Brandneue Ideen
Viele werden sich noch an den Hitzesommer in diesem Jahr erinnern. Fast täglich vermeldeten die Medien neue Waldbrände, auch in Deutschland. In Frankreich, Italien, Spanien und Portugal zerstörten die Feuer viele tausende Hektar Wald und setzten große Mengen Kohlendioxid frei. Solche Katastrophen könnten aufgrund des fortschreitenden Klimawandels zu einem regelmäßigen Phänomen des europäischen Sommers werden. Fangen Waldstücke Feuer, werden neben Einsatzkräften am Boden auch Flugzeuge und Hubschrauber eingesetzt, um die Flammen einzudämmen. Die Luftfahrzeuge können große Mengen Löschwasser gezielt einsetzen und die Ausbreitung des Brandes verlangsamen. Allerdings ist diese Form der Brandbekämpfung sehr kostspielig und die eingesetzte Technik häufig veraltet. Das DLR hat Studierenden aus ganz Deutschland in der DLR Design Challenge 2022 die Aufgabe gestellt, neue Konzepte für die luftgestützte Waldbrandbekämpfung zu entwickeln.
Diese Aufgabe war alles andere als trivial: Die Teams sollten eine Flotte von Luftfahrzeugen konzipieren, die zusammen mindestens 11.000 Liter Wasser pro Flug an den Brandort liefern können. Die Anzahl der Luftfahrtzeuge und die Nutzlast blieben ihnen überlassen. Die Vehikel sollten Wasser aus nahen Quellen wie kleinen Seen, Flüssen oder Meeren aufnehmen können, dementsprechend sollten sie auf kurzen Strecken starten und landen können. Jedes Luftfahrzeug sollte entweder von einer Person an Bord, vom Boden aus oder gar hochautomatisiert geflogen werden können und das sowohl nachts als auch bei schlechten Sichtverhältnissen. Auch der modulare Entwurf für die Fertigung war Teil der Aufgabe: Das Konzept musste so aufgebaut sein, dass aus einer einzigen Fertigungslinie entweder ein Löschflugzeug, ein Passagier- oder ein Frachttransporter produziert werden könnte. Die hypothetische Indienststellung war für das Jahr 2030 angesetzt. Insgesamt bekamen die sechs Teams, die sich beworben hatten, vier Monate Zeit, um die Aufgabe zu lösen. „Dieses Jahr war die Schwierigkeit, neben dem Luftfahrzeugentwurf das Zusammenspiel aller involvierten Systeme zu berücksichtigen. Alle Teams haben diese Herausforderungen gemeistert und können stolz auf sich sein“, sagte Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt und Juryvorsitzender, bei der Preisverleihung.
„Dieses Jahr war die Schwierigkeit, neben dem Luftfahrzeugentwurf das Zusammenspiel aller involvierten Systeme zu berücksichtigen.“
Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt und Juryvorsitzender bei der DLR Design Challenge 2022
INFERNO aus Stuttgart belegt den ersten Platz
Dies galt auch für das Siegerteam der Universität Stuttgart. „Es war zu Beginn ein eher unscheinbares Thema, aber je tiefer wir darin einstiegen, desto klarer wurde uns, dass wir ziemlich kreativ werden müssen, um alle Anforderungen erfüllen zu können“, sagt Teamleiter Johannes Ritter. Ihr Konzept INFERNO nutzt acht horizontale Rotoren, um senkrecht starten und landen zu können, sowie zwei Propeller für den Vorwärtsflug. Der Antrieb ist hybrid-elektrisch und kann mit nachhaltigen Kraftstoffen betankt werden. Das Fluggefährt hat eine Schöpfvorrichtung, mit der es Wasser aufnehmen kann, aber es kann auch Wasser aus kleineren Gewässern entnehmen, indem es dort ein Stück eintaucht. INFERNO wird von einer Pilotin oder einem Piloten gesteuert, entsprechend viele Gedanken hat sich das Team zum Cockpitdesign und zu Assistenzsystemen gemacht – schließlich muss auch bei schlechter Sicht und bei Nacht sicher geflogen werden. Um Zeit zu sparen, kann man das Vehikel im Einsatz auch in der Luft betanken.
