MMX

Das Ziel – Pho­bos und Dei­mos

Phobos und Deimos – diese Namen erhielten die 1877 vom US-amerikanischen Astronomen Asaph Hall entdeckten Monde unseres Nachbarplaneten Mars in Anlehnung an die altgriechische Mythologie. Neben dem Mond der Erde sind sie die beiden einzigen Trabanten im inneren Sonnensystem. Sie sind viel kleiner als der Erdmond und aufgrund der geringen Gravitationskräfte nicht kugelförmig, sondern von unregelmäßiger Gestalt. Der größte Durchmesser von Phobos beträgt knapp 27 Kilometer, bei Deimos sind es sogar nur 15 Kilometer. Irdische Teleskope zeigen deshalb keine Details. Doch wurden beide Monde von Marssonden aus der Nähe beobachtet. Immer noch steht eine große Frage im Raum: Wo liegt ihr Ursprung? Die spektralen Eigenschaften ähneln denen von Asteroiden und kaum denen des Mars. Mit der Mission MMX – Martian Moons eXploration – hofft die Wissenschaft, eine Antwort geben zu können.

Keine Monde für die Ewigkeit

Phobos umkreist den Mars in etwas mehr als siebeneinhalb Stunden rund 6.000 Kilometer über dessen Oberfläche. Der Mond ist also schneller, als der Planet rotiert, wofür er etwas mehr als 24,5 Stunden benötigt. Ein Astronaut auf dem Mars würde also Phobos im Westen aufgehen und im Osten untergehen sehen. Keine anderen Monde im Sonnensystem umkreisen ihren Planeten auf derart nahen Bahnen. Auch Deimos‘ Orbit befindet sich nur etwa 23.500 Kilometer über dem Mars und hat eine Umlaufzeit von etwas über 30 Stunden.

Messungen von Raumsonden, immer wieder auch mit der DLR-Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) auf dem ESA-Orbiter Mars Express, haben ergeben, dass der Mars Gezeitenkräfte auf die beiden kleinen Körper ausübt und sich dadurch ihre Bahnen verändern. So wie „unser“ Mond sich langsam, aber stetig von der Erde entfernt, wächst die Distanz von Deimos zum Mars. In ferner Zukunft dürfte Deimos dem Roten Planeten abhandenkommen. Phobos indes nähert sich dem Mars langsam auf einer spiralförmigen Bahn und wird vermutlich bei Erreichen einer Entfernung von 5.500 Kilometern, der Roche-Grenze, auseinanderbrechen, weil die Gezeitenkräfte den inneren Zusammenhalt übersteigen und es Phobos zerreißen dürfte. Das passiert voraussichtlich in 40 Millionen Jahren. Die Gesteinstrümmer würden sich dann vermutlich zeitweise als Ring um den Mars legen.

Erste Nahaufnahmen der Monde sendete 1972 die NASA-Sonde Mariner 9. 1976 bis 1980 folgten die beiden amerikanischen Viking-Orbiter. Dann kamen Fotos und Messungen der NASA-Marsorbiter Mars Global Surveyor, Mars Reconnaissance Orbiter, 2001 Mars Odyssey und der ESA-Sonde Mars Express hinzu. Die ehemalige UdSSR und Russland entwickelten sogar drei Missionen exklusiv für die Untersuchung der Marsmonde: In den späten 80er-Jahren Phobos 1 und 2, zu denen aber nach Ankunft am Mars der Funkkontakt nach Übermittlung weniger Daten abbrach, sowie die 2011 gestartete Mission Phobos Grunt, die bereits kurz nach dem Start in der Erdumlaufbahn verloren ging. Dementsprechend sind Phobos und Deimos, obwohl sie fotografiert, vermessen und in ihren geologischen, mineralogischen und geochemischen Eigenschaften ein wenig charakterisiert werden konnten, für die Planetenforschung noch nahezu unbekannt.

Video: Bedeckung von Deimos durch Phobos
Bedeckung von Deimos durch Phobos in Orbit 23,258 am 30. März 2022. Die Entfernung von Mars Express zu Phobos beträgt 12.261 km, zu Deimos sind es 27.907 Kilometer.
Credit:

ESA/DLR/FU Berlin – CC BY-SA 3.0 IGO, K.-D. Matz

Unterschiedliche Theorien zur Entstehung

Zwei große Fragen stehen im Raum: Wie sind die beiden Monde entstanden? Woraus bestehen sie? Beide Körper sind extrem dunkel. Sie spiegeln nur fünf Prozent des Sonnenlichts, fast wie Holzkohle. Der Mars hingegen reflektiert im Schnitt fast viermal so viel. Damit ist ein gemeinsamer Ursprung von Planet und Monden nur schwer erklärbar. Trotzdem ist dieses Modell noch im Rennen. Drei Theorien werden diskutiert: Entweder sind die Monde von der Schwerkraft des Mars eingefangene Asteroiden oder sie entstanden infolge eines gewaltigen Einschlags auf dem Planeten als Auswurf. Vielleicht sind sie aber auch zeitgleich mit Mars entstanden.

