30. April 2024

Tsunami-Früherkennung in der Atmosphäre

Im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Südsternwarte (ESO) und dem EOC ist das DLR-Instrument OASIS (Observations of Airglow with Spectrometer and Imager) am Paranal-Observatorium in der chilenischen Atacama-Wüste eingeweiht worden. OASIS will unter anderem zeigen, dass sich bereits wenige Minuten nach einem Seebeben in der Atmosphäre erkennen lässt, ob ein Tsunami zu erwarten ist.

OASIS beobachtet das Nachtleuchten – das Airglow – in der mittleren Atmosphäre. Dieses entsteht durch chemische Prozesse, die durch die UV-Strahlung der Sonne tagsüber angetrieben werden und nachts ablaufen. In ca. 86 Kilometern Höhe wird das Hydroxyl zum Leuchten angeregt, das sich dann in den Wellenlängenbereichen des Infrarots erfassen lässt. Durch das Messen dieses Leuchtens kann die atmosphärische Dynamik untersucht und Veränderungen des Nachtleuchtens durch Signale von planetaren Wellen, Schwerewellen und Infraschallereignissen sichtbar gemacht werden.

Inmitten der Atacama-Wüste auf 2635 Meter Höhe sind die Beobachtungsbedingungen für das Nachtleuchten ideal. Die nächste Siedlung ist weit weg und die Luft ist extrem trocken und sauber. Der Beobachtungsort liegt nur wenige Kilometer von der chilenischen Küste entfernt. Hier, an der südamerikanischen Westküste, können potentiell sehr starke Infraschallsignale entstehen. Denn unter der Meeresoberfläche stoßen zwei tektonische Platten aufeinander. Die Nasca-Platte schiebt sich unter die Südamerikanische Platte. Häufige und starke Erdbeben sind die Folge. Für die Küstenbewohner besonders folgenreich sind Seebeben, die Tsunamis auslösen. Diese entstehen, wenn die Meeresoberfläche durch das Beben vertikal angehoben wird. Die resultierende Auslenkung der Wassermassen setzt sich vom Entstehungsort fort und kann sich in flachen Küstenbereichen zu meterhohen Tsunamiwellen aufbauen. Auch in der Atmosphäre wird durch die großflächige Hebung ein Impuls ausgelöst, der binnen kurzer Zeit auf die nachtleuchtende Schicht trifft und dort von OASIS gemessen werden soll. Nach einem Beben ließe sich so frühzeitig erkennen, ob auch ein Tsunami zu erwarten ist und dadurch lebensrettende Vorwarnzeit gewinnen. Daneben helfen die Instrumente in Chile, die an Gebirgszügen generierten Schwerewellen besser zu verstehen. Die Messungen in den Anden ergänzen die über 10 Jahre andauernden Beobachtungen im Alpenraum. Informationen über diese Wellenphänomene können helfen, Klimasignale besser zu verstehen und zu quantifizieren.

Für die Europäische Südsternwarte ist OASIS aus einem anderen Grund interessant. Das Paranal-Observatorium beherbergt unter anderem das Very Large Telescope der ESO. Teure und aufwändige Infrastruktur, deren Nutzung weit im Voraus geplant wird. Das Nachtleuchten trübt jedoch die Sicht dieser Instrumente ins All. Die von OASIS regelmäßig gesammelten Daten könnten zur kurzfristigen Vorhersage der Helligkeit des Airglow genutzt werden und der ESO dabei helfen, dessen Einfluss auf astronomische Beobachtungen besser zu berücksichtigen und die Nutzung der Teleskope zu optimieren.

Die Einweihung von OASIS, mit der der operative Betrieb der Instrumente beginnt, fand Ende letzter Woche direkt am Fuße des VLT (Very Large Telescope) statt. Dort steht der speziell für die harschen Umweltbedingungen ausgelegte Messcontainer des DLR mit den beiden Kamerasystemen und dem Spektrometer sowie der benötigten Rechner- und Kommunikationsinfrastruktur.

Der Institutsdirektor des DFD, Prof. Stefan Dech, dankte in seiner Ansprache dem Direktor des Observatoriums und den Mitarbeitenden der ESO für die bemerkenswerte Partnerschaft und die hervorragende Unterstützung und konstatierte: „Die Auswirkungen unserer Partnerschaft werden in Zukunft sicherlich weit über die Grenzen dieses Projekts hinausgehen.“

Dr. Angel Otarola (ESO), Dr. Lieselotte Jochum (ESO), Dr. Andreas Kaufer (ESO, Direktor des Paranal-Observatoriums), Prof. Stefan Dech (Direktor des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums, Dr. Patrick Hannawald (DFD), Dr. Torsten Riedlinger (DFD)

Kontakt

Prof. Dr. Stefan Dech

Direktor DFD
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Earth Observation Center (EOC)
Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum (DFD)
Oberpfaffenhofen, 82234 Weßling
Tel: +49 8153 28-2885