12. Februar 2025 | Neues vom kleinsten Planeten des Sonnensystems

Klein und voller Extreme – Wie Hitze und Kälte den Merkur beeinflussen

  • Plus 430 bis minus 170 Grad Celsius: Kein Planet erfährt durch den Tag- und Nachtwechsel größere Temperaturunterschiede als der Merkur.
  • Aktuelle Forschungsergebnisse: Diese Temperaturunterschiede beeinflussen Kruste und Gesteinsmantel des Planeten bis in große Tiefen.
  • Neue, globale Karten der Krustendicke zeigen eine ungewöhnlich hohe Porosität der Gesteine.
  • Schwerefeldunterschiede an großen Einschlagsbecken deuten auf eine starke Änderung der Rotation und der Umlaufbahn des Planeten oder auf ein vulkanisches Großereignis in der Vergangenheit hin.
  • Schwerpunkte: Raumfahrt, Exploration, Geophysik

Der Merkur ist der sonnen-nächste und kleinste der acht Planeten. Und er hat keine Atmosphäre. Das alles macht ihn zu etwas Besonderem in der Planetenforschung. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Technische Universität Berlin, das Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) und die Karls-Universität Prag haben verschiedene geophysikalische Aspekte im Zusammenhang mit den thermalen Bedingungen auf dem Merkur und in seinem Inneren untersucht. Ihre Erkenntnisse haben sie nun in drei Beiträgen für das Fachmagazin Geophysical Research Letters veröffentlicht. Die Ergebnisse überraschen. Und sie sind wichtig für die Untersuchung des Merkur mit der europäisch-japanischen Merkur-Mission BepiColombo, die Ende 2026 ihre Umlaufbahn um den Planeten erreicht.

Der Planet Merkur umkreist die Sonne in knapp 60 Millionen Kilometern über deren 5.500 Grad heißer Oberfläche. Das führt zu einer starken Erhitzung der von der Sonne beschienenen Seite des Merkur und gleichzeitig zu extrem niedrigen Temperaturen auf der Nachtseite. Der Unterschied ist auch deshalb so groß, weil der Planet keine wärmespeichernde Atmosphäre hat. Die Hitze wird nach Sonnenuntergang direkt ins All abgestrahlt. Die Sonnennähe des Merkur gepaart mit seiner Oberflächenbeschaffenheit, Zusammensetzung vom Innersten bis zur Kruste und sehr unterschiedlichen Schwerefeldbereichen ist außergewöhnlich im Vergleich zu den anderen Planeten im Sonnensystem. Unter Umständen hat die Summe an Extremen dazu geführt, dass der Planet in der Vergangenheit seine Rotation und Umlaufbahn um die Sonne geändert hat. Das wäre aber nur eine der möglichen Erklärungen.

In die drei wissenschaftlichen Arbeiten flossen zum einen Messdaten der NASA-Mission MESSENGER ein, die zwischen 2011 und 2015 den Merkur aus einer Umlaufbahn beobachtete. Auch beinhalten sie Modellierungen auf der Grundlage bekannter Parameter, mit denen der Aufbau des Merkur und Prozesse in der Planetenentwicklung in Raum und Zeit simuliert wurden. Der Merkur ist ein Gesteinsplanet wie Venus, Mars oder die Erde. Wie die Erde besitzt er wegen seines flüssigen Metallkerns ein Magnetfeld, aber hat keine Atmosphäre.

Wie der Mond hat der Merkur zu wenig Masse, um die flüchtigen Moleküle einer Gashülle an sich binden zu können. Allein dieser Umstand hat beträchtlichen Einfluss auf Eigenschaften und Prozesse, die mit der Wärmeeinstrahlung der Sonne verknüpft sind. Auch sein Aufbau unterscheidet sich beträchtlich von den anderen erdähnlichen Himmelskörpern: Sein Metallkern ist überproportional groß und nimmt 80 Prozent des Radius der Planetenkugel ein – der darüberliegende Gesteinsmantel ist nur 400 Kilometer dick. Warum dies so ist, gilt als eines der großen Rätsel der Planetenforschung.

