Datenprozessoren
Operationelle Prozessoren im Bodensegment einer Erdbeobachtungsmission haben die Aufgabe, aus Messdaten kontinuierlich und schnell exakt definierte Produkte zu erzeugen. Je nach Anwendungsgebiet erzeugen sie dabei Datenprodukte unterschiedlicher Level. Ausgehend von Rohdaten entstehen kalibrierte Produkte (Level 1) oder Produkte, die geophysikalische Information (Level 2) enthalten. Auf Level 2-Produkten aufbauend können höherwertige (value-added – VA) Produkte abgeleitet werden. Jeder Schritt von einem Level zum nächsten wird durch Verarbeitung der Daten in den dafür entwickelten Prozessoren bewerkstelligt.
Prozessoren arbeiten in einer konfigurationskontrollierten Umgebung und müssen weitgehend ohne interaktive Eingriffe funktionieren. Dies stellt hohe Anforderungen an die benutzte Software, die niemals off-the-shelf Eigenschaften besitzen kann, sondern das Endprodukt einer langen Entwicklungskette ist. An deren Beginn stehen Auswertealgorithmen, die an die Erfordernisse des Bodensegments angepasst werden müssen. Handelt es sich um die Entwicklung eines Level 1-Prozessors, stammen solche Algorithmen oftmals aus dem Umfeld der Bodenkalibrierung. Bei Level 2 oder VA-Prozessoren ist wissenschaftlicher Code zur Ableitung (Retrieval) geophysikalischer Parameter der Ausgangspunkt. Gerade in solchen Fällen muss der oftmals komplexe Algorithmus soweit optimiert werden, dass er zwar immer noch Ergebnisse mit der geforderten Genauigkeit liefert, jedoch dabei weit weniger Ressourcen (Zeit, Bedienpersonal) erfordert. Operationelle Prozessoren unterscheiden sich deshalb von rein wissenschaftlichen Datenverarbeitungssystemen. Im Idealfall werden neue Kalibrierverfahren oder Retrievalmethoden zunächst im Rahmen wissenschaftlicher Systeme eingesetzt, und nachdem sie sich als sinnvoll erwiesen haben, in die operationelle Umgebung überführt.
Operationelle Prozessoren werden benötigt für die Erzeugung von Daten in naher Echtzeit (Near Realtime - NRT) oder im Offline-Modus bei größtmöglich erreichbarer Genauigkeit. Zu Test- und Entwicklungszwecken entsteht neben den Spezifikationen für die operationellen Prozessoren für jedes Prozessierungsniveau oftmals ein Prototyp, der interaktive Steuerungen erlaubt und so - falls erforderlich – eingehende Untersuchungen einzelner Prozessorschritte ermöglicht. Welche Algorithmen in den Prozessoren verwendet werden, wird detailliert im Algorithm Theoretical Baseline Document (ATBD) beschrieben.
Prozessoren und die zugrundeliegenden Algorithmen entwickeln sich im Verlauf einer Mission weiter. Mit zunehmender Missionsdauer verbessern sich die Kalibrierung des Instruments sowie die Fähigkeit, aus den Messdaten bereits definierte oder sogar neue geophysikalische Parameter zu extrahieren. Im Idealfall werden die gesamten Messdaten deshalb in regelmäßigen Abständen einer Reprozessierung unterzogen, die jeweils die in operationelle Software umgesetzten aktuellen state-of-the-art Algorithmen benutzt.
Am Earth Observation Center (EOC) werden operationelle und Prototypprozessoren entwickelt und betrieben. Sie umfassen unser gesamtes EO-Portfolio und beinhalten u.a.
- Multi-Mode SAR Prozessor für TerraSAR (TMSP)
- Integrierter TanDEM-X Prozessor (ITP)
- Prozesskette für die Hyperspektralmission EnMAP
- Prototypprozessor für panchromatischen Sensor PRISM
- Prototypprozessor für multispektrales Instrument AVNIR-2 (ALOS-Mission/Japan)
- Prozessor für Stereosensor CARTOSAT-1 (Indien)
- generische Prozesskette CATENA (einsetzbar für eine Vielzahl von Flugzeug- und Satellitensensoren)
- Prozessorkette für SCIAMACHY auf ENVISAT, GOME auf ERS-2 und GOME-2 auf MetOp
- Prozessorkette für ADM/Aeolus