienceAtHome mit Sina
Auch Lernvideos gehören zu den Angeboten für Schulen – hier mit Moderatorin Sina Kürtz, die Experimente für Zuhause vorstellt.

Die Schülerinnen und Schüler schauen gebannt zu, wie im Kölner DLR_School_Lab eine Fallkapsel in die Tiefe stürzt: Wie werden sich Wasser und Luft in dem kleinen Glasbehälter vermischen, wenn sein Inhalt im freien Fall schwerelos wird? Das DLR_School_Lab Jena macht Jugendlichen unterdessen vor, wie man Smartphones mit wenigen Hilfsmitteln in Polarisationsmikroskope verwandeln und so Meteoritenschliffe, aber auch Zwiebelschalen untersuchen kann. Und in Oberpfaffenhofen sorgt eine Führung durch das Raumfahrtkontrollzentrum für Begeisterung. Dabei ist all diesen Beispielen eines gemeinsam: Die Schülerinnen und Schüler sind nicht vor Ort, sondern aus ihren Klassenzimmern online zugeschaltet. Denn es handelt sich um „digitale Schulstunden“ im Tele-Modus, die in der DLR-Nachwuchsförderung während der Corona-Pandemie entwickelt wurden und seitdem viele Male stattfanden.

War das zunächst der bestmögliche Ersatz für den Präsenzbetrieb, der ab März 2020 unterbrochen werden musste, so sind die Online-Formate mittlerweile ein fester Bestandteil im Repertoire der DLR-Schülerlabore. Auch nach Wiederaufnahme des normalen Besuchsprogramms wurden und werden sie weiter ausgebaut.

Selbst ausprobieren macht am meisten Spaß

Rund 40.000 Schülerinnen und Schüler besuchen jährlich die 15 DLR_School_Labs, die es an DLR-Standorten und befreundeten Hochschulen gibt. Die Nachfrage der Schulen ist dabei so groß, dass die Wartezeiten teils über ein Jahr betragen. Seit Eröffnung des ersten DLR-Schülerlabors waren insgesamt fast 450.000 Kinder und Jugendliche zu Gast. Kernelement ist dabei immer das eigene Experimentieren. Unter fachkundiger Betreuung führen die Schülerinnen und Schüler Versuche durch, die altersgerecht vereinfacht mit aktuellen Forschungsthemen zu tun haben: vom elektrischen Fliegen mittels Brennstoffzelle bis zur Erdbeobachtung per Satellit, von der Nutzung der Solarenergie bis zur Stauvermeidung auf der Straße. Da erkunden die Jugendlichen mit einem kleinen Rover eine künstliche Marslandschaft, spielen Tower-Lotse, untersuchen Verbundwerkstoffe, „backen“ in einer kleinen Weltraumkammer einen künstlichen Kometen, richten Solarzellen optimal auf eine Lichtquelle aus – kurz und gut: Sie tauchen in die Welt der Wissenschaft ein, lernen dabei jede Menge und merken, dass Forschung aufregend ist und richtig Spaß machen kann.

Dann kam Corona und plötzlich war damit Schluss. Anstelle des Präsenzbetriebs wurden Online-Angebote entwickelt – auf Basis einer Konzeptstudie einschließlich einer bundesweiten Umfrage unter Lehrkräften und nach Klärung vieler Fragen zu Technik, Datenschutz und zahlreichen Details. Inzwischen haben rund 10.000 Schülerinnen und Schüler an den „digitalen Schulstunden“ des DLR teilgenommen, neu entwickelte Lernvideos wurden über 60.000 Mal angesehen und auch viele andere „Digi-Formate“ erfreuen sich großer Beliebtheit.

Interesse quer durch die Republik und darüber hinaus

„Ich muss heute noch drei Vorträge vor Schulklassen halten“, verabschiedet sich Dr. Richard Bräucker eilig aus dem montäglichen Skype-Meeting. Dabei befindet sich der langjährige Leiter des Kölner DLR_School_Labs im Homeoffice, während die Schülerinnen und Schüler ihm aus Dresden, Konstanz oder aus anderen Orten zugeschaltet sind, um ihn anschließend mit Fragen zu überhäufen – und die Lehrkraft manchmal sogar dazu überreden, eine weitere Schulstunde „dranzuhängen“. So geht es auch all den anderen Leiterinnen und Leitern der DLR_School_Labs, wie etwa Frank Fischer aus Braunschweig: Eine Schule nach der anderen bucht seine Online-Präsentation zur Internationalen Raumstation ISS. Das Schülerlabor in Bremen betreut mehrwöchige Schulprojekte und gibt aus der Ferne regelmäßig Tipps. In Göttingen werden Laborräume und Hangars, die sonst für Besucherinnen und Besucher unzugänglich sind, in einem virtuellen Rundgang per Livekamera für Schulklassen geöffnet. Dabei kommen auch Schulen mit den DLR-Schülerlaboren in Kontakt, für die der Weg sonst viel zu weit wäre. Das geht sogar über die Landesgrenzen hinaus – etwa im Falle von Online-Schaltungen aus dem DLR_School_Lab Berlin zur Deutschen Schule in Shanghai oder nach Neu-Delhi. Auch Grundschulen oder Kindergärten machen von den Online-Angeboten des DLR Gebrauch. „Für unsere Kinder war die Aktion während der ganzen Corona-Beschränkungen ein echtes Highlight“, schrieb die Erzieherin einer Kindertagesstätte aus dem Odenwald an Tobias Neff, den Leiter des DLR_School_Labs in Lampoldshausen.

Am anderen Ende der Bildungskette profitieren auch Studierende von der neuen Aktionslinie: Die internationalen Sommerschulen zu Raumfahrtantrieben und Weltraumwetter, die sonst in Lampoldshausen beziehungsweise Neustrelitz vor Ort stattfinden, wurden zuletzt in digitaler Form durchgeführt – mit Teilnehmenden aus vielen Ländern und Referentinnen sowie Referenten, die unter anderem aus Kourou, Südafrika und Huntsville in den USA zugeschaltet wurden. Auch die DLR_School_Labs an Hochschulen (Aachen, Augsburg, Darmstadt, Dortmund, Dresden und Hamburg) sind online aktiv – mit spannenden Vorträgen von Fachleuten, Tele-Workshops speziell für Schülerinnen, Lernangeboten auf Social-Media-Plattformen wie Instagram oder ganz neuen Formaten wie einem digitalen Escape-Room-Quiz.

Neue Formate erweitern dauerhaft das Angebot

Mit den Online-Formaten hat das DLR eine neue Form der Ansprache junger Zielgruppen umgesetzt, die auch nach der Rückkehr zum Präsenzbetrieb der DLR_School_Labs beibehalten wird. Damit liefern sie fundierten und zugleich faszinierenden Content für die Digitalisierung in der Bildung und unterstützen so dieses wichtige politische Ziel. Zugleich eröffnet sich ein Potenzial, um noch mehr Heranwachsende für Forschung zu begeistern. Weit über berufsorientierende Aspekte hinaus soll so in der jungen Generation verstärkt für eine konstruktive und positive Haltung der Wissenschaft gegenüber geworben werden – ein „Lernziel“, das in heutigen Zeiten vielleicht wichtiger ist denn je.

Ein Beitrag von Dr. Volker Kratzenberg-Annies aus dem DLRmagazin 171. Er war bis Oktober 2022 DLR-Vorstandsbeauftragter für Nachwuchsförderung.

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