Gesteinskruste gibt Aufschlüsse über Planetenentwicklung: Je größer ihre Porosität, desto schlechter die Wärmeübertragung

Dr. Adrien Broquet vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof fand mit seinem Team heraus, dass die von Kratern übersäte Kruste des Merkur eine Porosität von 9 bis 18 Prozent aufweist. Daraus lässt sich eine durchschnittliche Dichte der Gesteinskruste von etwas mehr als 2,5 Tonnen pro Kubikmeter ableiten, was – berücksichtigt man die Porosität – vergleichbar ist mit den Gesteinen der hellen Teile der Mondkruste, den sogenannten Anorthositen. Das sind feldspat- und kalziumreiche Alumosilikate.

Die deutlichen Hohlräume entstehen entweder beim Abkühlen und der Kristallisation glutflüssiger Gesteine oder durch Zerrüttung der Kruste bei großen Einschlägen von Asteroiden. Kaum zufällig wurden deshalb die höchsten Werte der Porosität um das 1.500 Kilometer große Caloris-Becken gemessen. Für das Modell, auf dem die Ergebnisse beruhen, wurde die Dicke der Kruste aus hochaufgelösten Schwerkraft- und Topographiedaten abgeleitet, die mit dem NASA-Orbiter MESSENGER gemessen wurden.

Die Porosität des Oberflächengesteins hat Einfluss auf den Transport von Wärme, die im Innern des Planeten erzeugt wird, nach oben dringt und ins All abgestrahlt werden „will“. Die Oberfläche eines Gesteinsplaneten nimmt nämlich nicht nur die von der Sonne eingestrahlte Energie auf und gibt sie in der Dunkelheit der Nacht wieder ans Weltall ab. Die äußere Kruste ist auch eine thermische Barriere für die Wärme, die durch den Zerfall radioaktiver Elemente im Planeteninnern entsteht und noch aus der Zeit der Planetenentstehung gespeichert ist; die sogenannte Akkretionswärme. Diese Wärme dringt nach oben und wird je nach den Eigenschaften der Kruste ins Weltall abgestrahlt. So kühlt der Planet im Laufe der Jahrmilliarden aus – und das umso schneller, je kleiner der planetare Körper ist. Die Kenntnis der Struktur der Kruste ist also von entscheidender Bedeutung für die Entschlüsselung der geologischen Geschichte eines erdähnlichen Körpers.

Starke Temperaturkontraste beeinflussen die innere Dynamik

Die Umlaufbahn des Merkurs um die Sonne und seine kugelförmige Gestalt führen dazu, dass einige Regionen mehr Sonneneinstrahlung erhalten als andere. Der Merkur befindet sich heute in einer sogenannten 3:2-Spin-Orbit-Resonanz: Während er sich dreimal um sich selbst dreht, umkreist er zweimal die Sonne. Zusätzlich dazu steht die Rotationsachse fast senkrecht auf der Bahnebene. Dies führt zu einem besonderen Oberflächentemperatur-Muster, wie es kein anderer Planet im Sonnensystem hat. Die heißen Regionen um den Äquator haben tagsüber Temperaturen von bis zu 430 Grad Celsius. In den Polregionen und kälteren Gebieten hingegen, die durch die 3:2-Resonanz entstehen, erreichen die Temperaturen nur minus 170 Grad Celsius. In tiefen Kratern an den Polen, in die nie ein Sonnenstrahl dringt, wird sogar Eis vermutet. Diese extremen Temperaturen und das besondere Oberflächentemperatur-Muster spielen nicht nur für die Oberfläche eine wichtige Rolle, sondern auch für das Innere des Merkur.

Der Geophysiker Aymeric Fleury, ebenfalls vom DLR-Institut für Planetenforschung, und sein Team fanden heraus, wie die unterschiedlichen Oberflächentemperaturen die Temperaturen in den tieferen Schichten des Planeten beeinflussen. Diese Temperaturen führen auch zu Variationen im Oberflächenwärmefluss. Sie zeigen, wie der Merkur seine im Inneren produzierte Wärme verliert. Aber die Temperaturen beeinflussen nicht nur den Wärmefluss an der Planetenoberfläche. Sie haben auch Auswirkungen auf die 400 Kilometer tiefer gelegene Grenze von Gesteinsmantel zum metallischen Kern. Die durch die Unterschiede entstehenden Wärmeströme könnten somit die Erzeugung von Magnetfeldern beeinflussen.