Für die „Einfangtheorie“ spricht, dass das Farbspektrum beider Monde der „D-Klasse“ von Asteroiden ähnelt: Sie sind genauso dunkel, dabei homogen rötlich, wasserarm und reich an kohlenstoffhaltigen und silikatischen Molekülen. Ihren Ursprung könnten die „Asteroiden“- Monde vielleicht sogar jenseits der Neptunbahn haben. Gegen dieses Modell spricht, dass beide Monde den Mars nahe der Ekliptik umkreisen – jener Ebene, in der sich alle Planeten und die meisten ihrer Monde um die Sonne bewegen. Zudem sind beide Orbits fast kreisrund. Das wäre für „eingefangene“ Asteroiden ein schwer zu erklärender Zufall. Die Orbitalparameter sind gute Argumente für die dritte Theorie. Gegen sie spricht, dass die spezifische Dichte der Monde mit 1,87 Gramm pro Kubikzentimeter nicht einmal halb so groß ist wie die des Mars.

Jüngere Untersuchungen legen nahe, dass die Monde vielleicht Überreste eines großen Einschlags in der Frühzeit des Mars sind, durch den auch das ausgedehnte nördliche Tiefland des Planeten entstanden ist. Der einschlagende Körper könnte bis zu 2.000 Kilometer groß gewesen sein und Billionen Tonnen heller Krustengesteine und dunklen Mantelmaterials aus dem jungen Planeten geschlagen haben. Die Trümmer bildeten einen Ring um den Mars, woraus Phobos und Deimos hervorgingen, vielleicht sogar weitere Monde, die dem Mars allerdings verloren gingen oder wieder auf ihm einschlugen. Diese Theorie würde die relativ niedrigen und kaum elliptischen Umlaufbahnen recht gut erklären.

Ablauf der MMX-Mission

Um die Frage nach dem Ursprung von Phobos und Deimos zu klären, aber auch um die Rolle kleiner Körper bei der Entwicklung der Planeten besser zu verstehen, hilft vor allem eine Erkundung vor Ort. Die Mission MMX der japanischen Weltraumorganisation JAXA wird nach den beiden Hayabusa-Missionen in den Asteroidengürtel die dritte JAXA-Mission sein, bei der Proben genommen und zur Erde gebracht werden sollen. An der Mission sind auch die amerikanische Raumfahrtagentur NASA, die europäische Weltraumorganisation ESA, die französische Raumfahrtagentur CNES und das DLR beteiligt.

Die MMX-Sonde wird Phobos und Deimos ab 2027 aus dem Orbit beobachten. Dabei wird eine geeignete Landestelle für das Mutterschiff und den kleinen MMX-Rover gesucht. Der Rover wird Phobos mobil erkunden, unter anderem mit einem Radiometer und einem Raman-Spektrometer, an deren Entwicklung das DLR maßgeblich beteiligt ist. Etwas später werden Proben genommen, die voraussichtlich 2031 auf der Erde ankommen sollen. Unabhängig von der Frage, wie Phobos und Deimos entstanden sind, ist es wahrscheinlich, dass auch vom Mars bei späteren Einschlägen Material auf Phobos geschleudert wurde. Die Proben des Mondes werden in jedem Fall auch Spuren des Planeten enthalten. MMX wäre dann die erste Mission mit Marsproben.

MMX – Martian Moons eXploration

MMX ist eine Mission der japanischen Weltraumorganisation JAXA mit Beiträgen von NASAESA, der französischen Raumfahrtagentur CNES und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). CNES und DLR steuern zusammen einen 25 Kilogramm schweren Rover bei. Der deutsch-französische MMX-Rover wird unter gemeinsamer Leitung der beiden Partner entworfen und gebaut. Das DLR übernimmt dabei insbesondere die Entwicklung des Rover-Fahrwerks samt Carbonstruktur sowie des gesamten Aufricht- und Fortbewegungssystems. Zudem steuert das DLR das Verbindungs- und Separationssysten zur Muttersonde bei und stellt ein Raman-Spektrometer sowie ein Radiometer als wissenschaftliche Experimente. Diese werden die Oberflächenzusammensetzung und -beschaffenheit auf Phobos messen. Die CNES leistet wesentliche Beiträge mit Kamerasystemen zur räumlichen Orientierung und Erkundung auf der Oberfläche sowie zur Untersuchung der mechanischen Bodeneigenschaften. Darüber hinaus entwickelt die CNES das zentrale Service-Modul des Rovers inklusive des Onboard-Computers sowie des Energie- und Kommunikationssystems. Nach dem Start der MMX-Mission wird der Rover von Kontrollzentren der CNES in Toulouse (Frankreich) und des DLR in Köln betrieben.

Seitens des DLR sind unter der Leitung des Instituts für Robotik und Mechatronik zudem die Institute für Systemdynamik und Regelungstechnik, für Faserverbundleichtbau und Adaptronik, für Raumfahrtsysteme, für Optische Sensorsysteme, für Planetenforschung, für Softwaretechnologie sowie das Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) beteiligt.

Die Mission MMX steht in der Tradition einer bereits langjährigen erfolgreichen Kooperation der Partner JAXA, CNES und DLR. Sie knüpft an die Vorgängermission Hayabusa2 an, bei der die JAXA eine Raumsonde zum Asteroiden Ryugu schickte mit dem deutsch-französischen Lander MASCOT an Bord. Am 3. Oktober 2018 landete MASCOT auf Ryugu und sendete spektakuläre Bilder einer faszinierenden zerklüfteten Landschaft aus Geröll und Steinen. Hayabusa2 nahm Proben von Ryugu und brachte diese am 6. Dezember 2020 zurück zur Erde.

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