Der zweite Platz ging an das Team der TU Dresden mit ihrem Konzept PEL-E-FAN-T. Das unbemannte Luftfahrzeug wird hybrid-elektrisch angetrieben. Es kann senkrecht starten und landen und so auch sehr kleine Wasserquellen für die Löschaktionen nutzen. Der Kombinationsflugschrauber FireWasp der RWTH Aachen belegte den dritten Platz. Er vereint die positiven Eigenschaften von Hubschraubern und Flächenflugzeugen. Die dazugehörige Flotte besteht aus einem Aufklärungsvehikel und sechs Löschfliegern. Sie wird autonom betrieben und kann bei Bedarf von einer mobilen Bodenstation aus ferngesteuert werden.
Ein Ideengenerator und ein Schritt in die Zukunft
Die DLR Design Challenge wird seit 2017 ausgetragen. Mit der Organisation wechseln sich die DLR-Institute für Aerodynamik und Strömungstechnik und für Systemarchitekturen in der Luftfahrt jährlich ab. Die Themen reichen dabei von revolutionär leisem und emissionsarmem Fliegen über Überschallpassagierflugzeuge und klimaschonende Kleinflugzeuge bis hin zu autonomer und zuverlässiger Luftfahrt in städtischen Gebieten mittels Drohnen. „Wir legen großen Wert darauf, dass die Konzepte der Studierenden in sich schlüssig sind“, sagt Dr. Björn Nagel, Jurymitglied und Direktor des Instituts für Systemarchitekturen in der Luftfahrt, das den Wettbewerb dieses Jahr organisierte.
Für viele Teilnehmende ist der jährlich stattfindende Wettbewerb der Einstieg in weiterführende Arbeiten: Das Konzept HyBird des Gewinnerteams 2019 der Universität Stuttgart wird beispielsweise im DLR-Innovationszentrum für Kleinflugzeug-Technologien weiterentwickelt, aus dem Konzept des Gewinnerteams 2020 der RWTH Aachen für eine Paketdrohne namens Urban Ray ging ein Start-up hervor und an der TU München wird weiter an der Wasserstoffdrohne Mercurius gearbeitet, mit der das Studierendenteam 2020 den dritten Platz belegte. Auch das DLR profitiert von dem Wettbewerb: Seit Beginn wurden regelmäßig neue Mitarbeitende eingestellt, die zuvor als Teilnehmende in der DLR Design Challenge Erfahrung im Entwurf von Flugzeugen erlangt hatten.
Die ersten drei Plätze der DLR Design Challenge 2022
Das Team der Universität Stuttgart, bestehend aus Ahmet Günay Can, Hannes Kahlo, Benjamin Knoblauch, Nicolas Mandry, Prishit Modi und Johannes Ritter, entwarf mit INFERNO ein modulares Vehikel, das hybrid-elektrisch angetrieben wird und sowohl als Löschflugzeug betrieben werden als auch Personen und Güter transportieren kann.
Dominik Brunner, Hannes Jerzembek, Lennard Köhler, Paul Sanderbrand und Maximilian Wenk von der TU Dresden entwarfen PEL-E-FAN-T. Das unbemannte Fluggerät kann mit verschiedenen Modulen ausgerüstet werden. So können im Flotteneinsatz beispielsweise zwei Vehikel mit einem Aufklärungsmodul bestückt werden, um wichtige Informationen für den Löscheinsatz an die übrige Flotte mit Löschmodulen weiterzugeben.
Der Kombinationsflugschrauber FireWasp entstand an der RWTH Aachen. Das Konzept von Mucahit Fatih Evliyaoglu, Selim Karakus, Dominik Kau und Robin Mörsch nutzt eine konventionelle Gas turbine. Bis zur Indienststellung im Jahr 2030 soll das unbemannte Luftfahrzeug vollständig mit nachhaltigen Kraftstoffen betrieben werden können.
Ein Beitrag von Tobias Dietl und Patrick Ratei aus dem DLRmagazin 171