Diese außergewöhnliche Beobachtung wird künftig mit Magnetfeldmodellen des Kerns getestet und verstärkt ab 2027 mit dem von der Technischen Universität Braunschweig entwickelten Experiment MPO-Mag an Bord des BepiColombo-Planetenorbiters gemessen und analysiert werden.

Bewegte sich der Merkur früher anders um die Sonne?

Auch die Untersuchung der großen Einschlagsbecken auf der Oberfläche des Merkur gestattet Einblicke in Strukturen, die unter der Oberfläche vor den Augen von Kameras verborgen sind. Zunächst führten Einschläge von Asteroiden in der Frühzeit des Planeten zu Dutzenden von Kratern mit mehr als 100 Kilometern Durchmesser. Dabei kam es zur Umverteilung riesiger Massen an Gestein, was zu Differenzen im Schwerefeld führt. Durch das Herauslösen von leichterem Krustenmaterial und den Aufstieg von dichterem Mantelmaterial von weiter unten nach einem Einschlag ist dort die Anziehungskraft höher als in der Umgebung. Allerdings gleicht sich dieser Kontrast im Schwerefeld in der Regel im Laufe der Jahrmillionen wieder aus. Und das seitlich weggedrückte Material füllt langsam (durch das sogenannte viskose Fließen) wieder die zuvor entstandene Vertiefung. Warmes oder gar heißes Material fließt dabei schneller als sprödes, kaltes Gestein. Die Unterschiede im Schwerefeld „ebnen“ sich gewissermaßen wieder ein.

Die Krustenstruktur großer Einschlagsbecken liefert so wertvolle Einblicke in die geologische Geschichte eines Planeten wie dem Merkur. Die Geophysikerin Claudia Szczech und Geophysiker Jürgen Oberst von der Technischen Universität Berlin untersuchten mit einem fünfköpfigen Team vom DLR-Institut für Planetenforschung die auch nach mehr als drei Milliarden Jahren noch messbaren Schwerefeldunterschiede. Sie studierten 36 Einschlagsbecken mit Durchmessern von mehr als 300 Kilometern und ihre Bouguer-Kontraste – benannt nach dem französischen Universalgelehrten Pierre Bouguer (1698-1758) – als Indikatoren für die viskoelastische Entspannung.

Das Team nutzte thermische Entwicklungsmodelle, die von der gegenwärtigen 3:2-Resonanz mit drei Eigenrotationen des Planeten bei gleichzeitig zwei Sonnenumläufen ausgehen, um die Krustentemperaturen vorherzusagen. Die Untersuchung zeigt, dass der eigentlich erwartete Zusammenhang zwischen Zonen mit warmer Kruste und niedrigem Bouguer-Kontrast (wenig Relaxation) in den verfügbaren Daten nicht zu beobachten ist. Dies könnte bedeuten, dass die Krustentemperaturen in der Vergangenheit anders waren, als es bisherige Modelle erwarten ließen. Möglicher Grund könnte eine Änderung der Merkurbahn um die Sonne sein oder eines größeren vulkanischen Ereignisses, das mit der Bildung der ausgedehnten glatten Ebene auf der Nordhalbkugel des Merkur verbunden war.

BepiColombo erreicht Umlaufbahn des Merkur im November 2026

Am 8. Januar 2025 passierte die Mission BepiColombo, ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen JAXA, zum sechsten und letzten Mal den Merkur. Die Vorbeiflugdistanz von 295 Kilometern über der Oberfläche sorgte dafür, dass sich das bereits um den Planeten kreisende Duo aus Mercury Planetary Orbiter (MPO, ESA) und Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO, JAXA) nun auf einer perfekten Bahn befindet – perfekt für die BepiColombo-Sonde, um im November 2026 in die Umlaufbahn des Planeten zu gelangen. Wegen der Nähe zur Sonne mit ihrer gewaltigen Anziehungskraft wurden sechs Vorbeiflüge durchgeführt, um die Sonde dem Planeten auf idealem Weg annähern zu können. Das DLR ist mit dem Laser-Höhenmessgerät BELA und dem Spektrometer MERTIS, das gemeinsam mit der Universität Münster betrieben wird, am MPO beteiligt.

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