15 Jahre Messungen am Schneefernerhaus
Seit 15 Jahren misst das EOC an der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) an der Zugspitze die Temperatur der Mesopause in ca. 90 Kilometer Höhe, sozusagen am Rand zum Weltraum. Am 1.7.2009 wurde dort das erste GRIPS (GRound-based Infrared P-branch Spectrometer) Instrument einer neuen Generation in Betrieb genommen. Das GRIPS registriert Nacht für Nacht das sogenannte Luftleuchten (engl. Airglow). Es handelt sich dabei um eine natürliche Leuchterscheinung, aus deren spektraler Signatur die Temperatur in diesem Höhenbereich bestimmt werden kann. Dieser Messansatz ist eine der wenigen, kostengünstigen Methoden, um Daten über diesen wenig erforschten Höhenbereich zu erhalten.
Am 25. Oktober 2008 gelang die erste Messung mit dem Prototyp eines neuen Spektrometers an der UFS im Rahmen der SCARAMANGA-Messkampagne (Search for Characteristic Airglow Response to Autumnal Meteoroid showers during Nocturnal Gauging of the Atmosphere). Deren Ergebnisse waren derart vielversprechend, dass bereits ein gutes halbes Jahr später die Messungen im vollautomatischen Betrieb erfolgen konnten und seitdem für wissenschaftliche Analysen zur Verfügung stehen.
Von Anfang an standen dabei Anwendungsaspekte für das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) im Vordergrund. So fand die Entwicklung des ersten Prototyps „GRIPS 5“ im Rahmen der Beteiligung des DLR am German Indonesian Tsunami Early Warning Systems (GiTEWS) statt. Dabei wurde untersucht, ob sich die Messungen, die seinerzeit noch mit einer zeitlichen Auflösung von lediglich 3 bis 5 Minuten stattfanden, so weit verbessern lassen, dass sie auch die Beobachtung von Infraschall ermöglichen. Infraschall ist wie Schall eine akustische Welle – nur unterhalb der menschlichen Hörschwelle. Während der Kammerton A mit einer Frequenz von 440 Hz eine akustische Welle ist, deren Signatur sich 440-mal in einer Sekunde wiederholt, liegt die Hörschwelle bei ca. 16 Wiederholungen pro Sekunde (16 Hz). Von dort bis zu ca. 0,003 Hz (eine Wiederholung in 5 Minuten) erstreckt sich der Frequenzbereich des Infraschalls. Er wird u.a. von Tsunamis auf offener See erzeugt und seine rechtzeitige Detektion (z.B. mit Methoden der Fernerkundung im Airglow) über dem offenen Meer kann einen Beitrag leisten, starke Untersee-Erdbeben danach zu unterscheiden, ob sie einen Tsunami auslösen oder nicht. Diese Entwicklungen mündeten 2022 in der Etablierung einer Messstation an der südamerikanischen Küste in Chile, wo in derselben Höhe wie an der UFS – nämlich etwa 2650 m – die neuesten Messysteme „GRIPS 19“ und die vor einigen Jahren dazugestoßenen FAIM (Fast Airglow IMAger) Systeme Beobachtungen mit einer Zeitauflösung von bis zu einer Sekunde durchführen (s. OASIS-News).
Die hohe Ziffer des genannten „GRIPS 19“ deutet es an: die Entwicklung des „GRIPS 5“ stellt einen Meilenstein in der Beobachtung des Airglow dar. Nicht nur betreibt das DFD selbst seit vielen Jahren 15 dieser Instrumente, an Orten von A wie Abastumani (Georgien) über N wie Neumayer III (Antarktis) bis Z wie Zugspitze. Es finden sich vielmehr auch namenlose Kopien davon, die von anderen Forschungsgruppen in der ganzen Welt von Norwegen bis China betrieben werden. Ihre herausragende Zuverlässigkeit macht sie nämlich auch zu beliebten Instrumenten in der Langzeitbeobachtung der Mesopausentemperatur. Deswegen stellt es heute das Standardinstrument im Network for the Detection of Mesospheric Change (NDMC) dar. Ursprünglich war man Anfang der 2000er Jahre noch davon ausgegangen, in der Mesopausenregion einen „potentiellen“ Klimawandel in dieser Höhe noch deutlich früher detektieren zu können als am Boden. Die Messergebnisse der verschiedenen Geräte lieferten jedoch keinen eindeutigen Befund. Dies lag nicht zuletzt an den vielen unterschiedlichen Systemen, die bei der Messung zum Einsatz kamen. Dank der Messungen mit GRIPS sind die Daten an vielen Orten auf der Welt nun besser vergleichbar. Und während der Klimawandel in der Troposphäre längst wissenschaftlich belegt ist, unterscheiden sich die Messergebnisse in der Mesopause zwar nicht mehr so stark wie vor 20 Jahren, aber teils noch immer deutlich. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass die grundlegenden Prozesse in der mittleren Atmosphäre noch immer nicht ausreichend verstanden sind.
Ein Blick in die Zukunft: in Anbetracht des gerade eingeläuteten Zeitalters des sog. „New Space“ mit Raketen- und Satellitenstarts in zuvor ungeahnter Zahl, die Verbrennungsprodukte des Raketentreibstoffs einerseits und Metalle verglühender Satelliten beim Wiedereintritt in die Atmosphäre andererseits in ebenso zuvor unbekanntem Ausmaß in die mittlere Atmosphäre eintragen, stellt sich die Frage, was das für die Atmosphäre bedeutet. Und so erlangen diese Messungen, die gute 10 Jahre vor dem Beginn der New-Space Ära begonnen haben, eine noch größere Bedeutung für das Monitoring der Einflussnahme des Menschen auf seine eigenen Lebensgrundlagen.